BGH,
Beschl. v. 28.11.2007 - StB 43/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
StB 43/07
vom
28.11.2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nur I. und II.)
Veröffentlichung: ja
___________________________
StGB § 129 a Abs. 2 Nr. 2
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Katalogtat nach
§ 129 a Abs. 2 Nr. 2 StGB durch die Art ihrer Begehung oder
ihre Auswirkungen einen Staat erheblich schädigen kann.
BGH, Beschl. vom 28.11.2007 - StB 43/07
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
u. a.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschuldigten am 28.11.2007
gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Haftbefehl des
Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 1. August 2007 (1 BGs
365/2007)
a) dahin abgeändert, dass der Beschuldigte dringend
verdächtig ist, als Mitglied einer Vereinigung, deren Zwecke
oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu
begehen, am 31. Juli 2007 gemeinschaftlich mit weiteren Mitgliedern
dieser Vereinigung versucht zu haben, drei Lastkraftwagen der
Bundeswehr in Brand zu setzen;
Verbrechen und Vergehen strafbar gemäß §
306 Abs. 1 Nr. 4, § 305 a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2, §
129 Abs. 1, § 12 Abs. 1, §§ 22, 23, 25 Abs.
2, § 52 StGB;
b) unter folgenden Auflagen außer Vollzug gesetzt:
- Der Beschuldigte hat eine Sicherheit in Höhe von 30.000
€ in Geld zu leisten.
- Er hat seine Personalpapiere (Reisepass und Personalausweis) zu den
Akten zu geben.
- Er darf die Bundesrepublik Deutschland nicht ohne die Zustimmung des
Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs verlassen.
- Er hat sich wöchentlich, jeweils mittwochs - erstmals am 5.
Dezember 2007 - bei dem Polizeiabschnitt 35, Oudenarder Str. 16, 13347
Berlin, zu melden.
2. Die weitergehende Beschwerde wird verworfen.
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3. Der Beschuldigte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen;
jedoch wird die Gebühr um ein Drittel
ermäßigt. Die Staatskasse hat ein Drittel der dem
Beschuldigten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen
zu erstatten.
Gründe:
Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten ein
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der mitgliedschaftlichen
Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung sowie der versuchten
Brandstiftung nebst versuchter Zerstörung wichtiger
Arbeitsmittel. Auf seinen Antrag hat der Ermittlungsrichter des
Bundesgerichtshofs am 1. August 2007 wegen dieser Vorwürfe
Haftbefehl gegen den Beschuldigten erlassen. Hiergegen hat dieser
Beschwerde eingelegt; er begehrt die Aufhebung des Haftbefehls,
hilfsweise dessen Außervollzugsetzung. Der Ermittlungsrichter
des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem
Senat zur Entscheidung vorgelegt. Das Rechtsmittel führt zur
Änderung des Haftbefehls sowie zu dessen
Außervollzugsetzung unter den aus der Beschlussformel
ersichtlichen Auflagen; im Übrigen bleibt es ohne Erfolg.
1
I. Der Beschuldigte ist nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen
dringend verdächtig (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO),
Mitglied einer unter der Bezeichnung "militante gruppe" auftretenden
linksextremistischen, gewaltbereiten Organisation zu sein und zusammen
mit den Mitbeschuldigten R. und H. , die ebenfalls dieser Gruppierung
angehören, in der Nacht des 31. Juli 2007 versucht zu haben,
auf dem Betriebsgelände der Firma M in Branden-
2
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burg/Havel drei dort abgestellte Lastkraftwagen der Bundeswehr in Brand
zu setzen.
Dieser Verdacht ergibt sich hinsichtlich des versuchten Anschlags vom
31. Juli 2007 namentlich aus der polizeilichen Observation des
Tatgeschehens, die zur unmittelbaren Festnahme des Beschuldigten und
seiner Mittäter nach Verlassen des Tatortes führte,
sowie den am Tatort gefundenen, bereits ausgelösten
Zündvorrichtungen, die an den drei Fahrzeugen angebracht
waren, von den Polizeikräften aber noch rechtzeitig entfernt
werden konnten. Er wird verstärkt durch den Fund leerer, aber
noch nach Kraftstoff riechender Benzinkanister in der Wohnung des
Mitbeschuldigten R. , auf den kein Kraftfahrzeug zugelassen ist, sowie
den bei diesem ebenfalls sichergestellten Kassenbon über den
Erwerb sonstiger Utensilien, die nach einer in Schriften der militanten
linksextremistischen Szene veröffentlichten Anleitung
ebenfalls für die Herstellung der Art von
Zündvorrichtungen ("Nobelkarrossentod") Verwendung finden, die
auch bei dem versuchten Anschlag vom 31. Juli 2007 benutzt wurden.
3
Der dringende Verdacht, dass der Beschuldigte sowie die
Mitbeschuldigten R. und H. den versuchten Brandanschlag als Mitglieder
der "militanten gruppe" in Umsetzung deren linksextremistischer,
gewaltbejahender Ideologie begingen, folgt aus einer Gesamtschau
insbesondere folgender Indizien:
4
- Bei der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten wurde ein
zwölfseitiges Schriftstück mit dem Titel
"Mini-Handbuch für Militante, INHALT - PRAXIS - REPRODUKTION -
ORGANISIERUNG (IPRO)" gefunden. Bei diesem Text handelt es sich um den
Entwurf eines Positionspapiers der "militanten gruppe". Dass der
Beschuldigte sich im Besitz dieses Entwurfs befand, gibt - zumal
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der Text unvollständig und noch nicht veröffentlicht
ist - einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür, dass er selbst
dieser Organisation angehört.
