BGH,
Beschl. v. 28.3.2000 - 1 StR 637/99
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 637/99
vom
28. März 2000
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Bestechung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. März 2000
beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 20. Juli 1999 werden als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines
Rechtsmittels.
Gründe:
Unter Freispruch im übrigen wurde der Angeklagte W. wegen
Bestechung in zwölf Fällen,
Vorteilsgewährung in zehn Fällen und Untreue in vier
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und
sechs Monaten, der Angeklagte M. wegen Beihilfe zur Bestechung,
Vorteilsgewährung in sechs Fällen, Beihilfe zur
Untreue in drei Fällen und Betrug in zwei Fällen zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur
Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Die hiergegen
gerichteten Revisionen der Angeklagten sind auf die Sachrüge
und eine Reihe von Verfahrensrügen gestützt. Die
Rechtsmittel bleiben erfolglos, da die Nachprüfung des Urteils
aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil
der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Ergänzend zum Vorbringen des Generalbundesanwalts bemerkt der
Senat:
I.
Der Angeklagte W. rügt vergeblich eine Verletzung von
§ 244 Abs. 2 und 3 StPO und § 245 Abs. 1 StPO.
a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde: Im
Hauptverhandlungstermin vom 15. März 1999 hatte sich der
Angeklagte nach Verlesung der Anklageschrift zur Sache eingelassen,
ebenso wiederholt im weiteren Gang der Hauptverhandlung. Im
Hauptverhandlungstermin vom 6. Juli 1999 überreichte der
Angeklagte dem Gericht dann eine neunseitige maschinenschriftliche
Erklärung zur Verlesung, in der er unter
ausführlicher Würdigung der bisherigen Beweisaufnahme
zu den Anklagevorwürfen Stellung nahm. Der Verteidiger
beantragte unter Berufung auf § 249 StPO die Verlesung dieses
Schreibens. Sie werde ergeben, wie der Angeklagte "seine Einlassung ...
unter Betrachtung des Gesamtinhalts der Beweisaufnahme ...
abschließend formuliert." Die Strafkammer hat den Antrag
abgelehnt. Es handele sich bei dem Schreiben nicht um eine Urkunde als
Beweismittel, sondern um eine persönliche Erklärung,
die der Angeklagte selbst vorzutragen habe. Letztlich handele es sich
um ein Schlußplädoyer, das im Rahmen des letzten
Worts abzugeben sei. Daraufhin wiederholte der Verteidiger den Antrag
auf Verlesung des Schreibens. Die Verlesung werde Existenz und Inhalt
der Erklärung ergeben und die Einlassung des Angeklagten
insgesamt dokumentieren. Die Verlesung werde auch zum Beweis "dieser
Tatsache" beantragt. Auch diesen Antrag hat die Strafkammer, im
wesentlichen mit der früheren Begründung, abgelehnt.
b) Das Vorgehen der Strafkammer hält im Ergebnis rechtlicher
Überprüfung stand.
aa) Ist ein Angeklagter bereit, nach Verlesung des Anklagesatzes vor
Beginn der Beweisaufnahme Angaben zur Sache zu machen, ist er zu
vernehmen (§ 243 Abs. 4 Satz 2 StPO). Die Vernehmung erfolgt
mündlich und kann nicht durch die Verlesung einer
Erklärung des Angeklagten durch das Gericht ersetzt werden
(vgl. BGH, Urt. vom 21. Juli 1994 - 1 StR 83/94 = BGHR StPO §
243 Abs. 4 Äußerung 5, insoweit nicht abgedruckt in
BGHSt 40, 211 und NStZ 1994, 593). Auch die dem Angeklagten -
unbeschadet § 257 Abs. 2 StPO - zustehenden weiteren
Äußerungsrechte im Verlauf der Hauptverhandlung sind
von ihm persönlich wahrzunehmen (Gollwitzer in
Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 257 Rdn. 8). Auch
das letzte Wort (§ 258 Abs. 2 StPO) ist als
höchstpersönliches Recht des Angeklagten nicht
übertragbar (Gollwitzer aaO § 258 Rdn. 28 f.). Das
Recht des Angeklagten, ihm wichtig erscheinende Gesichtspunkte
vorzubringen, wurde durch den geschilderten Verfahrensgang nicht
verkürzt. Nach der Ablehnung der Anträge war er nicht
gehindert, diese Gesichtspunkte in der ihm in den genannten
Beschlüssen aufgezeigten Weise in die Hauptverhandlung
einzubringen.
