BGH,
Beschl. v. 29.11.2006 - 1 StR 493/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 493/06
vom
29.11.2006
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
__________________
MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. d, StPO § 168c
Zum Recht auf konfrontative Befragung nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK
(in Fortführung von BGHSt 46, 93).
BGH, Beschluss vom 29.11.2006 - 1 StR 493/06 - LG München I
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Vergewaltigung u.a.
zu 2.: Beihilfe zum Menschenhandel u.a.
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29.11.2006
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München I vom 12. April 2006 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten verurteilt worden
sind.
Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten S. K. wegen Vergewaltigung und
Menschenhandels in Tateinheit mit ausbeuterischer und dirigierender
Zuhälterei zur Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn
Monaten, den Angeklagten D. Ko. wegen Beihilfe zum Menschenhandel und
Bedrohung zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Im Übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen.
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Die Revisionen der Angeklagten haben mit einer auf der Verletzung des
Grundsatzes des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Buchst.
d MRK) gestützten Verfahrensrüge Erfolg. Auf die
weiteren Verfahrenrügen und die Sachbeschwerde kommt es daher
nicht mehr an.
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I.
Zentral für die Überführung der Angeklagten,
die in der Hauptverhandlung von ihrem Aussageverweigerungsrecht
Gebrauch machten und während des Ermittlungsverfahrens die
Taten bestritten hatten, sind die Angaben der Geschädigten E.
P. gegenüber der Polizei und vor dem Ermittlungsrichter. In
der Hauptverhandlung wurden vier Protokolle über polizeiliche
Vernehmungen verlesen und eine Bild-Ton-Aufzeichnung über eine
Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Zudem
hörte das Landgericht drei Polizeibeamte und den
Ermittlungsrichter. Die Geschädigte, eine polnische
Staatsangehörige, war unmittelbar nach der letzten Vernehmung
nach Polen zurückgekehrt. Aufgrund ihres Nichterscheinens zur
Hauptverhandlung trotz formloser Ladung sowie ihrer
Unmutsäußerungen gegenüber dem
Ermittlungsrichter behandelte sie das Landgericht als unerreichbar.
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1. Die Revisionen machen die Verletzung des Rechts auf konfrontative
Befragung nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK geltend. Die Angeklagten und
ihre Verteidiger hätten zu keinem Zeitpunkt - weder
während des Ermittlungsverfahrens noch in der Hauptverhandlung
- die Gelegenheit gehabt, der Geschädigten Fragen zu stellen
oder Vorhalte zu machen. Insbesondere auch bei ihrer Aussage vor dem
Ermittlungsrichter sei ihnen eine konfrontative Befragung versagt
gewesen. Der Angeklagte S. K. sei zwar anwesend gewesen, jedoch von der
weiteren Vernehmung ausgeschlossen worden, bevor er sein Fragerecht
hätte ausüben können. Sein
(Wahl-)Verteidiger sei nicht benachrichtigt worden. Der Angeklagte D.
Ko. , gegen den damals - trotz bestehenden Anfangsverdachts - das
Ermittlungsverfahren formal noch nicht geführt worden sei, sei
ebenfalls nicht benachrichtigt worden. Ihm sei auch kein
Pflichtverteidiger beigeordnet worden.
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2. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
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Am 2. August 2005 gegen 11.00 Uhr wurden zwei Fahrgäste der
Münchener Trambahn auf eine lautstarke Auseinandersetzung
zwischen dem Angeklagten S. K. und der Geschädigten
aufmerksam. Der Angeklagte versuchte, die Geschädigte gegen
ihren Willen aus dem Fahrgastraum zu zerren und zu tragen. Als der
Angeklagte der Aufforderung der beiden Fahrgäste, die
Geschädigte loszulassen, nicht nachkam, drohten sie ihm an,
die Polizei zu rufen. Während der Angeklagte daraufhin
erklärte, dies sei nicht erforderlich, da es sich lediglich um
einen Beziehungsstreit handele, äußerte die
Geschädigte "polizia, ja, ja". Daraufhin wurde die Polizei
informiert.