- Das versuchte Inbrandsetzen von drei Lastkraftwagen der Bundeswehr
passt nach Tatobjekt und Tatausführung zu den
Brandanschlägen, die die "militante gruppe" seit dem Jahr 2001
verübte und für die sie durch Bekennerschreiben die
Verantwortung übernahm. Diese Anschläge richteten
sich vielfach gegen Gebäude und Fahrzeuge staatlicher
Einrichtungen, etwa der Polizei, der Bundeswehr oder von
Ordnungsämtern. Hierbei, aber auch bei Anschlägen auf
nichtstaatliche Tatobjekte, wurde zur Inbrandsetzung von Fahrzeugen
vielfach ein Zündmechanismus benutzt, der in seiner Bauart mit
dem vom Beschuldigten und seinen Mittätern bei dem versuchten
Anschlag vom 31. Juli 2007 verwendeten übereinstimmt.
- Auf einer bei dem Mitbeschuldigten H. sichergestellten
Computerfestplatte wurden gespeicherte Digitalfotos gefunden, auf denen
Mercedes-Autohäuser in P. und S. aus verschiedenen
Perspektiven aufgenommen sind. Die Art der Aufnahmen deutet darauf hin,
dass sie zum Zweck der Ausspähung potentieller weiterer
Anschlagsobjekte gefertigt worden waren. Anschläge auf
Autohäuser stimmen ebenfalls mit dem Muster der Straftaten
überein, zu denen sich die "militante gruppe" seit dem Jahr
2001 bekannt hat. Sie hat mehrfach Kraftfahrzeuge, die bei
Autohäusern abgestellt waren, in Brand gesetzt. Auch auf dem
Gelände der Mercedesniederlassung in P. war bereits im Februar
2003 ein Brandanschlag auf zwei Fahrzeuge der Bundeswehr
verübt worden; zu dieser Tat hat sich die "militante gruppe"
bekannt. Die Mercedesniederlassung in Strausberg ist das Stammwerk
für die Wartung von entsprechenden Fahrzeugen der an diesem
Ort stationierten Bundeswehreinheiten.
- 6 -
II. Dieser Verdacht gegen den Beschuldigten begründet in
rechtlicher Hinsicht den Vorwurf der versuchten Brandstiftung
(§ 306 Abs. 1 Nr. 4, §§ 22, 23 Abs. 1,
§ 12 Abs. 1 StGB), der versuchten Zerstörung
wichtiger Arbeitsmittel (§ 305 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2,
§ 22 StGB) und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer
kriminellen Vereinigung (§ 129 Abs. 1 StGB). Anders als im
Haftbefehl vom 1. August 2007 angenommen, kann dem Beschuldigten nach
dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen dagegen nicht angelastet
werden, sich mitgliedschaftlich an einer terroristischen Vereinigung
beteiligt zu haben (§ 129 a Abs. 2 Nr. 2 StGB). Im Einzelnen:
5
1. Die "militante gruppe" erfüllt nach bisherigem
Erkenntnisstand mit hoher Wahrscheinlichkeit die Voraussetzungen einer
Vereinigung im Sinne der §§ 129, 129 a StGB; denn es
bestehen gewichtige Anzeichen dafür, dass es sich bei dieser
Gruppierung - wie nach ständiger Rechtsprechung erforderlich -
um einen auf eine gewisse Dauer angelegten, freiwilligen
organisatorischen Zusammenschluss von mindestens drei Personen handelt,
die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der
Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und untereinander derart in
Beziehung stehen, dass sie sich als einheitlicher Verband
fühlen (BGHSt 28, 147; 31, 202, 204 f.; 31, 239; 45, 26, 35;
BGH NJW 2005, 1668; 2006, 1603). Der Senat kann daher offen lassen, ob
im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des Rahmenbeschlusses des Rates
der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 zur
Terrorismusbekämpfung (ABl. EG Nr. L 164/3) eine Neubestimmung
des Vereinigungsbegriffs in Betracht zu ziehen ist (vgl. BGH NJW 2006,
1603) und ob und mit welchen Maßgaben sie in Auslegung des
geltenden Strafgesetzbuchs überhaupt möglich
wäre.
6
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Die für eine Vereinigung mindestens erforderlichen drei
Mitglieder sind bereits in Person des Beschuldigten sowie der
Mitbeschuldigten H. und R. vorhanden.
7
Dass es sich bei der "militanten gruppe" um einen auf Dauer angelegten
organisatorischen Zusammenschluss handelt, dessen Mitglieder sich als
einheitlicher Verband fühlen, folgt aus seinem
kontinuierlichen Tätigwerden - mindestens - seit dem Jahr
2001, in welchem er erstmals unter diesem Namen in Erscheinung trat,
dem Inhalt seiner theoretisch-propagandistischen
Veröffentlichungen und Bekennerschreiben sowie dem Handeln der
hinter der Organisation stehenden Personen unter einer einheitlichen
Gruppenbezeichnung.