bb) Ein über den Wunsch des Angeklagten, eine von ihm
schriftlich abgegebene Erklärung sei vom Gericht zu verlesen,
hinausgehender Beweisantrag liegt nicht vor (vgl. BGHR aaO). Der
Umstand, daß der Angeklagte im Rahmen der Hauptverhandlung
dem Gericht etwas mitteilen will, ist als solcher offensichtlich keine
den Schuld- oder Strafausspruch betreffende Tatsache, auf die allein
ein zulässiger Beweisantrag gerichtet sein kann.
cc) Allerdings kann je nach den Umständen des Falles die
Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), deren Inhalt
und Umfang sich nicht allein nach dem Prozeßverhalten des
Angeklagten richtet, die Verlesung eines solchen Schreibens im Hinblick
auf seinen Inhalt gebieten. Die genannten Beschlüsse ergeben
nicht, daß sich die Strafkammer dessen bewußt
gewesen wäre. Gleichwohl kann die Revision auch nicht wegen
einer Verletzung der Aufklärungspflicht Erfolg haben.
(1) Eine Verletzung der Aufklärungspflicht könnte
vorliegen, wenn das Schreiben eine Änderung der bisherigen
Angaben des Angeklagten in zentralen Punkten enthielte. Die Annahme,
daß es sich so verhielte, brauchte sich der Strafkammer nach
dem Inhalt der genannten Anträge, in denen entsprechendes
nicht einmal andeutungsweise behauptet ist, jedoch nicht
aufzudrängen. Auch aus dem Inhalt des Schreibens selbst ergibt
sich derartiges nicht. Soweit dort nicht nur der Inhalt des
Anklagesatzes und das Ergebnis der Beweisaufnahme im übrigen
behandelt sind, schreibt der Angeklagte darin lediglich, er wolle seine
"in der Hauptverhandlung vorgetragenen Aussagen ... zusammenfassen", um
dem Gericht seine Einlassung "nochmals nahezubringen".
(2) Allerdings legt die Revision nunmehr eine Reihe von Punkten dar, in
denen nach Ihrer Auffassung der Inhalt des Schreibens von den in den
Urteilsgründen wiedergegebenen Einlassungen des Angeklagten
abweicht. Der Senat braucht diesem Vorbringen jedoch unter keinem
Gesichtspunkt näher nachzugehen, da jedenfalls das Urteil
nicht auf den (behaupteten) Widersprüchen zwischen dem im
Urteil festgestellten Inhalt der Angaben des Angeklagten und dem Inhalt
des Schreibens beruht; es ist an keiner Stelle maßgeblich auf
die Angaben des Angeklagten gestützt. Vielmehr ist
rechtsfehlerfrei im einzelnen dargelegt, aufgrund welcher Ergebnisse
der übrigen Beweisaufnahme genau gekennzeichnete Teile der
Feststellungen den Angaben des Angeklagten entsprechen und warum dies
bei den übrigen ebenso genau gekennzeichneten Teilen der
Feststellungen nicht der Fall ist.
dd) Schließlich ist auch § 245 Abs. 1 StPO nicht
verletzt. Das Schreiben war nicht im Sinne von § 245 Abs. 1
StPO als Beweisgegenstand vom Gericht oder von der Staatsanwaltschaft
"herbeigeschafft" worden (vgl. BGHR aaO und BGHSt 37, 168).
II.
Die Verurteilung der Angeklagten wegen Vorteilsgewährung
(§ 333 StGB aF) ist nicht zu beanstanden.
a) Die Werkmeister der Stadtwerke A. , die Kleinaufträge
selbst vergeben konnten, erhielten in Fortsetzung eines schon
früher bestehenden "Geschenkesystems" zwischen 1992 und 1996
von den Angeklagten u.a. teure Spirituosen und Bargeld geschenkt.
Dadurch sollte nicht nur allgemein die "reibungslose Zusammenarbeit"
gefördert werden, sondern auch die Vergabepraxis der
Werkmeister beeinflußt werden. Obwohl mehrere Werkmeister
deshalb wegen Vorteilsannahme rechtskräftig verurteilt worden
sind, konnte sich die Strafkammer nicht davon überzeugen,
daß die Geschenke tatsächlich zu einer Bevorzugung
des von den Angeklagten vertretenen Unternehmens bei der Vergabe
führten, oder daß die Werkmeister das mit den
Geschenken angestrebte Ziel auch nur erkannt hatten.
b) Dies gefährdet den Schuldspruch jedoch nicht. Für
eine Verurteilung wegen Vorteilsgewährung
gemäß § 333 StGB aF kommt es nicht darauf
an, ob die Beeinflussung Erfolg hat. Ebensowenig ist erforderlich,
daß der Amtsträger den Zusammenhang zwischen
Zuwendung und Amtshandlung erkannt hat und es tatsächlich zum
Abschluß der Unrechtsvereinbarung kommt. Der Unrechtsgehalt
der Tat liegt allein darin, daß der Täter mit seinem
Angebot auf eine Unrechtsvereinbarung abzielt und damit das
geschützte Rechtsgut gefährdet (BGHSt 15, 184; BGH
bei Herlan MDR 1955, 529; Jescheck in LK 10. Aufl. § 333 Rdn.
