BGH,
Beschl. v. 28.6.2000 - 1 StR 199/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 199/00
vom
28. Juni 2000
in der Strafsache gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Juni 2000
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ulm
(Donau) vom 7. Februar 2000 wird mit der Maßgabe als
unbegründet verworfen, daß der Angeklagte auch einer
tateinheitlich mit dem versuchten Mord begangenen gefährlichen
Körperverletzung schuldig ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher
Körperverletzung in Tatmehrheit mit versuchtem Mord zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil
wendet sich der Angeklagte mit der Revision.
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben.
1. Zur Sachrüge bemerkt der Senat:
a) Die Beweiserwägungen, die der Feststellung bedingten
Tötungsvorsatzes zugrundeliegen, werden den angesichts der
hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung in
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHR
StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 30 m.w.Nachw.) gestellten
strengen Anforderungen gerecht. Das Landgericht hat unter
Berücksichtigung der Persönlichkeitsstruktur und der
psychischen Verfassung des Angeklagten aus der Art und Weise der
Tatausführung sowie der objektiv erkennbaren
Gefährlichkeit der Tathandlung nachvollziehbar geschlossen,
daß es der Angeklagte billigend in Kauf genommen hat, sein
Opfer durch den Messerstich zu töten. Seine
Erwägungen lassen nicht besorgen, daß wesentliche,
sich aufdrängende oder doch naheliegende Gesichtspunkte, die
den Tötungsvorsatz in Frage stellen könnten,
außer Betracht geblieben sind.
b) Das Landgericht ist auch rechtsfehlerfrei vom Vorliegen niedriger
Beweggründe im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB
ausgegangen.
Dieses Mordmerkmal, das auf Grund einer Gesamtwürdigung zu
beurteilen ist, welche die Umstände der Tat, die
Lebensverhältnisse des Täters und seine
Persönlichkeit einschließen muß, liegt
vor, wenn das Motiv der Tötung nach allgemeiner sittlicher
Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders
verachtenswert ist (BGHSt 3, 132 f.; 35, 116, 127; BGHR StGB §
211 niedriger Beweggrund 22 und 23).
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte die Tat aus Haß
gegen die Familie des Geschädigten und Wut wegen der
berechtigten Abwehrversuche des Geschädigten gegen die
tätlichen Angriffe begangen. Die Tat stellte eine
bloße Bestrafungsaktion an einem Menschen dar, der an den
Spannungen zwischen den beiden Familien nicht einmal unmittelbar
beteiligt war.
Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß der Angeklagte
auf Grund seiner Herkunft aus einem fremden Kulturkreis besonderen
Ehrvorstellungen unterliegt (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige
Beweggründe 29).
2. Das Landgericht hat allerdings unberücksichtigt gelassen,
daß sich der Angeklagte nach der neueren Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs mit dem versuchten Mord tateinheitlich auch einer
weiteren gefährlichen Körperverletzung schuldig
gemacht hat (vgl. BGH NStZ 1999, 30). Der Senat ändert den
Schuldspruch entsprechend. Das Verschlechterungsverbot
gemäß § 358 Abs. 2 StPO wird durch die
Schuldspruchergänzung nicht verletzt, dieses
schließt das Risiko einer Verschärfung des
Schuldspruchs nicht aus (vgl. Kuckein in KK 4. Aufl. § 358
StPO Rdn. 18). § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der
Angeklagte gegen den Vorwurf der gefährlichen
Körperverletzung nicht anders als geschehen hätte
verteidigen können.
Schäfer Maul Nack
Schluckebier Kolz |