8
Auch für das Vorliegen der weiteren organisationsbezogenen
Anforderungen sind hinreichend tragfähige Indizien vorhanden.
Zwar haben die bisherigen Ermittlungen die inneren Strukturen der
Gruppierung nicht aufzudecken vermocht. Jedoch lässt sich
ihren veröffentlichten Schriften entnehmen, dass die Aktionen
ihrer Mitglieder Folge einer breit angelegten theoretisch-ideologischen
Diskussion sind, aus deren Ergebnissen sie ihre vermeintliche
Legitimation ableiten. Dies zeigt hinreichend deutlich, dass die
Mitglieder der Gruppe ihre Aktivitäten, insbesondere die von
ihnen begangenen Anschläge, an den ideologischen Vorgaben und
der daraus entwickelten Strategie der Organisation ausrichten und sich
somit dem aus der internen Meinungsbildung entspringenden Gruppenwillen
unterordnen.
9
2. Die Beteiligung an der "militanten gruppe" begründet nach
dem derzeitigen Stand der Ermittlungen jedoch nicht den
strafrechtlichen Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung.
10
a) Eine Strafbarkeit nach § 129 a Abs. 1 StGB scheidet - wovon
letztlich auch der Generalbundesanwalt ausgeht - von vornherein aus,
weil es an jegli-
11
- 8 -
chem Anhalt dafür fehlt, dass die Zwecke oder die
Tätigkeit der Gruppierung auf die Begehung der dort genannten
schwerwiegenden Straftaten gerichtet sind. Zwar wird in den
theoretisch-propagandistischen Texten der Gruppe gelegentlich die Frage
erörtert, ob zur Durchsetzung der von ihr verfolgten
revolutionären Strategie "Exekutionen von
EntscheidungsträgerInnen" in Betracht gezogen werden
müssen, und ein derartiges Vorgehen für die Zukunft
nicht ausgeschlossen. Weder aus den Texten noch aus den aus der
Gruppierung heraus begangenen Straftaten lässt sich aber ein
Indiz dafür ableiten, dass die Tätigkeit oder die
Zwecke der "militanten gruppe" von ihren Mitgliedern auch auf
Anschläge gegen herausgehobene Persönlichkeiten aus
Politik und Wirtschaft oder auf sonstige als "Klassenfeinde" erachtete
Personen festgelegt worden wären (vgl. BGHSt 49, 268, 271 f.).
b) Aber auch eine Strafbarkeit der Mitglieder der "militanten gruppe"
nach § 129 a Abs. 2 Nr. 2 StGB (gegebenenfalls in Verbindung
mit § 2 Abs. 2 StGB) kommt nicht in Betracht. Zwar ist die
Gruppierung ausweislich der von ihr bereits begangenen
Anschläge sowie der hierzu veröffentlichten
Bekennerschreiben und ihrer sonstigen bekanntgewordenen
theoretisch-propagandistischen Schriften auf die Begehung von in dieser
Norm genannten Straftaten - namentlich solcher nach § 305 a
und § 306 StGB - gerichtet. Das wird schon durch die Serie
einschlägiger Taten gegen staatliche Stellen und
privatwirtschaftliche Firmen und sonstige Institutionen belegt,
für die die Gruppe seit dem Jahr 2001 in
nachträglichen Bekennerschreiben die Verantwortung
übernommen hat. Ob Mitglieder der Organisation
darüber hinaus nahe liegend auch hinter weiteren
vergleichbaren Anschlägen aus den Jahren 1995 bis 2003 stehen,
zu denen Bekennerschreiben unter anderen - teilweise ähnlichen
- Gruppenbezeichnungen verfasst worden sind, bedarf daher keiner
näheren Erörterung.
12
- 9 -
Jedoch sind die weiteren in § 129 a Abs. 2 StGB enthaltenen
Strafbarkeitsvoraussetzungen nur teilweise erfüllt.
13
aa) § 129 a StGB ist durch das "Gesetz zur Umsetzung des
Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13.
Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung
anderer Gesetze" vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) grundlegend
umgestaltet worden. § 129 a Abs. 1 StGB aF knüpfte
die Strafbarkeit wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung allein daran, dass die Zwecke oder die Tätigkeit
der Gruppierung, an der sich der Täter beteiligte, auf die
Begehung einer der in § 129 a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB aF
genannten Straftaten gerichtet waren. Aus diesem Katalog hat das
Änderungsgesetz die bisherige Nr. 3 herausgenommen und die
dort genannten gemeingefährlichen Straftaten (unter anderem
auch die Brandstiftung nach § 306 StGB) sowie das
qualifizierte Sachbeschädigungsdelikt (§ 305 a StGB)
- unter Einbeziehung weiterer Straftaten - nunmehr in § 129 a
Abs. 2 Nr. 2 StGB nF eingefügt. Jedoch genügt es nach
der Neufassung nicht mehr, dass die Zwecke oder Tätigkeit der
Vereinigung auf die Begehung der in dieser neu gestalteten Norm
genannten Straftaten gerichtet sind. Vielmehr muss hinzukommen, dass
"eine der ... Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf
erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder
eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch
Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen,
verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen
eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen
oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer
Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale
Organisation erheblich schädigen kann". Damit ist die
Strafbarkeit durch zwei zusätzliche Anforderungen an die
begangenen oder beabsichtigten Straftaten, nämlich einer
subjektiven ("bestimmt ist, ...") und einer objektiven
("schädigen kann"), eingeschränkt.