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Eine Polizeibeamtin, die der polnischen Sprache mächtig ist,
führte mit der Geschädigten noch an der
Trambahnstation ein informatorisches Gespräch.
Anschließend wurde die Geschädigte einer
sachverständigen Ärztin vorgestellt und in der
Folgezeit bis zum 11. August 2005 fünfmal polizeilich
vernommen. Der Angeklagte S. K. wurde noch am 2. August 2005
festgenommen und befindet sich aufgrund Haftbefehls vom 3. August 2005
seither ununterbrochen in Untersuchungshaft. Von der Staatsanwaltschaft
wurde das Ermittlungsverfahren formal zunächst nur gegen ihn,
nicht gegen den Angeklagten D. Ko. geführt, obwohl die Zeugin
auch diesen schon bei den Vernehmungen am 2. und 3. August 2005
belastete und der Haftbefehl ihn als anderweitig Verfolgten bezeichnet.
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Am 9. August 2005 beantragte die Staatsanwaltschaft, die
Geschädigte ermittlungsrichterlich zu vernehmen und den
Angeklagten S. K. hierzu zu laden. Die Vernehmung, zu der der
Angeklagte S. K. , nicht aber der - damals noch nicht als Beschuldigter
eingetragene - Angeklagte D. Ko. geladen wurde, wurde am 16. August
2005 durchgeführt. Sie wurde
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auf Bild-Ton-Träger aufgezeichnet und dem in einem Nebenraum
befindlichen Angeklagten S. K. zeitgleich in Bild und Ton
übertragen. Während ihrer Aussage
äußerte die - "lustlos und emotionslos" wirkende -
Zeugin, dass sie "das alles nicht mitmachen" möchte, sie "nur
zurück nach Polen" wolle und es sie sehr störe, wenn
der Angeklagte zuhöre; sie versuchte, den Vernehmungsraum zu
verlassen. Daraufhin schloss der Ermittlungsrichter den Angeklagten,
ohne dass dieser zuvor hätte zu Wort kommen können,
von der weiteren Vernehmung aus.
Bereits mit an die Staatsanwaltschaft München I adressiertem
Schreiben vom 3. August 2005 hatte sich Rechtsanwalt W. als Verteidiger
des Angeklagten S. K. angezeigt. Das Schreiben war am 4. August 2005
bei der allgemeinen Eingangsstelle der Justizbehörden in
München und am 5. August 2005 bei der Staatsanwaltschaft
München I eingegangen. Es wurde der sachbearbeitenden
Staatsanwältin allerdings erst am 19. August 2005, dem
zuständigen Ermittlungsrichter erst am 24. August 2005
vorgelegt, sodass er den Verteidiger vom Vernehmungstermin nicht mehr
benachrichtigen konnte. Zu weiteren die Vernehmung der
Geschädigten betreffenden Maßnahmen sah der
Ermittlungsrichter keine Veranlassung, zumal diese zwischenzeitlich
ausgereist war.
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3. Im Rahmen der Beweiswürdigung begründet das
Landgericht seine Überzeugung von der Schuld der Angeklagten
wie folgt:
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Die Angeklagten seien durch die Angaben der Geschädigten
überführt. Die - über die Protokolle, die
Bild-Ton-Aufzeichnung und die Vernehmungspersonen eingeführte
- Aussage sei glaubhaft, weil sie in einer unvorhergesehenen
Stresssituation entstanden, detailreich, in einen vielschichtigen
Kontext einge-
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bunden, konstant und frei von Belastungseifer sei. In mehreren Punkten
würden die Angaben durch andere Beweismittel
bestätigt.
Die Überzeugung des Landgerichts von der Glaubhaftigkeit der
Aussage stützt sich dabei wesentlich auf deren
"Entstehungsgeschichte": Die zwei Fahrgäste sagten in der
Hauptverhandlung zu der Auseinandersetzung in der Trambahn aus. Die die
polnische Sprache beherrschende Polizeibeamtin wurde zu dem
informatorischen Gespräch vernommen; sie berichtete, die
Geschädigte habe ihr bereits das wesentliche Tatgeschehen
geschildert: Die Geschädigte sei vom Angeklagten D. Ko. ca.
ein Monat zuvor von Polen nach Deutschland gebracht und in
München dem Angeklagten S. K. übergeben worden.
