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BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 - 4 StR 223/05


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 28.6.2005 - 4 StR 223/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 223/05
vom
28.06.2005
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter räuberischer Erpressung u. a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 28.06.2005 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Bochum vom 17. Dezember 2004 mit den Feststellungen
aufgehoben, soweit die Unterbringung der Angeklagten in einem
psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist; jedoch
bleiben die Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten
der Angeklagten und zur Schuldfähigkeit bestehen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte freigesprochen und ihre Unterbringung
in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die die Maßregelanordnung
betreffende Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge im wesentlichen
Erfolg.
1. Nach den Feststellungen hat die Angeklagte, die wegen einer endogenen
Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie schuldunfähig ist, in
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der Zeit zwischen April 2001 und Januar 2004 zehn mit Strafe bedrohte Handlungen
begangen:
Im Fall II. 1. gebrauchte sie eine von ihr zuvor verfälschte ärztliche Verordnung
zur Krankenbeförderung; im Fall II. 2. erstellte sie unter falschem Namen
ein Arztgutachten und reichte es im Rahmen ihres Betreuungsverfahrens
bei Gericht ein; dem Fall II. 3. liegt ein Ladendiebstahl (Schaden 7,08 €)
zugrunde; in den Fällen II. 4. bis 6. machte sie jeweils schriftlich gegenüber
einem Unternehmen bzw. einem Arzt unberechtigte Schadensersatzansprüche
geltend und drohte "für den Fall der Nichtzahlung" mit der gerichtlichen Geltendmachung
der Forderungen und/oder mit der Erstattung einer Strafanzeige
(Zahlungen erfolgten jeweils nicht); in zwei weiteren Fällen (II. 7. und 8.) erschlich
sich die Angeklagte unter Vorlage verfälschter ärztlicher Verordnungen
jeweils kostenlos die Beförderung mit einem Taxi (Schäden: 75,00 € und
110,00 €); in den Fällen II. 9. und 10. erhob sie gegen ihre Vermieterin und
gegen einen Zahnarzt wiederum schriftlich unberechtigte Schadensersatzforderungen,
wobei sie jeweils gerichtliche Schritte sowie Angriffe durch "brutale
Schlägertypen" auf Leib und Leben der Geschädigten für den Fall androhte,
daß die Forderungen nicht beglichen werden.
Da von der Angeklagten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten
seien, hat das Landgericht die Unterbringung der Angeklagten, die seit
1999 bereits mehrfach, fast ausnahmslos wegen Betrugs zu Geldstrafen verurteilt
worden war, in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Strafkammer
ist dem Sachverständigen folgend zu der Auffassung gelangt, bei der
Angeklagten komme es aufgrund ihres Krankheitsbildes vermehrt zu aggressiven
Ausbrüchen gegenüber Personen, gegen die sie - krankheitsbedingt - Ansprüche
zu haben glaubt. Die Schwelle der aggressiven Ausbrüche werde da-
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bei immer niedriger und deren Intensität gefährlicher. Es bestehe ohne Behandlung
die Gefahr, daß die Angeklagte ihre Drohungen mit Gewalt verwirklichen,
etwa Personen suchen und finden werde, die einen möglichen Auftrag
zur Begehung von Körperverletzungsdelikten im Rahmen von Forderungseintreibungen
annehmen würden (UA 19).
2. Dieser Beurteilung vermag der Senat nicht zu folgen. Die Unterbringung
in einem psychiatrischen Krankenhaus beschwert den Betroffenen außerordentlich.
Deshalb darf diese Maßregel nur angeordnet werden, wenn eine
Wahrscheinlichkeit höheren Grades - nicht nur die einfache Möglichkeit - neuerlicher
schwerer Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in den Bereich
der mittleren Kriminalität hineinreichen, besteht (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit
8 und 16; BGH NStZ 1995, 228 m.w.N.).
Diese Voraussetzung des § 63 StGB ist bislang nicht ausreichend belegt.
Das Landgericht hat zur Begründung der Gefährlichkeitsprognose als Anlaßtaten
lediglich die Fälle II. 4. bis 10. herangezogen, und dabei in erster Linie
auf die Erpressungsdelikte abgestellt. Es hat dabei die Taten II. 9. und 10.
rechtlich als versuchte räuberische Erpressungen gewertet. Zwar lassen sich
jedenfalls diese beiden Taten ihrem Deliktstypus nach grundsätzlich nicht
mehr, wovon das Landgericht zutreffend ausgeht, der Kleinkriminalität zurechnen
(vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 9). Das Landgericht hat es jedoch
rechtsfehlerhaft unterlassen, sich damit auseinanderzusetzen, ob sich die versuchten
Erpressungstaten im vorliegenden Fall trotz des Deliktscharakters der
Sache nach lediglich als bloße Belästigungen darstellen, die eine Gefährlichkeitsprognose
im Sinne des § 63 StGB nicht rechtfertigen können. Eine diesbezügliche
Erörterung hat sich hier aufgedrängt. Zwar erfuhr die Qualität der
Drohung in den Fällen II. 9. und 10. gegenüber den vorausgegangenen
Vorfällen eine qualitative Steigerung. Die Angeklagte drohte jedoch in
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eine qualitative Steigerung. Die Angeklagte drohte jedoch in sämtlichen Erpressungsfällen
den Geschädigten lediglich schriftlich, zur persönlichen Konfrontation
zwischen der Angeklagten und den betroffenen Personen kam es in
keinem Fall. In der Regel beließ es die Angeklagte bei einem Forderungsschreiben.
Es ist nicht auszuschließen, daß das Landgericht, hätte es sich mit
diesen Umständen auseinandergesetzt, die Frage der Erheblichkeit künftiger
Straftaten der Angeklagten anders als geschehen, beurteilt hätte.
Soweit das Landgericht, den Ausführungen der Sachverständigen folgend,
im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose darauf abstellt, es stehe zu befürchten,
daß die Angeklagte ihre Drohungen mit Gewalt künftig verwirklichen
werde, ist diese Annahme nicht mit Tatsachen belegt und begründet allenfalls
die Möglichkeit, jedoch nicht die vom Gesetz geforderte hohe Wahrscheinlichkeit
der Begehung weiterer erheblicher Straftaten. Nach den bisherigen Urteilsfeststellungen
liegen durch Tatsachen belegte Anhaltspunkte dafür, daß die
Angeklagte bei Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten, der früheren
Straftaten oder außerhalb ihrer Straffälligkeit mit Aggressionshandlungen aufgefallen
ist, nicht vor. Die Annahme des Landgerichts, es bestehe krankheitsbedingt
die Gefahr, die Angeklagte könne ihre Drohungen künftig verwirklichen
bzw. durch Dritte verwirklichen lassen, entbehrt vor diesem Hintergrund einer
Tatsachengrundlage und stellt sich lediglich als Vermutung dar.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß der neue Tatrichter zum Werdegang
der Angeklagten und insbesondere zu ihrer Entwicklung seit ihrer
einstweiligen Unterbringung weitere Feststellungen treffen kann, die eine Gefährlichkeitsprognose
im Sinne des § 63 StGB rechtfertigen.
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Die Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten und zur Schuldfähigkeit
der Angeklagten hat das Landgericht rechtsfehlerfrei getroffen; sie können daher
bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen nicht
in Widerspruch stehen, können getroffen werden.
Tepperwien Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible



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