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Von diesen kann hier bisher nur das subjektive Element belegt werden:
Die Anschläge der "militanten gruppe" sind - wie sich den
veröffentlichten Schriften der Organisation entnehmen
lässt - aus der Sicht ihrer Mitglieder Teil eines
revolutionären Kampfes, der zu einer kommunistischen Staats-
und Gesellschaftsordnung führen soll. Sie sind damit in ihrem
Endziel dazu bestimmt, die politischen, verfassungsrechtlichen,
wirtschaftlichen und sozialen Grundstrukturen - zumindest - der
Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen oder erheblich zu
beeinträchtigen. Dass ihnen auch eine andere der in §
129 a Abs. 2 StGB genannten Bestimmungen zukommen sollte, ist dagegen
nicht erkennbar. Weder der Auswahl der bisherigen Anschlagsobjekte, der
Zahl der Anschläge noch der Art ihrer Ausführung und
den durch sie verursachten Schäden kann entnommen werden, dass
die Gruppierung mit den von ihr begangenen oder beabsichtigten
Straftaten etwa die Einschüchterung der
Gesamtbevölkerung oder zumindest erheblicher Teile der
Bevölkerung bezweckt oder eine Behörde oder
internationale Organisation nötigen will.
15
Dagegen fehlt es den begangenen und intendierten Taten an der
objektiven Schädigungseignung. Die von der Gruppierung
begangenen Taten konnten - auch im Zusammenwirken mit
möglicherweise geplanten weiteren vergleichbaren Taten
("Nadelstichtaktik", vgl. BGH NJW 2006, 1603) - weder durch die Art
ihrer Begehung noch durch ihre Auswirkungen die Bundesrepublik
Deutschland, die als betroffener Staat hier allein in Betracht kommt,
erheblich schädigen; hierzu gilt:
16
Das objektive Element des § 129 a Abs. 2 StGB "einen Staat
erheblich schädigen kann" ist für sich ohne Konturen
und wenig aussagekräftig. Es bedarf daher, namentlich mit
Blick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Vorhersehbarkeit
staatlichen Strafens durch Bestimmtheit strafrechtlicher Normen
17
- 11 -
(Art. 103 Abs. 2 GG), in besonderer Weise einer strukturierenden und
konkretisierenden Auslegung durch die Rechtsprechung.
Soweit es den Grad der Realisierung des Nachteils anbelangt, ergibt
sich schon unmittelbar aus dem Wortlaut ("schädigen kann"),
dass ein Schaden für den Staat nicht tatsächlich
eintreten muss. Es genügt, dass die Straftat oder die
Straftaten im Falle ihrer Ausführung - unmittelbar oder durch
ihre Auswirkungen - konkret geeignet sind, den Schaden für den
Staat herbeizuführen. Dazu reicht die realistische
Möglichkeit aus, dass der Schaden nach den Umständen
der (vorgestellten) Tatbegehung eintritt (vgl. Miebach/Schäfer
in Münch-Komm-StGB § 129 a Rdn. 54; Rudolphi/Stein in
SK-StGB - Stand März 2005 - § 129 a Rdn. 11). Die
Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts (Tröndle/Fischer,
StGB 54. Aufl. § 129 a Rdn. 16) oder eine erhöhte
Wahrscheinlichkeit sind nicht erforderlich. Denn Anhaltspunkte
für eine solche - vom üblichen Sprachgebrauch
abweichende und durch ihn nicht veranlasste - einengende Auslegung, die
in den praktischen Konsequenzen eine beträchtliche
Zurücknahme des strafrechtlichen Schutzes vor potentiell
terroristischen Bedrohungen zur Folge haben würde, sind dem
Gesetz nicht zu entnehmen.
18
Schwierigkeiten bereitet vor allem die Konkretisierung des Merkmals
"einen Staat schädigen". Ob als Erfolg der
Schädigungshandlung alle denkbaren Schäden
für den Staat erfasst sind, gleichgültig welcher Art
sie auch sein mögen, oder ob es möglich und
vielleicht sogar geboten ist, als ausreichend nur Nachteile bestimmter
Art oder auf bestimmten Feldern staatlichen Wirkens anzusehen,
erschließt sich aus der Bedeutung des Wortes
"schädigen" nicht. Danach könnten etwa auch
bloße Vermögensschäden genügen,
wenn sie die - für sich allerdings nur wiederum schwer zu
bestimmende - Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Eine
solche Auslegung würde indes dem Sinn und Zweck des
Änderungsgesetzes erkennbar nicht gerecht, das mit der
Einführung
19
- 12 -
der genannten zusätzlichen Voraussetzungen eine Begrenzung des
Kreises terroristischer Vereinigungen für solche Gruppierungen
erreichen wollte, die nicht auf Mord, Totschlag und die weiteren in
Absatz 1 des § 129 a StGB genannten Delikte gerichtet sind.
