BGH,
Beschl. v. 28.10.2009 - 5 StR 443/09
5 StR 443/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 28. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2009
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten T. und N. wird das Urteil des
Landgerichts Chemnitz vom 29. Mai 2009 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO
a) bezüglich des Angeklagten T. im Schuldspruch dahingehend
abgeändert, dass dieser Angeklagte wegen Beihilfe zum
unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB)
verurteilt ist,
b) bezüglich dieser beiden Angeklagten aufgehoben
aa) im jeweiligen Strafausspruch,
bb) in der Einziehungsanordnung; diese entfällt.
2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
3. Zur neuen Straffestsetzung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
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G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten N. und T. sowie den Nichtrevidenten
jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge zu Freiheitsstrafen (vier Jahre, drei Jahre und
neun Monate sowie drei Jahre und drei Monate) verurteilt, sowie
„die am 02.07.2008 im Gebäude C. in Frankenberg
sichergestellten Betäubungsmittel, Anbauutensilien sowie
Bargelder … eingezogen.“ Die Revisionen der
Angeklagten erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen
Teilerfolg.
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1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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a) Der vietnamesische Staatsangehörige V. betrieb für
einen sich K. nennenden Hintermann in dem Anwesen S. in Frankenberg bis
26. Juli 2007 eine Cannabisaufzuchtanlage mit einem sichergestellten
Ertrag von knapp neun Kilogramm Marihuana. K. unterwies den
Nichtrevidenten hinsichtlich der mit der Aufzucht und Ernte solcher
Pflanzen verbundenen Aufgaben. Der Nichtrevident betrieb - unter
Observation durch die Polizei - vom 20. März bis 2. Juli 2008
in dem dreigeschossigen Anwesen in der C. in Frankenberg eine
ähnliche Anlage mit ungefähr 600
Pflanzkübeln. Die damit erzielte Ernte (10 Säcke
Cannabisblüten mit 3,6 kg THC sowie 19 Säcke
Cannabispflanzenreste mit 1,9 kg THC) wurde am 2. Juli 2008
sichergestellt. K. gestattete dem Nichtrevidenten, kostenfrei im
Obergeschoss zu wohnen, und versprach ihm ein monatliches
Verpflegungsentgelt in Höhe von 300 bis 400 € und
Geld für Sportwetten.
Der Angeklagte T. reiste am 24. August 2007 in die Tschechische
Republik ein und half seiner Tante in deren Textilhandel. Ab
März 2008 besuchte er - ausgestattet mit einem von seiner
Tante gewährten Taschengeld - Landsleute in Deutschland. Die
Zeit vom 20. März bis 27. April 2008, dem
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Tag seiner Rückreise in die Tschechische Republik (UA S. 6),
verbrachte er überwiegend mit seinem Bekannten, dem
Nichtrevidenten, in dem Anwesen C. in Frankenberg. Nachdem er eine
Verlängerung seines Visums in Tschechien beantragt hatte,
kehrte er am 23. Juni 2008 zum Nichtrevidenten zurück.
Der Angeklagte N. hielt sich vom 25. Juni bis 2. Juli 2008 ebenfalls
dort auf. Der Nichtrevident übergab während seiner
Abwesenheit diesen beiden Angeklagten die Schlüssel des
Anwesens, darunter auch für die Türen, die zu der auf
zwei Stockwerken betriebenen Aufzuchtanlage führten. Die
Angeklagten verbarrikadierten am 2. Juli 2008 ferner den Zugang zum
Hausflur.
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b) Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des
Nichtrevidenten - seinen eigenen Tatbeitrag betreffend - aufgrund von
dessen Geständnis überzeugt. Hinsichtlich des in der
Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten T. hat es aus der
großen Menge der zu betreuenden Pflanzen, einem von diesem
stammenden, in den Pflanzräumen gefundenen Zigarettenrest und
dem Mitanvertrauen der Schlüssel während der
Erntezeit auf seine Mithilfe bei der Pflege und Ernte der Pflanzen
geschlossen. In seiner Beweiswürdigung nimmt das Landgericht
darüber hinaus an, der Angeklagte T. habe den Nichtrevidenten
überwacht, weil es zu verhindern gegolten habe, dass ein
Alleintäter Rauschgift für sich hätte
beiseite schaffen können.
