BGH,
Beschl. v. 29.9.2009 - 3 StR 301/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 301/09
vom
29. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 29. September 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Kiel vom 16. März 2009 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben
- in den Fällen 1. bis 3. der Urteilsgründe im
jeweiligen Strafausspruch,
- im Gesamtstrafenausspruch sowie
- im Maßregelausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die
den Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an
eine Strafkammer des Landgerichts Lübeck
zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht Kiel hatte den Angeklagten nach einer ersten
Hauptverhandlung durch Urteil vom 26. November 2007 wegen Mordes in
Tateinheit mit Raub mit Todesfolge (Fall 4. der Urteilsgründe)
sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in drei
Fällen (Fälle 1. bis 3. der Urteilsgründe)
zur lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und seine
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Auf die Revision
des Angeklagten hat der Senat mit Urteil vom 12. Juni 2008 (NStZ 2009,
258) das Urteil des Landgerichts im Rechtsfolgenausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben, im Umfang der Aufhebung
die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen sowie die
weitergehende Revision verworfen. Nunmehr hat das Landgericht Kiel den
Angeklagten wiederum zur lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe
verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision,
die er auf Verfahrensrügen und die Sachrüge
stützt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus
der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
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I. In den Fällen 1. bis 3. der Urteilsgründe
hält der jeweilige Strafausspruch rechtlicher Prüfung
nicht stand, weil er auf Feststellungen beruht, die vom Landgericht im
zweiten Durchgang nicht getroffen worden sind.
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1. Wird ein Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, so bleiben alle den Schuldspruch tragenden
Feststellungen bestehen. Diese umfassen in erster Linie die Tatsachen,
in denen die Merkmale des angewandten Straftatbestandes zu finden sind.
Aber auch die weitergehenden Feststellungen zum Tatgeschehen im Sinne
eines geschichtlichen Vorgangs sowie die Tatsachen, aus denen der
Beweis hierfür abgeleitet wird, sind Grund-
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lage des Schuldspruchs. Sie bleiben deshalb auch dann aufrechterhalten
und binden den Tatrichter bei der neuen Entscheidung, wenn sie als so
genannte doppelrelevante Feststellungen zugleich für den
Strafausspruch Bedeutung haben. Durch die Entscheidung des
Revisionsgerichts sind aber alle Feststellungen aufgehoben, die sich
ausschließlich auf den Strafausspruch beziehen. Insoweit muss
der neue Tatrichter umfassend eigene Feststellungen treffen und diese
in den Urteilsgründen mitteilen (BGHSt 24, 274, 275).
2. Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil
nicht gerecht. Durch die Aufhebung des Urteils des Landgerichts Kiel
vom 26. November 2007 im Rechtsfolgenausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen waren die Feststellungen zu den
Vorstrafen des Angeklagten (vgl. BGHR StPO § 353 Abs. 2
Teilrechtskraft 15), zu seinem Nachtatverhalten (vgl. BGH bei Becker
NStZ-RR 2005, 262) und den Tatfolgen (vgl. BGHR StPO § 353
Abs. 2 Teilrechtskraft 19; BGH StV 2007, 23) sowie zu den nicht
verfahrensgegenständlichen Körperverletzungen
entfallen, weil diese für den Schuldspruch nicht tragend
waren. Deshalb hätte das Landgericht in der zweiten
Hauptverhandlung insoweit eigene Feststellungen treffen und diese in
den Urteilsgründen mitteilen müssen. Dies hat das
Landgericht unterlassen. Dennoch hat es bei der Bemessung der
Einzelstrafen wegen der Körperverletzungsdelikte u. a. zu
Lasten des Angeklagten gewertet, dass er einschlägig
vorbestraft war, in den Wochen vor den Taten - wenn auch
geringfügigere - Körperverletzungen zum Nachteil des
Tatopfers, eines neun Jahre alten Jungen, begangen und diesem im Fall
1. der Urteilsgründe mangels einer
ordnungsgemäßen Versorgung der am Oberarm
zugefügten Fraktur über einen Zeitraum von mehreren
Wochen hinweg erhebliche Schmerzen zugefügt hatte.
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3. Wegen des dargestellten Rechtsfehlers waren die in den
Fällen 1. bis 3. der Urteilsgründe
verhängten Einzelstrafen und die lebenslange Freiheitsstrafe
als Gesamtstrafe aufzuheben.
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Die im Fall 4. der Urteilsgründe ausgesprochene lebenslange
Freiheitsstrafe kann als Einzelstrafe dagegen bestehen bleiben, weil
das Gesetz als Sanktion für Mord zwingend die lebenslange
Freiheitsstrafe vorsieht. Insoweit hat die
Überprüfung des Urteils aufgrund der
Revisionsrechtfertigung aus den Gründen der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben. Insbesondere hat das Landgericht rechtsfehlerfrei eine
erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des
Angeklagten gemäß § 21 StGB zum
Tatzeitpunkt verneint.
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II. Auch der Maßregelausspruch hat keinen Bestand.
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Da der Senat in den Fällen 1. bis 3. der
Urteilsgründe jeweils den Strafausspruch aufgehoben hat, fehlt
es bereits an den formellen Voraussetzungen der nach § 66 Abs.
2 StGB angeordneten Sicherungsverwahrung. Darüber hinaus sind
auch die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nicht
rechtsfehlerfrei festgestellt. Das Landgericht hat den Hang des
Angeklagten mit dessen Gefährlichkeit begründet und
damit nicht die erforderliche Differenzierung zwischen der
Hangtätereigenschaft und der Gefährlichkeitsprognose
vorgenommen (vgl. BGHSt 50, 188, 196). Außerdem hat es die
Lebensgeschichte des Angeklagten, seine
Persönlichkeitsentwicklung sowie seine Vorstrafen und die
diesen zugrunde liegenden Taten nur lückenhaft
erörtert, sodass es sowohl für den Hang als auch die
Gefährlichkeitsprognose an der notwendigen
Gesamtwürdigung der seine Persönlichkeit
prägenden Umstände fehlt (vgl. Fischer, StGB 56.
Aufl. § 66 Rdn. 25 a und 33 f.).
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III. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs.
2 Satz 1 StPO Gebrauch gemacht und die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung an das Landgericht Lübeck
zurückverwiesen.
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Für die neue Hauptverhandlung nimmt der Senat
zunächst Bezug auf die Ausführungen im Urteil vom 26.
November 2007. Ergänzend weist er auf Folgendes hin:
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Sollte das Landgericht in den Fällen 1. bis 3. der
Urteilsgründe eine erheblich verminderte
Schuldfähigkeit des Angeklagten infolge einer Alkoholisierung
nicht ausschließen können, wird bei der
Prüfung, ob die Strafrahmenmilderung gemäß
§§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu versagen ist, auch zu
untersuchen sein, ob der Alkoholkonsum dem Angeklagten
möglicherweise deshalb nicht uneingeschränkt
vorwerfbar ist, weil dieser nach dem Gutachten des
Sachverständigen als Folge seiner
Persönlichkeitsstörung in Konfliktsituationen
regelmäßig Suchtmittel konsumiert (vgl. BGH StV
2004, 651, 652; Fischer aaO § 21 Rdn. 26).
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Becker von Lienen Sost-Scheible
Schäfer Mayer |