BGH,
Beschl. v. 3.8.2004 - 1 StR 192/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 192/04
vom
3. August 2004
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. August 2004
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 19. Januar 2004 wird mit der Maßgabe verworfen,
daß die Anordnung der Unterbringung dieses Angeklagten in ei-
ner Entziehungsanstalt entfällt.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschwerdeführer im
Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden
ihm und der Staatskasse je zur Hälfte auferlegt.
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs
von
Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr
verurteilt und seine
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit seiner auf
die Sach-
rüge gestützten Revision beanstandet der Angeklagte
die ausgesprochene
Strafe als unangemessen hoch und die Anordnung der Unterbringung nach
§ 64 StGB. Die Revision des Angeklagten führt zum
Wegfall der Unterbrin-
gungsanordnung (§ 349 Abs. 4 StPO), bleibt aber im
übrigen aus den vom Ge-
ner albundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen erfolglos
(§ 349 Abs. 2
StPO).
- 3 -
II.
1. Die Maßregel nach § 64 StGB erfordert,
daß die Gefahr besteht, der
Verur teilte werde infolge seines Hanges in Zukunft erhebliche
rechtswidrige
Taten begehen. Das Landgericht hat dies bejaht. Eine solche Annahme ent-
behrt jedoch hinreichender Feststellungen in den
Urteilsgründen. Das Landge-
richt stützt die Gefahrprognose auf die zwischenzeitlich
eingetretene psycho-
soziale Desintegration und dissoziale Entwicklung des
drogenabhängigen, an-
haltend arbeitslosen Angeklagten im Zusammenhang mit seinen erheblichen
Vorstrafen (UA S. 43, 44).
2. Der Angeklagte wurde in den Jahren 1995 bis 1997 mehrfach
wegen
unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln und auch wegen
Diebstahlshand-
lungen, aufgrund Betäubungsmittelabhängigkeit
begangen, verurteilt. Zum Die-
besgut finden sich keine Ausführungen. 1998 führte
der Angeklagte eine
neunmonatige Drogenentzugstherapie durch. Im Jahre 2000 wurde er wegen
gefährlicher Körperverletzung, begangen in einer
Justizvollzugsanstalt, und
wegen Diebstahls in drei Fällen, wobei es sich um Zigaretten
in Mengen von
16, 9 und 2 Packungen handelte, zu einer Freiheitsstrafe von zehn
Monaten
unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Ende 2002
wurde der Ange-
klagte hinsichtlich seines Drogenkonsums wieder
rückfällig. Er nahm von März
bis Juli 2003 - bis zur Festnahme in vorliegendem Verfahren - an einem
Me-
thadon-Programm teil und konsumierte zusätzlich illegale
Drogen. Bei seiner
Festnahme befand er sich im Besitz eines Briefchens mit 0,5 g
Heroingemisch
zum Eigenkonsum, das er zuvor erworben hatte.
3. a) Ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang des
An-
geklagten, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu
nehmen, und den Straf-
taten, die der Verurteilung aus dem Jahre 2000 zugrunde liegen, ist aus
den
- 4 -
geschilderten Sachverhalten (UA S. 17, 18) nicht ersichtlich. Diese
Straftaten
können entgegen der Auffassung des Landgerichts zur
Begründung der Gefahr
im Sinne von § 64 StGB deshalb nicht herangezogen wer den.
b) Die Drogenabhängigkeit des Angeklagten, seine
psychosoziale Des-
integr ation und die dissoziale Entwicklung lassen zwar weitere
Verstöße gegen
das Betäubungsmittelgesetz in Form des Erwerbs von kleinen
Rauschgiftmen-
gen zum Eigenkonsum erwarten. Dies allein kann aber eine Unterbringung
in
einer Entziehungsanstalt nicht rechtfer tigen (vgl. BGH NStZ 1994, 280
m.w.N.
= Senatsurteil vom 7. Dezember 1993 - 1 StR 572/93). Die bisher
abgeurteilten
Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz
und auch die vorliegende Tat
können die Annahme künftiger erheblicher Straftaten
gegen das Betäubungs-
mittelgesetz nicht nahe legen.
c) Für die Gefahrprognose einer
Beschaffungskriminalität enthält das
Urteil keine ausreichende Tatsachengrundlage. Die letzte Verurteilung
wegen
Eigentumsdelikts, die im Zusammenhang mit der
Betäubungsmittelabhängigkeit
des Angeklagten steht, erfolgte 1997. Für die Zeit danach sind
keine Straftaten
zur Finanzierung des Eigenkonsums festgestellt. Da die
Verhältnisse im Zeit-
punkt der Urteilsfindung maßgebend sind (vgl. BGHR StGB
§ 64 Abs. 1 Ge-
fährlichkeit 4, 6) , können die Urteilsfeststellungen
die Prognose des Landge-
richts nicht belegen, der Angeklagte werde zur Finanzierung des
Eigenkon-
sums er hebliche weitere Straftaten begehen.
4. Bei den hier vorliegenden Umständen kann der
Senat ausschließen,
daß eine neue Verhandlung Feststellungen ergeben
könnte, die eine Unter-
bringungsanor dnung rechtfertigen würden. Er erkennt daher
entsprechend
§ 354 Abs. 1 StPO auf deren Wegfall (vgl. BGH, Beschl. vom 6.
November
- 5 -
2003 - 1 StR 451/03 - und Beschl. vom 26. Februar 2003 - 1 StR 7/03 -;
Meyer-
Goßner, StPO 47. Aufl. § 354 Rdn. 32 m.w.N.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.
Der Beschwer-
deführer, der sich mit der Revision gegen den Strafausspruch
und die Unter-
bringungsanor dnung gewendet hat, ist aus Billigkeitsgründen
nur mit der Hälfte
der Rechtsmittelkosten und seiner notwendigen Auslagen zu belasten,
weil er
einen entsprechenden Teilerfolg erreicht hat.
Wahl
Boetticher
Schluckebier
Elf
Hubert |