Nach Auffassung des Senats ist für eine der ratio der Norm
entsprechende Auslegung des Merkmals "schädigen", die eine
sinnvolle Begrenzung der erfassten Schäden ihrer Art und Natur
nach ermöglicht, insbesondere der Blick auf die
nähere Beschreibung der vom Gesetz vorausgesetzten subjektiven
Zielrichtungen der Straftaten hilfreich. Es liegt fern, dass die beiden
neu eingeführten eingrenzenden Tatbestandsmerkmale ("bestimmt
sind" und "schädigen können"), die in einem
einheitlichen Konditionalsatz zusammengefasst sind, beziehungslos neben
einander stehen. Näher liegt ein Verständnis dahin,
dass das an den Anfang gestellte subjektive Merkmal, das mehrere
besonders gravierende Nachteile für den Staat näher
beschreibt, in der nachfolgenden objektiven Voraussetzung wieder
aufgenommen wird (vgl. Rudolphi/Stein aaO Rdn. 12): Für die
Annahme einer terroristischen Vereinigung, deren Tätigkeit
oder Zwecke auf die in Absatz 2 erfassten Straftaten gerichtet sind,
soll nicht ausreichen, dass sie die Straftaten mit dem Ziel bestimmter
Nachteile anstrebt. Vielmehr will das Gesetz bei sachgerechter
Auslegung erkennbar zum Ausdruck bringen, dass die Vereinigung, die mit
der erforderlichen subjektiven Zielsetzung Straftaten der in Absatz 2
bezeichneten Art begeht, nur dann als terroristische eingestuft werden
soll, wenn die Delikte auch objektiv für den Staat
gefährlich sind und nach der Art ihrer Begehung oder ihren
Auswirkungen gerade solche Nachteile herbeiführen
können, wie nach dem subjektiven Tatbestandsmerkmal
notwendigerweise angestrebt. Mit anderen Worten: Ein im Sinne des
objektiven Merkmals relevanter Schaden droht dem Staat, wenn die
Straftaten geeignet sind, die Bevölkerung in erheblicher Weise
einzuschüchtern, eine Behörde rechtswidrig mit Gewalt
oder Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die po-
20
- 13 -
litischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen
Grundstrukturen des Staates erheblich zu beeinträchtigen.
Vermögensnachteile, die nicht wegen ihres Ausmaßes
zu einer dieser - oder jedenfalls vergleichbaren - Wirkungen
führen, reichen dagegen nicht aus, auch wenn sie rein
wertmäßig als erheblich angesehen werden
könnten.
Eine solche einschränkende Auslegung ist auch mit Blick darauf
geboten, dass für die Straftaten nach § 129 a Abs. 1
und Abs. 2 StGB derselbe Strafrahmen gilt. Dies lässt sich nur
rechtfertigen, wenn die in den Vorschriften jeweils beschriebenen
Straftaten in ihrem Unrechtsgehalt jedenfalls im Wesentlichen
miteinander vergleichbar sind. Für die in § 129 a
Abs. 1 StGB erfassten terroristischen Vereinigungen erklärt
sich die hohe Strafandrohung ohne weiteres daraus, dass diese auf die
Begehung von Mord und Totschlag sowie die dort genannten weiteren
äußerst schweren Taten gerichtet sind. Wegen des
überaus hohen Unrechtsgehalts all dieser Delikte hat der
Gesetzgeber darauf verzichten dürfen, über die
Ausrichtung der Vereinigung auf deren Begehung hinaus eine
zusätzliche besondere subjektive Zielrichtung und die
objektive Gefahr einer erheblichen Schädigung des Staates als
strafbarkeitsbegrenzende Merkmale in die Vorschrift aufzunehmen. Hinter
den Vereinigungen des Absatzes 1 bleiben die von Absatz 2 der
Vorschrift erfassten Organisationen insgesamt in ihrer
Gefährlichkeit deutlich zurück, auch wenn die
Straftaten, auf die letztere potentiell ausgerichtet sind,
untereinander ein wenig einheitliches Bild zeigen (wie etwa einerseits
die Zerstörung von Bauwerken - § 305 StGB - mit einer
Strafdrohung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe,
andererseits aber etwa das Herbeiführen einer Explosion durch
Kernenergie - § 307 StGB - mit einer Strafdrohung von nicht
unter fünf Jahren Freiheitsstrafe). Bei dieser Ausgangslage
hat der Gesetzgeber die erforderliche Konkordanz nur dadurch herstellen
können und erkennbar herstellen wollen, dass er in Absatz 2
die beiden genannten tatbestandsbeschränkenden Merkmale
eingeführt hat, die ihrerseits
21
- 14 -
der dargestellten Auslegung bedürfen, um in ihrer gewollt
beschränkenden Funktion wirksam zu werden.
