BGH,
Beschl. v. 29.9.2004 - 1 StR 565/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 565/03
vom
29. September 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Untreue u.a.
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 2004 be-
schlossen:
1. Dem Angeklagten U. wird auf seine Kosten Wiedereinset-
zung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist
zur Ergänzung der Verfahrensrüge nach § 244
Abs.3 Satz 2
StPO gegen das Urteil des Landger ichts München II vom
1. April 2003 gewährt.
2. Auf die Revisionen der Angeklagten U. und
B. wird
das vorbezeichnete Urteil
a) in den Fällen II. 11 Nrn. 1, 2, 78 bis 80 der
Urteilsgründe
aufgehoben; insoweit wird das Verfahren eingestellt;
b) in den Schuldsprüchen dahin geändert,
daß der Angeklag-
te U. der Untreue in 132 Fällen und der
Angeklagte
B. der Untreue in 57 Fällen und der
Beihilfe zur Un-
treue in 75 Fällen schuldig sind.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten U.
und
B. sowie die Revision des Angeklagten
L. wer-
den verworfen.
4. Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Ver fahrens
und die notwendigen Auslagen der Angeklagten U. und
B. der Staatskasse zur Last; im übrigen
haben die An-
geklagten die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten U. wegen Untreue in 137
Fäl-
len zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren, den
Angeklagten
B. wegen Untreue in 60 Fällen
sowie Beihilfe zur Untreue in 77 Fällen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten und
den
Angeklagten L. wegen Beihilfe zur Untreue in 112
Fällen zu einer Ge-
samtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen wenden sich
sämtliche
Angeklagten mit der Sachbeschwerde und Verfahrensrügen. Die
Revisionen
der Angeklagten U. und B. haben
den aus der Beschlußformel er-
sichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im übrigen sind
die Revisionen unbegrün-
det im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Dem Angeklagten U. war - unbeschadet der
Zulässigkeit der Rü-
ge nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ( vgl. BGHSt 42, 365) -
Wiedereinsetzung
zur Er gänzung dieser Verfahrensr üge zu
gewähren. Zwar kann bei bereits
formgerecht begründeter Revision Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zur
Nachholung von Verfahrensrügen nicht gewährt werden
(st. Rspr.; vgl. BGHR
StPO § 44 Verfahrensrüge 1, 3, 9; BGH,
Beschluß vom 16. September 1994 - 3
StR 397/94). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind jedoch zugelassen wor-
den (vgl. BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 6, 11,12;
BGH, Beschluß vom 13.
September 2000 - 3 StR 342/00). Ein solcher Fall liegt hier vor, weil
die Rüge
vor Ablauf der Frist er hoben war und lediglich infolge eines Versehens
einzel-
ne Seiten des im Rahmen der Verfahrensrüge mitzuteilenden
Beweisantrags
nicht übermittelt worden sind.
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2. Hinsichtlich der Fälle II. 11 Nrn. 1, 2, 78 bis 80 der
Urteilsgründe (Tat-
zeiten 3. Januar bis 1. März 1994) besteht das Verfahr
enshindernis der Verjäh-
rung. Der Beschluß des Amtsgerichts Memmingen vom 2. Dezember
1998, mit
dem gemäß §§ 100a, 100b StPO die
Überwachung des Fernmeldeverkehrs
angeordnet wurde, hat die Verjährung nicht zu unterbrechen
vermocht. Eine
solche Maßnahme steht der Anordnung einer Durchsuchung oder
Beschlag-
nahme nach § 78c Abs.1 Satz 1 Nr.4 StGB nicht gleich. Die
Vorschriften über
die Unterbrechung der Verjährung sind Ausnahmeregelungen; eine
Analogie
ist unzulässig (vgl. BGHSt 28, 381, 382). Da die
Verjährung er st durch den
Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluß des Amtsgerichts
Memmingen
vom 8. März 1999 unterbrochen wurde, waren die vor dem 8.
März 1994 be-
gangenen Taten verjähr t. Insoweit war das Verfahren
einzustellen. Dies zieht
den Wegfall der für diese Taten verhängten
Einzelstrafen sowie die Änderung
der Schuldsprüche nach sich.
3. Die Gesamtstrafen können bestehen bleiben. Schon
angesichts der
Vielzahl und der Höhe der verbleibenden Einzelstr afen
erscheinen dem Senat
die verhängten Gesamtstrafen angemessen (§ 354 Abs.1a
und Abs. 1b Satz 3
StPO), zumal auch verjährte Taten bei der Strafzumessung ber
ücksichtigt wer-
den dürfen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 11,
BGHR StGB § 54 Seri-
enstraftaten 2).
Zu den Rügen der Verletzung von § 261 StPO und von
§ 244 Abs. 3
Satz 2 StPO sowie den insoweit erhobenen materiell-rechtlichen Beanstan-
dungen bemer kt der Senat ergänzend:
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a) Das Landgericht konnte die eingeführten Urkunden abweichend
von
der en Wortlaut würdigen. Der mit den Urkunden erweckte
Anschein eines
Rechtsgrundes für die Zahlungen war Teil des
Täuschungssystems. Würde
jede vom Wortlaut solcher Urkunden abweichende Feststellung einen
Verstoß
gegen § 261 StPO begründen, so ließen sich
kaum noch rechtsfehler freie
Feststellungen zu Verschleierungshandlungen treffen.
b) Für eine Schadensberechnung mittels Ver
mögensvergleichs mit den
zu Verschleierungszwecken fingierten und daher tatsächlich
nicht geschulde-
ten Leistungen ist kein Raum. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei
festgestellt,
daß einziges Ziel des mit besonders hoher krimineller Energie
organisier ten
Gesellschafts- und Vertragsgeflechts die Bereicherung der Angeklagten
U.
und B. durch die eingenommenen
Mitgliedsbeiträge war (vgl. nur UA
S. 46- 47).
Angesichts dessen lag die Absicht einer Steuer ersparnis
erkennbar fern.
Nack
Wahl
Kolz
Hebenstreit
Elf
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