Dieser halte sie seither in seiner Wohnung fest, habe sie vergewaltigt
und zwangsprostituiert. Außerdem habe die
Geschädigte geäußert, dass sie, weil sie
auf Druck Milchausfluss aus der Brust sowie Schmierblutungen habe,
befürchte, vom Angeklagten S. K. schwanger zu sein. Die
sachverständige Ärztin berichtete über -
offensichtlich durch die Auseinandersetzung in der Trambahn verursachte
- Hautverfärbungen bei der Geschädigten; bei der
Untersuchung habe diese gesagt, sie habe deshalb in der Trambahn sitzen
bleiben wollen, weil der Angeklagte sie zu einem Freier habe bringen
wollen.
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Ferner stellt das Landgericht fest, dass die Angaben der
Geschädigten von Zeugen bestätigt wurden, soweit sie
von einer Fahrt des Angeklagten D. Ko. nach Polen im Juni 2005 sowie
von ihrem Besuch in einer Gaststätte etwa am 25. Juli 2005
berichtete.
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Schließlich setzt sich das Landgericht eingehend mit
möglicherweise entlastenden Umständen auseinander und
zeigt Widersprüche zwischen den polizeilichen
Beschuldigtenvernehmungen der beiden Angeklagten auf. In diesem
Zusammenhang teilt das Urteil mit, dass der Angeklagte S. K. sich
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- 7 -
dahingehend eingelassen hatte, er habe die Geschädigte auf
Bitten des Angeklagten D. Ko. bei sich aufgenommen und ab dem zweiten
Tag nach ihrer Ankunft täglich einvernehmlichen
Geschlechtsverkehr mit ihr gehabt.
II.
Die Revisionen machen mit Recht geltend, dass infolge von Fehlern im
Ermittlungsverfahren das Recht der Angeklagten auf konfrontative
Befragung der Geschädigten nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK
verletzt wurde. Da die Angaben der Geschädigten nicht durch
gewichtige Gesichtspunkte außerhalb ihrer Aussage
gestützt werden, kann das Urteil keinen Bestand haben.
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1. Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK garantiert - als eine besondere
Ausformung des Grundsatzes des fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. 1
Satz 1 MRK - das Recht des Angeklagten, "Fragen an Belastungszeugen zu
stellen oder stellen zu lassen". Die Befragung des Zeugen hat dabei
grundsätzlich, aber nicht zwingend in der Hauptverhandlung in
Anwesenheit des Angeklagten zu erfolgen. Ist ein Zeuge lediglich im
Ermittlungsverfahren oder sonst außerhalb der
Hauptverhandlung vernommen worden, muss dem Angeklagten entweder zu dem
Zeitpunkt, in dem der Zeuge seine Aussage macht, oder in einem
späteren Verfahrensstadium die Gelegenheit gegeben werden, den
Zeugen selbst zu befragen, unter Umständen über
seinen Verteidiger befragen zu lassen. Selbst wenn der Angeklagte zu
keinem Zeitpunkt die Gelegenheit zur konfrontativen Befragung des
Zeugen hatte, verstößt dies jedoch nicht ohne
weiteres gegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. d i.V.m. Abs. 1 Satz 1 MRK.
Entscheidend ist vielmehr, ob das Verfahren in seiner Gesamtheit
einschließlich der Art und Weise der Beweiserhebung und
-würdigung fair war (st. Rspr.; vgl. EGMR, Urteile vom 19.
Dezember 1990 - Nr. 26/1989/186/246 - Delta gegen Frankreich =
ÖJZ 1991, 425, 426; vom 28. August 1992 - Nr. 39/1991/291/362
- Artner gegen Ös-
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terreich = EuGRZ 1992, 476; vom 7. August 1996 - Nr. 48/1995/554/640 -
Ferrantelli und Santangelo gegen Italien = ÖJZ 1997, 151, 152;
vom 14. Dezember 1999 - Nr. 37019/97 - A.M. gegen Italien = StraFo
2000, 374, 375; vom 18. Oktober 2001 - Nr. 37225/97 - N.F.B. gegen
Deutschland = NJW 2003, 2297; vom 20. Dezember 2001 - Nr. 33900/96 -
P.S. gegen Deutschland = NJW 2003, 2893, 2894; vom 23.11.2005 - Nr.