Insbesondere dieser Gesichtspunkt der Konkordanz verlangt zugleich,
dass an die von § 129 a Abs. 2 StGB vorausgesetzte Eignung zu
einer "erheblichen" Schädigung des Staates, einem seinerseits
wenig bestimmten Merkmal, das aber immerhin verdeutlicht, dass nicht
jede geringfügige Schädigung ausreichen kann, keine
zu geringen Anforderungen gestellt werden dürfen. Wann eine
drohende Schädigung erheblich ist, entzieht sich
naturgemäß jedem Versuch einer abstrakten
Beschreibung. Ob das Merkmal erfüllt ist, kann jeweils nur
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls
entschieden werden. Nur zur Verdeutlichung sei darauf hingewiesen, dass
etwa im Falle der Zerstörung von Einrichtungen der
Infrastruktur - beispielsweise des öffentlichen Verkehrs oder
zur Versorgung der Bevölkerung mit Energie und Wasser -
entscheidend sein kann, wie gravierend die Folgen für die
Bevölkerung (unter dem Aspekt einer beabsichtigten
Einschüchterung) oder die Wirtschaft (unter dem Gesichtspunkt
der bezweckten Beseitigung oder erheblichen Beeinträchtigung
der wirtschaftlichen Grundstrukturen des Staates) sind und wie schnell
die Schäden gegebenenfalls behoben werden können
(vgl. Rudolphi/Stein aaO Rdn. 11). Ähnliches gilt etwa
für Taten, die sich gegen Einrichtungen der Polizei, der
Feuerwehr oder ähnlicher Institutionen richten.
22
Dem Senat ist bewusst, dass diese Auslegung des Merkmals der objektiven
Schädigungseignung in § 129 a Abs. 2 StGB zu einer
nicht unerheblichen Einschränkung des Anwendungsbereichs der
Vorschrift führt. Er sieht sich damit aber im Einklang mit dem
Willen des Gesetzgebers, der die Neufassung des § 129 a StGB
in Kenntnis dieser Konsequenz beschlossen hat. In der zu dem "Entwurf
eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13.
Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung" vom Rechtsausschuss des
23
- 15 -
Deutschen Bundestages am 4. Juni 2003 durchgeführten
öffentlichen Anhörung (vgl. Protokoll der 21.
Sitzung), in der alle gehörten Sachverständigen
deutlich auf die zu erwartenden erheblichen Probleme bei der Anwendung
des § 129 a Abs. 2 StGB mit seinen zahlreichen unbestimmten
Rechtsbegriffe hingewiesen haben, ist mehrfach und
unmissverständlich darauf aufmerksam gemacht worden, dass
durch die geplante Neuregelung Gruppierungen, deren Tätigkeit
oder Zwecke auf die Begehung von Taten der hier in Rede stehenden Art
gerichtet seien, nicht mehr als terroristische Vereinigungen angesehen
werden könnten:
Der Sachverständige Meier-Staude, damals Oberstaatsanwalt bei
dem Bayerischen Obersten Landesgericht, hat erklärt, dass die
hohen zusätzlichen Anforderungen des § 129 a Abs. 2
StGB dazu führen würden, dass die
Strafverfolgungsbehörden "für den alten §
129 a Abs. 1 Nr. 3 StGB eine Strafverfolgung im Bereich der
terroristischen Vereinigung nicht mehr realisieren können".
Der Sachverständige Wache, damals Leiter der Abteilung
Terrorismus beim Generalbundesanwalt, hat auf die erheblichen
praktischen Schwierigkeiten hingewiesen, "Ermittlungsverfahren gegen
militante oder autonome Gruppen einzuleiten und durchzuführen,
wenn dieser Paragraph (§ 129 a Abs. 1 Nr. 3 StGB) gestrichen
und zudem mit der Einführung dieser unbestimmten
Rechtsbegriffe die Strafbarkeit fast herabgestuft würde", und
zur Erläuterung namentlich auf die Brandanschläge
militanter Gruppen hingewiesen. Der Sachverständige
Rechtsanwalt Kempf hat darauf erwidert, dass entgegen den
Ausführungen des Sachverständigen Wache die
Neuregelung nicht dazu führen würde, dass keine
Strafverfolgung mehr möglich wäre; es wäre
vielmehr nur so, dass vielleicht die Bundesanwaltschaft "nicht mehr
zuständig wäre, weil es dann eine Strafverfolgung
nach § 129 StGB ist und die Zuständigkeit (der
Bundesanwaltschaft) nur über § 129 a StGB vermittelt
wird. Aber natürlich bliebe die Möglichkeit der
Strafverfolgung über § 129 StGB, weil wir da
bekanntlich gerade keine Katalogtat haben".
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- 16 -
In der parlamentarischen Beratung des Gesetzes vom 17. Oktober 2003
(BT-Protokoll der 67. Sitzung) hat der Abgeordnete Silberhorn die
Sachverständigenanhörung wie folgt zusammengefasst:
"Im Bereich der politisch motivierten Gewaltkriminalität wird
kaum eine Gruppierung mehr als terroristische Vereinigung
strafrechtlich verfolgt werden können, wenn sie nicht auf
Tötungsdelikte oder Geiselnahme ausgerichtet ist. Gerade
linksextremistische Gruppierungen, die nur Gewalt gegen Sachen
ausüben, wären dann allenfalls noch als kriminelle,
aber nicht mehr als terroristische Vereinigungen zu verfolgen. Das ist
das Ergebnis der Anhörung."
