BGH,
Beschl. v. 29.1.2003 - 2 StR 509/02
2 StR 509/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
29. Januar 2003
in der Strafsache gegen
wegen Bestechlichkeit
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 29.
Januar 2003 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 12. August 2002 im Strafausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit in 1.534
Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei
Monaten verurteilt und 19.848 Euro für verfallen
erklärt. Mit seiner wirksam auf den Strafausspruch
beschränkten Revision rügt der Angeklagte die
Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Nach den Feststellungen, die dem rechtskräftigen Schuldspruch
zugrundeliegen, hat der Angeklagte in den Jahren 1998 und 1999 als
technischer Prüfer und Prüfgruppenleiter bei der
Prüfanlage für Kraftfahrzeuge der Technischen
Überwachung Hessen in Frankfurt am Main - ebenso wie
zahlreiche andere Prüfer - von gewerblichen
Vorführern in 1.534 Fällen Einzel- und
Sammelzahlungen zwischen 10 und 150 DM angenommen als Entgelt
für pflichtwidrig bevorzugte Prüfungen,
Kostenfreiheit für Vorprüfungen und abgebrochene
Prüfungen sowie für die wohlwollende Beurteilung von
Fahrzeugen mit Mängeln. Insgesamt erhielt der Angeklagte
38.820 DM (= 19.848 Euro).
Den Regelstrafrahmen des § 332 Abs. 1 Satz 1 StGB hat das
Landgericht für alle Zahlungen von den Vorführern
zugrundegelegt, denen der Angeklagte pflichtwidrig auch für
mängelbehaftete Fahrzeuge Prüfplaketten erteilt hat
(840 Fälle). Alle übrigen Fälle hat es als
minder schwer gewertet. Besonders schwere Fälle nach
§ 335 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StGB wurden trotz möglichen
Vorliegens dieser Regelbeispiele verneint. Das Landgericht hat 1.534
Einzelfreiheitsstrafen zwischen vier und acht Monaten verhängt.
Die Bemessung dieser Einzelfreiheitsstrafen ist rechtsfehlerhaft. Das
Landgericht hat zur Strafzumessung zahlreiche gewichtige
Strafmilderungsgründe, aber auch straferschwerende
Umstände angeführt. Die Revision macht zu Recht
geltend, daß ein wesentlicher als straferschwerend gewerteter
Umstand durchgreifenden Bedenken begegnet:
Unter Hinweis auf die Stellung des Angeklagten als
Prüfgruppenleiter und die sich hieraus ergebenden besonderen
Pflichten legt ihm das Landgericht zur Last, er habe durch seine aktive
Mitwirkung in dem bestehenden Korruptionssystem dessen Funktionieren
gefestigt, anstatt auf dessen Beendigung hinzuwirken, das
heiße insbesondere, daß er es sich durch seine
eigene Bestechlichkeit erschwert habe, wahrgenommene
Pflichtwidrigkeiten bei den anderen Prüfern durch unmittelbare
Ansprache oder durch Einwirken auf die Dienstvorgesetzten abzustellen
(UA S. 29).
Soweit das Landgericht dem Angeklagten anlastet, er habe in dem
bestehenden Korruptionssystem aktiv mitgewirkt und dessen Funktionieren
gefestigt, verstößt dies gegen § 46 Abs. 3
StGB, weil dem Angeklagten damit der Sache nach vorgeworfen wird, die
Taten begangen zu haben. Im übrigen verlangt das Landgericht
von dem Angeklagten in unzulässiger Weise, daß er
sich selbst hätte belasten sollen. Nachdem der Angeklagte die
erste Bestechungszahlung entgegengenommen hatte, bestand für
ihn keine realistische Möglichkeit mehr, gegen die
Pflichtwidrigkeiten der übrigen Prüfer selbst
einzuschreiten oder ihnen über die Dienstvorgesetzten
entgegenzuwirken. Unter den gegebenen Umständen hätte
er sich dann nämlich - neben den übrigen bestochenen
Prüfern - entweder sogleich als Empfänger von
Bestechungszahlungen offenbaren müssen oder er wäre
unweigerlich von "angeschwärzten" Prüferkollegen oder
Vorführern ebenfalls als Bestechungsempfänger genannt
worden. Der Angeklagte hätte mit einem solchen Vorgehen daher
zwangsläufig seine eigene Bestrafung riskiert. Daß
er hierzu nicht bereit war, kann ihm nicht straferschwerend angelastet
werden. Auch das Landgericht zeigt keinen Weg auf, wie der Angeklagte -
wie von ihm erwartet - hätte einschreiten können,
ohne nicht zugleich auch seine eigene Bestrafung zu riskieren. Die
für den Angeklagten somit bestehende Konfliktsituation kann
insbesondere auch nicht mit dem Hinweis auf seine Funktion als
Prüfgruppenleiter ausgeräumt werden.
Der Rechtsfehler bei der Bemessung der Einzelfreiheitsstrafen
erfaßt auch die Gesamtfreiheitsstrafe, weil das Landgericht
eingangs seiner Begründung hierzu sämtliche
für und gegen den Angeklagten sprechenden tat- und
täterbezogenen Strafzumessungsgesichtspunkte erneut
abwägt und somit auf die vorausgegangenen
Strafzumessungserwägungen zu den Einzelstrafen Bezug nimmt.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß das
Landgericht den bisher unbestraften Angeklagten ohne die
rechtsfehlerhaften Strafzumessungserwägungen milder bestraft
hätte.
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