73047/01 - Haas gegen Deutschland = JR 2006, 289, 291; BGHSt 46, 93, 94
ff. m. w. Nachw.; BGH NStZ 2004, 505, 506; 2005, 224, 225; NStZ-RR
2005, 321).
Bei der Prüfung, ob insgesamt ein faires Verfahren vorlag,
kommt es nach der Rechtsprechung des EGMR insbesondere auch darauf an,
ob der Umstand, dass der Angeklagte keine Gelegenheit zur
konfrontativen Befragung hatte, der Justiz zuzurechnen ist (EGMR
[Ferrantelli & Santangelo] ÖJZ 1997, 151, 152; [Haas]
JR 2006, 289, 291). Zwar muss die Justiz auch aktive Schritte
unternehmen, um den Angeklagten in die Lage zu versetzen, Zeugen zu
befragen oder zumindest befragen zu lassen. Allerdings ist sie nicht zu
Unmöglichem verpflichtet (impossibilium nulla est obligatio).
Vorausgesetzt, dass ihr keine mangelnde Sorgfalt bei den
Bemühungen vorzuwerfen ist, dem Angeklagten die konfrontative
Befragung von Zeugen zu ermöglichen, ist im Fall deren
Unerreichbarkeit die fehlende Gelegenheit zur Befragung hinzunehmen
(EGMR [Haas] aaO m. w. Nachw.).
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Davon, ob die unterbliebene konfrontative Befragung eines Zeugen der
Justiz zuzurechnen ist, ist nach der Rechtsprechung des EGMR der
Beweiswert der Angaben dieses Zeugen abhängig. So hat der EGMR
entschieden, dass im Fall ausreichender, jedoch fehlgeschlagener
Bemühungen seitens der Justiz eine Verurteilung aufgrund der
Angaben eines nicht kontradiktorisch vernommenen Zeugen - bei
äußerst sorgfältiger ("extreme care")
Würdigung - möglich ist, solange sie nicht einzig und
allein ("solely") auf diesen Angaben beruht
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(EGMR [Artner] EuGRZ 1992, 476; [Haas] JR 2006, 289, 291). Insbesondere
bei Vorliegen von Verfahrensfehlern hat er demgegenüber
bereits dann einen Konventionsverstoß angenommen, wenn sich
die Verurteilung zwar nicht allein, aber in einem entscheidenden
Ausmaß ("to a decisive extent") auf Angaben eines solchen
Zeugen stützt (EGMR [Delta] ÖJZ 1991, 425, 426;
[A.M.] StraFo 2000, 374, 375; [P.S.] NJW 2003, 2893, 2894).
Bei der Anwendung des deutschen Strafprozessrechts ist die MRK in der
Auslegung, die sie durch Rechtsprechung des EGMR erfahren hat, zu
berücksichtigen (BVerfG NJW 2004, 3407; BGHSt 45, 321, 328
f.). Daher gilt für die tatrichterliche
Beweiswürdigung: Ist die unterbliebene konfrontative Befragung
eines Zeugen der Justiz zuzurechnen, kann eine Verurteilung auf dessen
Angaben nur gestützt werden, wenn diese durch andere
gewichtige Gesichtspunkte außerhalb der Aussage
bestätigt werden (BGHSt 46, 93, 106; BGH NStZ 2005, 224, 225;
NStZ-RR 2005, 321; vgl. auch BGH NJW 2003, 3142, 3144; NStZ 2004, 505,
506 f.).
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2. Dass die Angeklagten keine Gelegenheit hatten, die
Geschädigte zu befragen, beruht, wie die Strafkammer
zutreffend festgestellt hat, auf Fehlern im Ermittlungsverfahren. Ob
sie die Unerreichbarkeit der Geschädigten in der
Hauptverhandlung mit Recht bejaht hat, braucht der Senat daher nicht zu
entscheiden.