10; Pfeiffer/Maul/Schulte, StGB, § 333 Rdn. 4 f.;
Schönke/Schröder-Cramer, StGB 25. Aufl. §
333 Rdn. 10-16; Lackner StGB 22. Aufl. § 333 Rdn. 3; Rudolphi
in SK-StGB 41. Lfg. § 333 Rdn. 7 f.).
c) Die von der Revision für ihre gegenteilige Auffassung
herangezogenen Entscheidungen BGHSt 10, 237; 32, 290; 39, 45 beziehen
sich demgegenüber auf Verurteilungen von Amtsträgern
wegen Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit gemäß
§§ 331, 332 StGB. Hierfür ist, anders als
für eine Verurteilung wegen Vorteilsgewährung
gemäß § 333 StGB, eine
einverständliche Unrechtsvereinbarung erforderlich. Auch in
dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. März 1999 - 5 StR
470/98 = wistra 1999, 224 ging es um eine Entscheidung
gemäß §§ 331, 332 StGB. Allerdings
heißt es dort unter Anführung einer Reihe weiterer
nur §§ 331, 332 StGB betreffender
Rechtsprechungszitate (BGHSt 15, 88, 97; 217, 223; 352, 355; BGHSt 39,
45, 46; BGH NStZ 1984, 24; Rudolphi in SK-StGB § 331 Rdn. 29
m.w.N.), daß "die Tatbestände der
§§ 331 bis 334 StGB a.F." nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs übereinstimmend eine
Unrechtsvereinbarung erforderten, bei der eine bestimmte Diensthandlung
als Äquivalent für die Vorteilsgewährung
erbracht wird. Diese allgemein gehaltene, für die Entscheidung
jenes Falles bedeutungslose Formulierung hindert den Senat jedoch an
seiner Entscheidung nicht (vgl. Hannich in KK 4. Aufl. § 132
GVG Rdn. 4 m.w.N.).
III.
Die Verurteilung des Angeklagten M. wegen Betruges in zwei
Fällen hält rechtlicher Überprüfung
stand.
a) Folgendes ist festgestellt: Der Angeklagte hatte als
stellvertretender Zweigstellenleiter Bauarbeiten zu
überwachen. Er war Vorgesetzter eines Bauleiters, der mit
Wissen und Wollen des Angeklagten Lieferscheine fälschte.
Dadurch täuschte er einen höheren Verbrauch an Sand-
und Kiesmengen vor, die von der Stadt A. an das Bauunternehmen zu
bezahlen waren. Der Stadt A. entstand durch diese Taten ein Schaden von
rund 35.000 DM. Der Angeklagte wollte dadurch - ebenso wie der
Bauleiter - eine "Verbesserung der Baustellenergebnisse" erreichen.
b) Dies trägt die Annahme gemeinschaftlichen
(fremdnützigen) Betrugs. Zwar würde für die
Annahme der Mittäterschaft die bloße Kenntnis des
Vorhabens oder das bloße eigene Wollen der Tat alleine nicht
ausreichen (BGH StV 1998, 649; BGH, Urt. vom 10. April 1979 - 4 StR
81/79; BGH bei Dallinger MDR 1953, 271, 272). Hinzukommen muß
vielmehr auch ein die Tatbestandsverwirklichung objektiv
fördernder Beitrag eines jeden Mittäters (BGH bei
Dallinger MDR 1975, 366; BGH GA 1984, 287). Dieser kann jedoch auch in
einem bewußten Bestärken des Tatwillens des die Tat
ausführenden anderen Mittäters liegen (BGHSt 16, 12,
14; BGH GA 1984, 287; StV 1986, 384; Tröndle/Fischer,
StGB, 49. Aufl. § 25 Rdn. 7). So verhält es sich
hier. Der Angeklagte hatte zuvor mit dem Bauleiter "Einvernehmen"
über dessen Vorgehen erzielt. In einer solchen
Verständigung über eine Straftat zum Vorteil des
gemeinsamen Arbeitgebers liegt ein die Tatausführung
förderndes bewußtes Bestärken des
Untergebenen.
Schäfer Maul Wahl
Boetticher Schluckebier |