Für die Täterschaft des - wegen eines
Betäubungsmitteldelikts vorbestraften - Angeklagten N. hat das
Landgericht zusätzlich auf dessen DNA in mehreren in den
Pflanzräumen gefundenen Zigarettenresten abgestellt und auf
Fingerabdrücke dieses Angeklagten an den Innenseiten der
Säcke, in denen sich Cannabisblüten befanden. Ferner
hat das Landgericht den Umstand zur Begründung der
Täterschaft mit herangezogen, dass dieser Angeklagte am 28.
Juni 2008 eine Verkaufsofferte im Eingangsbereich
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des Hauses angebracht hatte. Ihm hätte deshalb die Aufgabe
oblegen, dafür zu sorgen, dass das Tatobjekt zum Verkauf
gestellt werden sollte.
2. Die für den Angeklagten T. eine Täterschaft
begründende Beweiswürdigung hält der
sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand.
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a) Zwar ist die tatrichterliche Bewertung über das Vorliegen
von Täterschaft oder Teilnahme nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs nur einer eingeschränkten
revisionsgerichtlichen Kontrolle zugänglich (vgl. BGHSt 47,
383, 385; BGH NStZ 2003, 253, 254). Die Zubilligung eines dem
Tatrichter eingeräumten Beurteilungsspielraums mit der
Konsequenz, dass die bloße Möglichkeit einer anderen
tatrichterlichen Beurteilung das gefundene Ergebnis nicht
rechtsfehlerhaft macht, setzt indes eine umfassende Würdigung
des Beweisergebnisses als Grundlage der Bewertung voraus (vgl. BGH NStZ
aaO; BGH, Urteil vom 17. September 2009 - 5 StR 521/08 Tz. 61). Hieran
fehlt es, weil das Landgericht seine wertende Schlussfolgerung auch auf
Umstände aufbaut, die den getroffenen Feststellungen
widersprechen.
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Soweit das Landgericht - entgegen der Einlassung des Nichtrevidenten -
auf eine notwendige Mithilfe des Angeklagten bei der Aufzucht und
Pflege der Cannabispflanzen aus deren großen Umfang
schließt, übersieht es, dass der Nichtrevident in
der Zeit des Aufenthalts des Angeklagten T. in der Tschechischen
Republik vom 28. April bis 22. Juni 2008 die Aufzucht der Pflanzen
problemlos allein bewältigen konnte und weiteren, nicht im
Zusammenhang mit seiner Tätigkeit stehenden Besuch empfangen
hatte. Hinzu tritt, dass auch nur ein Verantwortlicher die in der S.
gelegene ähnliche Anlage betreut hatte.
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Schon dieser Umstand spricht auch gegen die weitere Annahme des
Landgerichts, der Angeklagte T. hätte den Nichtrevidenten
überwacht und hierdurch eine Unterschlagung von
Betäubungsmitteln durch diesen verhindern wollen. Das
Landgericht konnte diese Wertung nicht auf einen Erfahrungssatz
stützen, dass in einer größeren
Cannabisplantage stets eine Überwachung des Verantwortlichen
stattfindet. Solches ist genauso wenig anzunehmen wie etwa die
Berechtigung der Annahme, dass Rauschgiftgeschäfte im
Kilogrammbereich stets bewaffnet durchgeführt werden (vgl.
BGHR StPO § 261 Erfahrungssatz 6). Soweit das Landgericht den
später hinzutretenden Angeklagten N. als weiteren
Überwacher qualifiziert, tritt dies zudem in ein nicht
gelöstes Spannungsverhältnis zu der angenommenen
Überwacherrolle des Angeklagten T. von Anfang an.