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a) Entgegen § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO wurde der Verteidiger
des Angeklagten S. K. nicht von der ermittlungsrichterlichen Vernehmung
der Geschädigten am 16. August 2005 benachrichtigt. Dies
beruht auf einem Verschulden der Justiz, da die am 4. August 2005 bei
den Justizbehörden in München eingegangene
schriftliche Verteidigungsanzeige erst am 19. August 2005 der
sachbearbeitenden Staatsanwältin und erst am 24. August 2005
dem zu-
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ständigen Ermittlungsrichter vorgelegt wurde. Für den
Rechtsverstoß macht es keinen Unterschied, ob die
erforderliche Benachrichtigung absichtlich, versehentlich oder unter
Verkennung der gesetzlichen Voraussetzungen unterblieben ist (BVerfG
[Kammer] NJW 2006, 672, 673; BGH NJW 2003, 3142, 3143 m. w. Nachw.).
Weiterhin wurde der - zunächst anwesende - Angeklagte S. K.
selbst nach Unmutsäußerungen der
Geschädigten und ihrem Versuch, den Vernehmungsraum zu
verlassen, von der weiteren ermittlungsrichterlichen Vernehmung
ausgeschlossen, bevor er von seinem Fragerecht hätte Gebrauch
machen können. Nach der Würdigung der Strafkammer war
indessen ein - hier auch fern liegender - Ausschlussgrund nach
§ 168c Abs. 3 StPO nicht gegeben. Der Ausschluss des
Angeklagten drängte im Übrigen auch dazu, die
Wahrnehmung seines Fragerechts durch einen Verteidiger sicherzustellen
(BGHSt 46, 93, 97 ff.).
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b) Der Angeklagte D. Ko. wurde von der ermittlungsrichterlichen
Vernehmung der Geschädigten ebenfalls entgegen § 168c
Abs. 5 Satz 1 StPO nicht benachrichtigt. Obwohl das
Ermittlungsverfahren formal nicht gegen ihn geführt wurde,
hatte er bereits den Status eines Beschuldigten. Da die
Geschädigte ihn bei den polizeilichen Vernehmungen am 2. und
3. August 2005 belastet hatte, wurde er Beschuldigter
spätestens durch den Antrag der Staatsanwaltschaft auf ihre
ermittlungsrichterliche Vernehmung, weil dieser auf die Sicherung der
Aussage auch ihn betreffend gerichtet war. Ein Verdächtiger
wird zum Beschuldigten, wenn die Ermittlungsbehörden faktisch
Maßnahmen ergreifen, die erkennbar darauf abzielen, gegen ihn
wegen einer Straftat vorzugehen (BGHR StPO § 55 Abs. 1
Verfolgung 3; BGH NJW 2003, 3142, 3143). Dass gegen den Angeklagten D.
Ko. ebenfalls wegen der von der Geschädigten geschilderten
Straftaten ermittelt werden sollte, ergibt sich zudem aus
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dem gegen den Angeklagten S. K. erlassenen Haftbefehl vom 3. August
2005, in dem der Angeklagte D. Ko. als anderweitig Verfolgter
bezeichnet ist. Die Staatsanwaltschaft hätte daher auch auf
die Benachrichtigung dieses Angeklagten hinwirken müssen.
Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Benachrichtigung
nach § 168c Abs. 5 Satz 2 StPO lagen in Anbetracht der nach
§§ 168e, 58a StPO getrennt durchgeführten
Vernehmung fern und wurden von der Strafkammer infolgedessen nicht
geprüft (hierzu BGH NJW 2003, 3142, 3144), zumal dann wiederum
die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erforderlich geworden
wäre.
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3. Die Strafkammer ist zwar - auf der Grundlage von BGHSt 46, 93, 103
ff. - im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass der Tatnachweis
voraussetzt, dass die Angaben der Geschädigten durch
gewichtige Gesichtspunkte außerhalb der Aussage
bestätigt werden. Sie legt diesbezüglich aber nicht
die hier gebotenen strengen Maßstäbe an, so dass das
Urteil sich im Ergebnis als rechtsfehlerhaft erweist.
