BGH,
Beschl. v. 3.12.2002 - 4 StR 416/02
4 StR 416/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
3. Dezember 2002
in der Strafsache gegen
wegen versuchter Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 3.
Dezember 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Siegen vom 11. März 2002
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß die
tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher
Körperverletzung und Freiheitsberaubung entfällt;
b) im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung in
Tateinheit mit sexueller Nötigung, gefährlicher
Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung zu einer
Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in
der Sicherungsverwahrung angeordnet.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung
formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu
einer Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des
Maßregelausspruchs; im übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 15
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der
Sachrüge führt zu einer Änderung des
Schuldspruchs, weil die Verfolgung der tateinheitlich begangenen
gefährlichen Körperverletzung und der
Freiheitsberaubung, worauf der Generalbundesanwalt in seiner
Antragsschrift vom 8. Oktober 2002 zu Recht hingewiesen hat,
verjährt ist. Für beide Delikte beträgt die
Verjährungsfrist nach dem zur Tatzeit geltenden Recht
fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Zum Zeitpunkt
der ersten verjährungsunterbrechenden Handlung, dem
Erlaß des Haftbefehls vom 11. Juni 2001, waren die vom
Angeklagten am 10. August 1995 tateinheitlich begangene
gefährliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung
bereits verjährt. Die deshalb gebotene Einschränkung
des Schuldspruchs hat jedoch keinen Einfluß auf den
Strafausspruch. Zwar hat das Landgericht im Rahmen der
Strafzumessungserwägungen ausgeführt,
"schließlich" habe der Angeklagte "mehrere
Straftatbestände verwirklicht". Das Landgericht hat aber vor
allem auf die Dauer des Tatgeschehens von mehr als zwei Stunden
abgestellt. Der Senat kann deshalb ausschließen,
daß eine niedrigere Strafe festgesetzt worden wäre,
wenn das Landgericht die teilweise eingetretene Verjährung
berücksichtigt hätte, zumal verjährte Taten,
wenn auch mit geringerem Gewicht (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2
Vorleben 20 und 24 m.w.N.), straferschwerend berücksichtigt
werden können.
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der
Sicherungsverwahrung hat keinen Bestand.
Zwar liegen die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr.
1 und 2 StGB für die Anordnung der Sicherungsverwahrung vor.
Die Erwägungen des Landgerichts, auf die es die nach
§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB erforderliche
Gefährlichkeitsprognose stützt, halten aber
sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht
hat hierzu ausgeführt, der Sachverständige habe
"insoweit nachvollziehbar ausgeführt, daß eine
Wiederholungsgefahr bestehe, wenn auch keine unmittelbare oder
horrende, so doch eine solche, die deutlich über das
zufällige Maß hinausgehe" (UA 34). Dies
läßt besorgen, daß das Landgericht der
Beurteilung der Gefährlichkeit des Angeklagten einen
unzutreffenden Maßstab zugrundegelegt hat. Die
Gefährlichkeit des Täters für die
Allgemeinheit im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist nur dann
gegeben, wenn die bestimmte (vgl. BGHSt 25, 59, 61) Wahrscheinlichkeit
besteht, daß er auch in Zukunft Straftaten begehen wird und
diese eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen
(vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1 m.N.).
Es ist nicht auszuschließen, daß das Landgericht
bei Berücksichtigung dieser Grundsätze die
Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint
hätte, zumal der Angeklagte nach Begehung der abgeurteilten
Tat im August 1995 nach den Feststellungen nicht erneut
straffällig geworden ist.
Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Wegen der in der Hauptverhandlung aufgetretenen Kontroversen
über die Vorgehensweise des Sachverständigen bei der
Exploration des Angeklagten empfiehlt es sich, für die neue
Hauptverhandlung einen weiteren Sachverständigen hinzuzuziehen.
Tepperwien Maatz Athing Solin-Stojanovic Sost-Scheible |