25
Der Gesetzgeber hat die Änderung des § 129 a StGB mit
den vorgeschlagenen Einschränkungen im Bereich des Absatzes 2
somit im Bewusstsein der von den Sachverständigen
unmissverständlich aufgezeigten Bedenken und Konsequenzen
beschlossen. Es ist nicht Aufgabe des Senats, über die
Zweckmäßigkeit der neuen Fassung des § 129
a StGB zu befinden, insbesondere dazu Stellung zu nehmen, ob bei einem
Vergleich mit der alten Fassung die Vorteile oder die Nachteile der
Neuregelung schwerer wiegen. Jedenfalls belegt die
Entstehungsgeschichte des Änderungsgesetzes, dass die sich aus
Wortlaut, systematischem Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der
zusätzlichen Voraussetzungen des § 129 a Abs. 2 StGB
nF ergebende Auslegung auch dem Willen des Gesetzgebers entspricht.
26
bb) Nach den dargestellten Maßstäben sind die
Straftaten, auf deren Begehung die Tätigkeit der "militanten
gruppe" gerichtet ist, weder nach der Art ihrer Begehung noch nach
ihren Auswirkungen geeignet, die Bundesrepublik Deutschland erheblich
zu schädigen. Die Gruppierung hat sich im Jahr 2001 zu einem,
im Jahr 2002 zu zwei, im Jahr 2003 zu vier, im Jahr 2004 zu vier, im
Jahr 2005 zu drei, im Jahr 2006 zu acht und im Jahr 2007 zu drei
vollendeten oder versuchten Brandanschlägen bekannt; auch die
Versuchstat vom 31. Juli
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2007 ist ihr zuzurechnen. Objekte ihrer Anschläge waren
Gebäude und Kraftfahrzeuge staatlicher Einrichtungen
(Polizeibehörden, Ordnungsämter, Gerichte,
Landesministerium, Bundeswehr), aber auch von Privatfirmen und
-personen sowie sonstiger nichtstaatlicher Stellen
(Autohäuser, Abfallrecyclingfirma, Deutsches Institut
für Wirtschaftsforschung, Deutsche Telekom, Baustelle eines
Supermarkts, Italienische Handelskammer, Türkischer
Industriellen- und Unternehmerverband, Privatgaragen). Auch unter
Einbeziehung der weiteren zwölf vergleichbaren Taten aus den
Jahren 1995 bis 2003, die die Strafverfolgungsbehörden trotz
abweichender Eigenbezeichnung der jeweiligen Organisation in den
zugehörigen Bekennerschreiben der "militanten gruppe"
zurechnen, sind derartige Anschläge weder für sich
noch in ihrer Gesamtheit nach Frequenz und Folgen geeignet, gemessen an
dem von der Organisation letztlich verfolgten Endziel eine erhebliche
Schädigung der politischen, verfassungsrechtlichen,
wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen der Bundesrepublik
Deutschland zu bewirken. Eine nennenswerte Beeinträchtigung
der Tätigkeit der betroffenen staatlichen und privaten Stellen
ist weder eingetreten, noch war sie zu erwarten; die
Gesamtschadenssumme beläuft sich zudem nur auf etwa 1.000.000
Euro. An dieser Beurteilung ändert letztlich die Tatsache
nichts, dass in zwei Fällen (Anschläge auf die
Baustelle eines Lidl-Supermarkts am 10. Januar 2005 und auf das
Polizeipräsidium Berlin am 9. April 2006) eine gewisse
Gefährdung von Menschen eintrat, die sich in den
Gebäuden aufhielten. Über die unmittelbaren Tatfolgen
hinaus hatten die Anschläge nach alledem einen eher nur
propagandistischen Effekt mit potentieller Mobilisierungswirkung bei
Gleichgesinnten. Hierin liegt eine für § 129 a Abs. 2
StGB relevante Eignung zur erheblichen Schädigung des Staates
indessen nicht; denn mittelbare Folgen, die sich aus derartigen
Wirkungen erst durch eigenständiges Handeln Dritter ergeben
könnten, zählen nicht mehr zu den Auswirkungen der
Tat und haben daher bei der Prüfung der
Schädigungseignung außer Betracht zu bleiben.
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Dem Ermittlungsergebnis lassen sich auch keine Anhaltspunkte
dafür entnehmen, dass die "militante gruppe" in der Zeit bis
zur Verhaftung des Beschuldigten ihre Strategie in Abkehr von ihrer
bisherigen Vorgehensweise dahin geändert hätte, Art,
Intensität oder Frequenz ihrer Taten in einem Umfang zu
steigern, der eine abweichende Bewertung ihrer Eignung zur
Schädigung des Staates rechtfertigen könnte.
Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall deutlich von dem
Sachverhalt, der dem Beschluss des Senats vom 10. Januar 2006 (3 StR
263/05 = NJW 2006, 1603) zugrunde lag. Dort sollte durch gezielte
Brandanschläge gegen Geschäftsobjekte von
Ausländern diese Bevölkerungsgruppe erheblich
eingeschüchtert und aus einem bestimmten Teilgebiet der
Bundesrepublik Deutschland vertrieben werden ("ausländerfreies
Havelland"). Gemessen an diesem Ziel waren die von der dortigen
Vereinigung intendierten Straftaten durchaus geeignet, den Gesamtstaat
schwer zu schädigen; denn wären sie nach deren
Vorstellungen verwirklicht worden, so hätten sie das
Sicherheitsgefühl der ausländischen Bewohner
Deutschlands oder zumindest des betroffenen Gebiets durchaus in einer
Weise beeinträchtigen können, dass diese sich zu
einem Wegzug entschlossen hätten. Dadurch wäre aber
das allgemeine Vertrauen in die Wirkungskraft elementarer
Verfassungsgrundsätze in einer Weise geschwächt
worden, dass der Staat, dem deren Schutz obliegt, selbst einen
erheblichen Schaden erlitten hätte.
