BGH,
Beschl. v. 28.11.2000 - 4 StR 474/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 474/00
vom
28. November 2000
in der Strafsache gegen
wegen Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 28. November
2000 gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4,
357 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Halle vom 24. Mai 2000
1. im Schuldspruch - auch soweit es den Mitangeklagten Ka. betrifft -
dahin geändert, daß die Angeklagten des Diebstahls
in neun Fällen, des versuchten Diebstahls in zwei
Fällen sowie des Raubes in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung schuldig sind,
2. im gesamten, den Angeklagten K. betreffenden Strafausspruch mit den
Feststellungen aufgehoben.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere - allgemeine - Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten K. und Ka. des "gemeinschaftlich
begangenen schweren Bandendiebstahls in 11 Fällen, wovon es in
2 Fällen beim Versuch blieb, und des gemeinschaftlich
begangenen schweren [Banden-] Raubes in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung" schuldig gesprochen.
Den Angeklagten K. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
fünf Jahren, den Angeklagten Ka. , der kein Rechtsmittel
eingelegt hat, zur Jugendstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur
Bewährung verurteilt. Mit seiner Revision gegen dieses Urteil
rügt der Angeklagte K. die Verletzung materiellen Rechts. Das
Rechtsmittel hat teilweise Erfolg. Es führt
gemäß § 357 StPO auch zu einer
Änderung des Schuldspruchs zugunsten des Mitangeklagten Ka. .
Im übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen kamen die Angeklagten im Oktober 1999
überein, ihren Lebensunterhalt durch die Begehung von
Straftaten - insbesondere durch Diebstähle - zu finanzieren.
In Ausführung dieses Vorhabens brachen sie bis zu ihrer
Festnahme am 5. Dezember 1999 in neun Fällen in Schulen,
Gartenlauben, Gaststätten und in einen Getränkemarkt
ein und entwendeten u. a. Elektronikartikel, Zigaretten, Lebensmittel
und Geld. In zwei weiteren Fällen scheiterten
Einbruchsversuche. Am 1. Dezember 1999 nahmen die Angeklagten und ein
Onkel des Angeklagten Ka. aufgrund gemeinsam gefaßten
Tatentschlusses einem Bekannten, Günter N. , gewaltsam 300 DM
sowie Lebensmittel ab. Als N. sich gegen die Wegnahme zur Wehr setzen
wollte, traten ihn die beiden Angeklagten, worauf er die Gegenwehr
aufgab (UA 13, 16 ).
2. Die Ansicht des Landgerichts, die Angeklagten hätten bei
den Diebstählen und dem Raub jeweils als Mitglieder einer
(Zweier-) Bande gehandelt, hält - wie die Revision zu Recht
vorbringt - rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Bereits unabhängig von der Frage, ob schon zwei Personen
eine Bande bilden können (verneinend BGH StV 2000, 315 ff.
[Anfragebeschluß]), rechtfertigt das festgestellte Verhalten
der Angeklagten nicht die Annahme bandenmäßiger
Begehung. Diese setzt - über eine mittäterschaftliche
Begehungsweise hinaus - ein Handeln mit gefestigtem Bandenwillen voraus
(BGHSt 42, 255, 259; BGH NStZ 1996, 339, 340), wobei für den
der jeweils gemeinschaftlich begangenen Tat zugrunde liegenden, auf
eine gewisse Dauer angelegten und verbindlichen "Gesamtwillen"
kennzeichnend ist, daß sich der Bandentäter im
übergeordneten Interesse der bandenmäßigen
Verbindung betätigt (vgl. BGH NStZ 1996, 443; NJW 1998, 2913;
StV 1998, 599; BGH, Beschluß vom 25. Juli 2000 - 4 StR
255/00; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 244 Rdn.
13). Einen solchen "gefestigten Bandenwillen" hat die Jugendkammer
nicht festgestellt. Auch dem Gesamtzusammenhang der
Urteilsgründe ist nicht zu entnehmen, daß die
Angeklagten bei ihren Taten - über ihr individuelles Interesse
am Erlangen von Beute hinaus - ein übergeordnetes
Bandeninteresse verfolgt haben.
b) Da weitere Feststellungen, die den Vorwurf
bandenmäßiger Begehung tragen könnten, in
einer neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten sind, ändert
der Senat - auch im Hinblick auf den Mitangeklagten Ka. (§ 357
StPO) - den Schuldspruch dahin ab, daß die Angeklagten in den
Fällen II 1, 3 bis 10 der Urteilsgründe jeweils des
Diebstahls, in den Fällen II 2 und 11 des versuchten
Diebstahls und im Fall II 12 des Raubes in Tateinheit mit
(gemeinschaftlich begangener, § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB)
gefährlicher Körperverletzung schuldig sind.
Der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom
25. Oktober 2000, die Mißhandlungen des Geschädigten
N. rechtfertigten im Fall II 12 einen Schuldspruch wegen schweren
Raubes nach § 250 Abs. 2 StGB, vermag der Senat nicht zu
folgen. Das Treten mit "beschuhten Füßen" (UA 16)
kann nur dann als "Verwenden" eines "gefährlichen Werkzeugs"
im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB angesehen werden, wenn
die Tritte im Einzelfall geeignet sind, erhebliche
Körperverletzungen herbeizuführen (vgl. BGH NStZ
1999, 616, 617). Dagegen spricht hier, daß die Verletzungen
nicht erheblich waren und ärztliche Hilfe nicht in Anspruch
genommen werden mußte (UA 13). Da ausgeschlossen werden kann,
daß in einer neuen Hauptverhandlung zweifelsfreie genauere
Feststellungen zu Art und Beschaffenheit der Schuhe, ihres konkreten
Einsatzes gegen den Geschädigten N. und zum subjektiven
Tatbestand des § 250 StGB getroffen werden können,
stellt der Senat den Schuldspruch auf Raub (in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung) um.
Der Änderung des Schuldspruchs steht § 265 StPO nicht
entgegen; denn die Angeklagten hätten sich gegen den
geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen
verteidigen können.
3. Als Folge der Schuldspruchänderung müssen beim
Angeklagten K. alle Einzelstrafen und die Gesamtstrafe aufgehoben
werden. Beim Angeklagten Ka. schließt der Senat aus,
daß die Jugendkammer bei zutreffender rechtlicher
Würdigung auf eine noch geringere Strafe erkannt
hätte. Die Jugendstrafe kann daher bestehenbleiben.
4. Da sich das weitere Verfahren nur noch gegen den erwachsenen
Angeklagten K. richtet, verweist der Senat die Sache zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an eine allgemeine Strafkammer
zurück (vgl. BGHSt 35, 267).
Meyer-Goßner Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |