BGH,
Beschl. v. 29.9.2009 - 1 StR 376/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 376/09
vom
29. September 2009
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
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StPO § 302 Abs. 1 aF, § 349 Abs. 1
Der nach einer Verständigung wirksam erklärte
Rechtsmittelverzicht führt - in Verbindung mit dem
Rechtsmittelverzicht der anderen rechtsmittelberechtigten
Verfahrensbeteiligten - die Rechtskraft unmittelbar herbei (BGH - GS -
BGHSt 50, 40). Der durch das Gesetz zur Regelung der
Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl I S.
2353) eingeführte § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO - wonach
ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen ist, wenn dem Urteil eine
Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen ist -
beseitigt die vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits eingetretene
Rechtskraft nicht.
BGH, Beschl. vom 29. September 2009 - 1 StR 376/09 - LG
München I
in der Strafsache
gegen
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wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 2009
beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 13. März 2009 wird als
unzulässig verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
1. Das Landgericht hat den Angeklagten am 13. März 2009 wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dem war eine Vereinbarung
in der Hauptverhandlung zwischen der Strafkammer, dem Angeklagten, dem
Verteidiger und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft vorausgegangen,
wonach der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als
sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt werde. Im Anschluss an die
Urteilsverkündung und nach qualifizierter Belehrung im
Hinblick auf die getroffene Vereinbarung haben der Angeklagte und die
Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet.
Gleichwohl hat der Angeklagte mit handschriftlichem Schreiben vom 16.
März 2009, eingegangen bei den Justizbehörden am 20.
März 2009, "Wiedereinsetzung" beantragt und Revision eingelegt
und dies damit begründet, es sei ihm "keine Zeit gegeben"
worden, "das Verfahren durch zu führen."
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2. Die - noch innerhalb der Wochenfrist eingelegte - Revision ist
unzulässig, weil der Angeklagte wirksam (BGH - GS - BGHSt 50,
40, 57) auf Rechtsmittel verzichtet hat (§ 302 Abs. 1 Satz 1
StPO). Ein Rechtsmittelverzicht kann grundsätzlich nicht
widerrufen, wegen Irrtums angefochten oder sonst
zurückgenommen werden (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschl. vom
25. Oktober 2005 - 1 StR 416/05 m.w.N.).
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Hieran ändert auch der durch das Gesetz zur Regelung der
Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBI I S.
2353) eingefügte § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO nichts,
wonach ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen ist, wenn dem Urteil
eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen
ist. Denn der nach Urteilserlass erklärte Rechtsmittelverzicht
hat - in Verbindung mit dem Rechtsmittelverzicht der anderen
rechtsmittelberechtigten Verfahrensbeteiligten - die Rechtskraft
unmittelbar herbeigeführt (BGH - GS - BGHSt 50, 40, 58). Die
zeitlich danach erfolgte Änderung des Verfahrensrechts konnte
die Rechtskraft nicht beseitigen.
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3. Die vom Angeklagten zusammen mit der Revision beantragte
"Wiedereinsetzung" geht ins Leere, da die Wochenfrist für die
Einlegung einer Revision bei Eingang des Schreibens noch nicht
verstrichen war, weshalb es keiner Entscheidung hierüber
bedarf.
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Nack Kolz Elf
Graf Sander |