BGH,
Beschl. v. 3.4.2007 - 4 StR 64/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 64/07
vom
3.4.2007
in dem Sicherungsverfahren
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 3.4.2007
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Frankenthal vom 8. November 2006 im Ausspruch über die gegen
ihn verhängte Maßregel mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung und
versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem
Jahr verurteilt. Gleichzeitig hat es gemäß
§ 63 StGB seine Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des
Angeklagten hat mit der Sachrüge zum
Maßregelausspruch Erfolg; im Übrigen hat die
Nachprüfung des Urteils keinen den Angeklagten
benachteiligenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
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1. Das Landgericht hat - sachverständig beraten - die
Überzeugung gewonnen, dass der Angeklagte an einer paranoiden
Persönlichkeitsstörung in Kombination mit dissozialen
Persönlichkeitszügen leidet. Davon ausgehend hat es -
auch darin der Sachverständigen folgend - angenommen, dass die
Einsichtsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der beiden
Straftaten erheblich vermindert gewesen sei. Zur Begründung
der Anordnung der Maßregel hat die Strafkammer
schließlich ausgeführt, die Erkrankung des
Angeklagten sei - wie auch frühere Vorfälle zeigten -
dauerhaft angelegt. Sie begründe die Gefahr, dass es auch in
Zukunft zu aggressiven und gewalttätigen Reaktionen
gegenüber anderen Personen komme.
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2. a) Die Ausführungen zur Schuldfähigkeit des
Angeklagten begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie lassen
besorgen, dass das Landgericht die Auffassung vertritt, mit der
Feststellung einer erheblichen verminderten Einsichtsfähigkeit
sei bereits § 21 StGB erfüllt und damit auch die
Grundlage für die Anordnung der Unterbringung nach §
63 StGB gegeben. Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist
strafrechtlich indes erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der
Einsicht zur Folge hat (st. Rspr.; vgl. nur die Nachweise bei
Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 21 Rdn. 3). Der
Täter, der trotz erheblich verminderter
Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das
Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist - sofern nicht seine
Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war -
voll schuldfähig. In einem solchen Fall ist auch die
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht
zulässig (BGHSt 21, 27, 28; 34, 22, 26 f.).
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b) Der aufgezeigte Mangel zwingt zur Aufhebung des
Maßregelausspruchs. Der Senat kann dem Urteil - auch wenn
einige Formulierungen darauf hindeuten könnten - nicht mit der
erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass der
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Tatrichter in Wirklichkeit nicht eine Beeinträchtigung der
Einsichtsfähigkeit, sondern eine hier möglicherweise
näher liegende erhebliche Verminderung der
Steuerungsfähigkeit im Blick gehabt hat. Der Schuld- und der
Strafausspruch können hingegen bestehen bleiben, da
Anhaltspunkte für einen (vollständigen)
Schuldausschluss (§ 20 StGB) nicht vorliegen und die Annahme
erheblich verminderter Schuldfähigkeit den Angeklagten
insoweit nicht beschwert.
Tepperwien Kuckein Solin-Stojanović
Ernemann Sost-Scheible |