BGH,
Beschl. v. 28.10.2008 - 5 StR 493/08
(alt: 5 StR 621/07)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 28. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer
Menge u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2008
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin
vom 16. Juni 2008 wird nach § 349 Abs. 2 StPO mit der
Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet
verworfen, dass die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten
in Berlin vom 29. September 2006 - (276 Ds) 63 Js 2742/06 (41/06) in
die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen ist.
Der Angeklagte trägt die Kosten der Revision.
G r ü n d e
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Nachdem das Landgericht den Angeklagten u. a. wegen unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten
verurteilt hatte, änderte der Senat auf die Revision des
Angeklagten das Urteil im Schuldspruch dahingehend ab, dass der
Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in 15 Fällen, davon in einem Fall
in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, sowie wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge verurteilt ist, und hob den Rechtsfolgenausspruch
mitsamt den zugrundeliegenden Feststellungen auf. Nunmehr hat das
Landgericht den Angeklagten auf der Grundlage des
rechtskräftigen Schuldspruchs abermals zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die
auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten
hat den aus dem Tenor ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg,
im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO.
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Die Entscheidung, von einer Gesamtstrafbildung mit der - im ersten
landgerichtlichen Urteil fehlerhaft als vollstreckt angesehenen -
Geldstrafe von 60 Tagessätzen aus dem Urteil des Amtsgerichts
Tiergarten in Berlin vom 29. September 2006 abzusehen, ist
rechtsfehlerhaft. Denn sie beruht auf dem unzutreffenden
Verständnis, diese Strafe sei mit der „Genehmigung
der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch den
Vorsitzenden“ erledigt, so dass die Voraussetzungen des
§ 55 StGB nicht mehr gegeben seien. Dabei verkennt das
Landgericht zum einen die Rechtsnatur der gemäß
§ 122 Abs. 1 Satz 2 StVollzG, § 126 StPO zu
erteilenden Genehmigung der Unterbrechung der Untersuchungshaft zum
Zwecke der Strafvollstreckung, die der Sicherung der
Untersuchungshaftzwecke dient (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO
51. Aufl. Vor § 112 Rdn. 14; Callies/Müller-Dietz,
StVollzG 11. Aufl. § 122 Rdn. 4), den Vollstreckungsstand
hinsichtlich der zu verbüßenden
Ersatzfreiheitsstrafe aber unberührt lässt. Zum
anderen hat das Landgericht nicht beachtet, dass grundsätzlich
nach Aufhebung einer Gesamtstrafe in der erneuten Verhandlung die
Gesamtstrafbildung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1
StGB nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt
der ersten Verhandlung zu erfolgen hat, damit dem
Revisionsführer ein erlangter Rechtsvorteil durch
nachträgliche Gesamtstrafbildung nicht durch sein Rechtsmittel
genommen wird (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 1 und
2). Eine etwa eingetretene zwischenzeitliche Vollstreckung
hätte danach ohnehin unberücksichtigt zu bleiben.
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Insoweit wären grundsätzlich zwei Gesamtstrafen zu
bilden gewesen. Dass dies unterblieben ist, beschwert den Angeklagten
für sich nicht. Um jede Beschwer zu vermeiden, bezieht der
Senat indes entsprechend § 55 Abs. 1 StGB, § 354 Abs.
1 StPO die Geldstrafe aus dem genannten amtsgerichtlichen Urteil in die
- fälschlich, aber nicht beschwerend einheitlich gebildete -
Gesamtstrafe ein; soweit die Geldstrafe vollstreckt ist, wird sie
gemäß § 51 Abs. 2 StGB auf die Gesamtstrafe
angerechnet. Durch diese Verfahrensweise wird der Angeklagte, der so
auch im Ergebnis auf seine erste Revision nach der erfolgten
Schuldspruchänderung und dem weiter fortgeführ-
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ten Verfahren einen geringfügigen Vorteil erfährt,
besser gestellt, als wenn gegen ihn zwei Gesamtstrafen gebildet und
dabei infolge des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz
1 StPO) einzelne Einzelstrafen, naheliegend indes ohne Herabsetzung der
bisherigen Gesamtstraflast, reduziert würden.
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