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Des Weiteren bleibt die Annahme des Landgerichts ohne jeden
tatsächlichen Anhaltspunkt, dem Angeklagten T. sei Geld zur
Bestreitung seines Lebensunterhalts und zur Bestreitung seiner
Leidenschaft, Sportwetten nachzugehen, zur Verfügung gestellt
worden. Dies durfte deshalb nicht zum Nachteil des Angeklagten
berücksichtigt werden (vgl. BGH StV 2002, 235; Brause NStZ
2007, 505, 506).
b) Der Senat schließt aus, dass angesichts der
defizitären Beweislage in einer neuen Hauptverhandlung Beweise
gewonnen werden, mit denen eine Mittäterschaft des Angeklagten
T. begründet werden könnte. Er entnimmt dem
vorliegenden Urteil als Mindestfeststellung zum Nachteil dieses
Angeklagten (vgl. BGH StV 2007, 284, 285), dass dieser im Zeitraum
seines zweiten Aufenthalts vom 23. Juni bis 2. Juli 2008
vorsätzlich als Gehilfe des Nichtrevidenten und seiner
Hinterleute an der Bewachung der Cannabisplantage
einschließlich der erzielten Ernte durch Verwahrung der
Schlüssel der Pflanzräume und Verbarrikadierung des
Hausflures sowie an der Kontrolle der Anbauräume und der darin
gezüchteten Cannabispflanzen mitgewirkt hat, und entscheidet
auf Beihilfe durch (vgl. BGH StV 2009, 176, 177). Nur auf der Grundlage
der aufrechterhaltenen Mindestfeststellungen
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wird das neu berufene Tatgericht eine Strafe festzusetzen haben (vgl.
BGH StV 2009, 176, 177; BGH, Beschluss vom 23. September 2009 - 5 StR
314/09).
3. Demgegenüber weist der Schuldspruch hinsichtlich des wegen
eines Drogendelikts vorbestraften und gänzlich einkommenslosen
Angeklagten N. keinen Rechtsfehler auf. Die Wertung des Landgerichts,
dieser Angeklagte sei Mittäter, ist angesichts der bewiesenen
Mitwirkungshandlungen (Einpacken der wertvolleren
Cannabisblüten; Bewachen und Kontrolle der Anlage gerade
während der für die Verwertung der Pflanzen
entscheidenden Erntezeit; Vertrauen der Hinterleute voraussetzendes
Anbringen einer Nachricht bezüglich der Abwicklung der Anlage)
noch das Ergebnis einer tatsachengestützten Würdigung
(vgl. BGHSt 36, 1, 14).
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4. Indes hält die für diesen Angeklagten festgesetzte
Freiheitsstrafe von vier Jahren auch eingedenk des
eingeschränkten revisionsgerichtlichen
Prüfungsmaßstabs (vgl. BGHSt 3, 179; 24, 268) der
sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand.
Das Landgericht entfernt sich schon von seinen Feststellungen, wenn es
in der Strafzumessung von einer Verantwortung dieses Angeklagten
für die Abwicklung der Aufzuchtanlage ausgeht und die
Handlungen des Angeklagten im Vergleich zu denen der Mitangeklagten als
dominierend bewertet. Für die Notwendigkeit eines Eingriffs
des Revisionsgerichts entscheidend ist zudem der Umstand, dass es das
Landgericht unterlassen hat, zugunsten des Angeklagten zu
würdigen, dass dessen Handeln unter vollständiger
Observation der Polizei stattgefunden hat (vgl. BGH StV 2000, 555; BGH,
Beschluss vom 31. März 2004 - 5 StR 78/04 und Urteil vom 9.
Januar 2008 - 5 StR 508/07 Tz. 6).
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Das neue Tatgericht wird auf der Grundlage der aufrechterhaltenen
Feststellungen, die freilich um solche ergänzt werden
können, die den bisher getroffenen nicht widersprechen, eine
neue Strafe festzusetzen haben.
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5. Wie der Generalbundesanwalt dargelegt hat, ist die
Einziehungsentscheidung fehlerhaft. Ihr fehlt gegen die
Revisionsführer jede Grundlage im Urteil. Bei dieser Sachlage
ist eine sie beschwerende Nachholung einer präziseren
Entscheidung insoweit - entgegen der Auffassung des
Generalbundesanwalts - zu ihrem Nachteil nicht möglich.
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Basdorf Raum Brause
Schaal König |