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3. Dem Beschuldigten kann auch nicht der Vorwurf gemacht werden, sich
der versuchten Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
gemäß § 129 a Abs. 2 Nr. 2, § 12
Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB schuldig gemacht zu
haben. Dabei kann offen bleiben, ob eine solche Versuchstat
überhaupt in der Weise vorstellbar ist, dass sich der
Täter subjektiv eine Schädigungseignung der von der
Vereinigung intendierten Taten im Sinne des § 129 a Abs. 2 StGB
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vorstellt, während eine solche objektiv nicht gegeben ist (so
Tröndle/Fischer aaO § 129 a Rdn. 17); denn eine
solche Vorstellung des Beschuldigten ist nicht belegt. Vielmehr ergibt
sich aus den veröffentlichten Texten der "militanten gruppe",
dass deren Mitglieder sich durchaus bewusst waren, mit Art und Umfang
der von ihnen verübten Anschlägen ihr ideologisches
Endziel einer anderen Staats- und Gesellschaftsordnung in der
Bundesrepublik Deutschland nicht erreichen zu können, und den
Taten in Verbindung mit den Bekennerschreiben eher nur eine
propagandistische und gegebenenfalls mobilisierende Wirkung in der
linksextremistischen Szene zukam.
III. Obwohl nach alledem gegen den Beschuldigten in rechtlicher
Hinsicht neben dem dringenden Tatverdacht der versuchten Brandstiftung
und der versuchten Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel nur
derjenige der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung besteht,
ändert sich an der Ermittlungszuständigkeit des
Generalbundesanwalts nichts. Dieser hat in seiner Zuschrift vom
31.10.2007 die besondere Bedeutung des Falles bejaht und damit sein
Evokationsrecht nach § 74 a Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, §
120 Abs. 2 Nr. 1 GVG ausgeübt. Hiergegen ist nichts zu
erinnern. Schon im Hinblick auf die langjährige
Tätigkeit der "militanten gruppe", ihre mit gewisser
Regelmäßigkeit verübten Anschläge,
ihr Endziel eines Umsturzes der bestehenden verfassungsrechtlichen,
politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundstrukturen
der Bundesrepublik Deutschland sowie auf den Umstand, dass innerhalb
der Gruppierung ein bewaffneter Kampf mit der gezielten Tötung
von Menschen jedenfalls diskutiert wird, liegt ein Staatsschutzdelikt
nach § 74 a Abs. 1 Nr. 4 GVG von besonderem Gewicht vor, das
das Eingreifen des Generalbundesanwalts rechtfertigt (zu den
allgemeinen Maßstäben s. BGHSt 46, 238, 253 f.).
Damit bleibt auch die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters
des Bundesgerichtshofs bestehen (§ 169 Abs. 1 Satz 2 StPO) und
gleichzeitig die Befugnis des Senats,
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als Beschwerdegericht den Haftbefehl entsprechend der
tatsächlichen Rechtslage abzuändern.
IV. Da ein Tatverdacht nach § 129 a Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht
bejaht werden kann, entfällt der Haftgrund des § 112
Abs. 3 StPO, auf den der Haftbefehl vom 1. August 2007 in erster Linie
gestützt worden war. Jedoch besteht weiterhin der Haftgrund
der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StGB), der auch schon in
dem angefochtenen Haftbefehl bejaht worden war. Denn trotz des
geringeren Gewichts des Tatvorwurfs hat der Beschuldigte im Hinblick
auf die Strafdrohung des § 306 Abs. 1 StGB - auch wenn die Tat
im Versuchsstadium steckengeblieben ist - und den Unrechtsgehalt der
weiteren tateinheitlich verwirklichten Delikte mit einer empfindlichen
Strafe zu rechnen. Obwohl er in festen sozialen Bindungen lebt,
begründen vor diesem Hintergrund seine, in der Vergangenheit
auch konspirativ angelegten Verbindungen in die linksextremistische
Szene einen Anreiz, sich dem Verfahren durch Flucht zu entziehen. Dabei
kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass innerhalb der
"militanten gruppe" die Möglichkeit des Untertauchens ihrer
Mitglieder jedenfalls theoretisch erörtert wird. Jedoch ist
der Senat der Ansicht, dass der Fluchtanreiz nicht so
ausgeprägt ist, dass ihm nicht durch weniger einschneidende
Maßnahmen als den Vollzug der Untersuchungshaft hinreichend
begegnet werden könnte. Da
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entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts der weitere Haftgrund
der Verdunklungsgefahr nicht belegt ist, setzt er den Haftbefehl
gemäß § 116 Abs. 1 StPO unter den aus der
Beschlussformel ersichtlichen Auflagen außer Vollzug.
Tolksdorf Miebach Becker |