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Die Strafkammer hat eine fachkundige - für sich genommen
rechtsfehlerfreie - Aussageanalyse vorgenommen. Schon hierbei
wäre allerdings zu bedenken gewesen, dass gerade den
Merkmalen, dass die Angaben "detailreich" und "in einen vielschichtigen
Kontext eingebunden" sind, infolge des Fehlens einer kontradiktorischen
Erörterung ein geringeres Gewicht zukommt (Senat, Urteil vom
25. Juli 2000 - 1 StR 169/00 - Umdr. S. 27 f., in BGHSt 46, 93 nicht
abgedruckt).
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Die weiteren Beweismittel, die das Urteil zur Bestätigung der
Aussage anführt, genügen hier im Hinblick darauf,
dass die unterbliebene konfrontative Befragung der Justiz zuzurechnen
ist, den sich daraus ergebenden besonderen Beweiswürdigungs-
und Begründungsanforderungen nicht. Die Überzeugung
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der Kammer stützt sich wesentlich auf die
"Entstehungsgeschichte" der Aussage, die Auseinandersetzung in der
Trambahn und die ersten zeitnah erfolgten Äußerungen
der Geschädigten; beides wird durch Zeugen- und
Sachverständigenbeweis bestätigt. Was die
Auseinandersetzung in der Trambahn anbelangt, so ließe sie
sich jedoch auch mit einem vom Angeklagten - gleichfalls zeitnah -
behaupteten Beziehungsstreit in Einklang bringen. Dies gilt umso mehr,
als nach den Urteilsfeststellungen die Geschädigte selbst
aussagte, sie habe etwa vor den Familienmitgliedern so getan, als habe
sie eine Beziehung mit dem Angeklagten S. K. . Dass die
Auseinandersetzung bei den beiden Fahrgästen nicht den
"Eindruck eines Beziehungsstreits erweckte", ist indessen nicht
ausreichend mit Tatsachen belegt und stellt ein bloßes
Werturteil dieser Zeugen dar. Die ersten Äußerungen
der Geschädigten gegenüber der Polizei sprechen zwar
- als wichtiger Teil der Aussagegenese - für die
Glaubhaftigkeit der Aussage; es handelt sich hierbei aber nicht um
Gesichtspunkte, die außerhalb der Aussage liegen. Die auf
eine Schwangerschaft der Geschädigten hindeutenden
Umstände (Milchausfluss und Schmierblutungen) sind zudem nicht
aussagekräftig bezüglich der Feststellung, dass der
Geschlechtsverkehr nicht einvernehmlich stattfand.
Soweit sich die Überzeugung der Strafkammer darauf
stützt, dass die Angaben der Geschädigten von Zeugen
insofern bestätigt wurden, als sie von einer Fahrt des
Angeklagten D. Ko. nach Polen im Juni 2005 sowie von ihrem Besuch in
einer Gaststätte etwa am 25. Juli 2005 berichtete, fehlt es an
einem hinreichenden Bezug zu den festgestellten Taten. Auch teilt das
Urteil nicht mit, ob und wie sich die Angeklagten bei ihren
polizeilichen Vernehmungen hierzu eingelassen hatten.
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Augenzeugen, die Angaben zum Kerngeschehen machen konnten, standen dem
Landgericht nicht zur Verfügung. Auch objektive Beweismittel,
mit denen die von der Geschädigten geschilderten Taten
bestätigt worden wären, waren nicht vorhanden (vgl.
Senat aaO S. 28).
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4. Auf dem Rechtsfehler beruht das angegriffene Urteil (§ 337
Abs. 1 StPO). Ein Freispruch durch den Senat selbst kommt schon deshalb
nicht in Betracht, weil eine erneute Vernehmung der
Geschädigten, die dem Fragerecht der Angeklagten nach Art. 6
Abs. 3 Buchst. d MRK Rechnung trägt, nicht
auszuschließen ist.
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Nack Wahl Boetticher
Kolz Elf |