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BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2003 - 5 StR 249/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 3.12.2003 - 5 StR 249/03
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung: ja
StPO § 335
Der Senat hält daran fest, daß dann, wenn ein Urteil statt
mit dem Rechtsmittel der Berufung mit dem der Revision
angefochten werden kann (Sprungrevision), der
Beschwerdeführer, der in der Einlegungsfrist Berufung
eingelegt hat, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist
erklären darf, daß er von der ursprünglich gewählten
Berufung zur Revision übergeht (BGHSt 5, 338).
BGH, Beschl. vom 3.12.2003 - 5 StR 249/03
OLG Dresden -
5 StR 249/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 3.12.2003
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3.12.2003
beschlossen:
Der Senat hält daran fest, daß dann, wenn ein Urteil statt
mit dem Rechtsmittel der Berufung mit dem der Revision
angefochten werden kann (Sprungrevision), der Beschwerdeführer,
der in der Einlegungsfrist Berufung eingelegt
hat, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist erklären
darf, daß er von der ursprünglich gewählten Berufung
zur Revision übergeht (BGHSt 5, 338).
G r ü n d e
I.
Das Amtsgericht Dresden hat den Angeklagten am 14. März 2002 wegen
vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen
hat der Verteidiger fristgerecht mit Fernkopie vom 21. März 2002 Berufung
eingelegt und am Tag der Urteilszustellung mitgeteilt, der Angeklagte
erwäge, in das Rechtsmittel der Revision zu wechseln. Mit Schriftsatz vom
29. Mai 2002 hat er erklärt, daß er nunmehr die eingelegte Berufung als Revision
führe. Zugleich hat er einen Revisionsantrag gestellt und das Rechtsmittel
mit einer Verfahrensrüge und der allgemeinen Sachrüge begründet.
Das Amtsgericht Dresden hat die Revision mit Beschluß vom 16. Juli 2002
nach § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, weil die Revisionsanträge
verspätet eingegangen seien. Dagegen hat sich der Verteidiger mit seinem
an das Revisionsgericht gerichteten Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO gewandt
und unter Vorlage eines Sendeberichts und eines Vermerks seiner Sekretärin
vorgetragen, daß die Revisionsanträge und die Revisionsbegründung
noch vor Ablauf der Frist dem Amtsgericht übermittelt worden seien.
- 3 -
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, den Verwerfungsbeschluß
des Amtsgerichts Dresden ebenso wie dessen Urteil aufzuheben
und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht
Dresden zurückzuverweisen.
Auch das Oberlandesgericht Dresden erachtet die Revisionsbegründungsschrift
als fristgerecht eingegangen. Es vertritt aber die Auffassung, der
Wechsel von einem in der Einlegungsfrist eindeutig als Berufung bezeichneten
Rechtsmittel zur Revision sei während der Revisionsbegründungsfrist
unzulässig, mit der Folge, daß es bei der eingelegten Berufung verbleibe.
Der vorlegende Strafsenat sieht Nachteile eines unbestimmten Prozeßverlaufs,
insbesondere in einer Verzögerung der Aktenvorlage an das Berufungsgericht
und in einem vergeblichen erhöhten Begründungsaufwand bei
allen amtsgerichtlichen Urteilen, die letztlich nicht einer revisionsgerichtlichen
Überprüfung unterzogen werden. Das Oberlandesgericht beabsichtigt daher,
den Beschluß des Amtsgerichts vom 16. Juli 2002 aufzuheben, sich im übrigen
für unzuständig zu erklären und die Sache an das Landgericht Dresden
zur Entscheidung über die Berufung zu verweisen.
Das Oberlandesgericht sieht sich an der beabsichtigten Entscheidung
aber durch die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 20. November 1953
(BGHSt 5, 338 ff.), 19. März 1974 (BGHSt 25, 321 ff.), 19. April 1985
(BGHSt 33, 183 ff.) und vom 25. Januar 1995 (BGHSt 40, 395 ff.) sowie
durch die Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom
30. Juni 1989 (BayObLGE 1989, 107) und des Oberlandesgerichts Köln vom
16. Januar 1996 (NStZ-RR 1996, 175) gehindert. Es hat die Sache daher
durch Beschluß vom 28. März 2003 gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof
zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:
„Wird daran festgehalten, daß es nach eindeutiger Wahl des Rechtsmittels
der Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts zulässig ist, nach
Ablauf der Frist für die Einlegung des Rechtsmittels der Revision, aber vor
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Ablauf der Revisionsbegründungsfrist, von der Berufung auf das Rechtsmittel
der Revision überzugehen?“
II.
Die Voraussetzung für eine Vorlegung nach § 121 Abs. 2 GVG sind
gegeben.
Durch die beabsichtigte Sachbehandlung würde das Oberlandesgericht
Dresden in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der tragenden
Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte
abweichen. Der Wortlaut der Vorschrift verbietet die Vorlage einer
Rechtsfrage, über die bereits entschieden ist, nicht.
Der Vorlegung steht auch nicht entgegen, daß die Rechtsauffassung
des Oberlandesgerichts nicht zu einer das Verfahren beendenden Entscheidung,
sondern zur Abgabe des Verfahrens an das Berufungsgericht führen
soll (vgl. BGHSt 40, 395, 397). Denn die Abgabe enthält zugleich die Entscheidung,
das Rechtsmittel der Sprungrevision sei - nach der Wahl des
Rechtsmittels der Berufung - unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO).
Nach dem vom Oberlandesgericht geschilderten Verfahrensgang liegt
auch eine zweifelsfreie Festlegung des Rechtsmittels als Berufung (vgl.
BGHSt 13, 388, 392; 25, 321, 324; 33, 183, 189) nicht vor, was eine Entscheidung
der Vorlegungsfrage nicht gebieten würde.
III.
1. Der Senat hält an der bisherigen Rechtsprechung fest. Falls ein
Urteil sowohl mit der Berufung als auch mit der (Sprung-) Revision angefochten
werden kann (§ 335 StPO), ist der Übergang vom Rechtsmittel der
Berufung zum Rechtsmittel der Revision grundsätzlich auch dann noch zu-
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lässig, wenn der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel bereits ausdrücklich als
Berufung bezeichnet hat, vorausgesetzt, die für den Übergang erforderliche
Erklärung erfolgt innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1
StPO (BGHSt 5, 338 f.; 13, 388; 17, 44; 33, 183, 187; 40, 395, 398). Diese
Auffassung wird vom Schrifttum geteilt (Hanack in Löwe/Rosenberg,
StPO 25. Aufl. § 335 Rdn. 15; Mutzbauer in KMR Lfg. Juli 2001 § 335
Rdn. 11; Frisch in SK-StPO 3. Aufbau-Lfg. Rdn. 250-252 vor § 296; Kuckein
in KK 5. Aufl. § 335 Rdn. 4; Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 335 Rdn. 10;
Temming in HK-StPO 3. Aufl. § 335 Rdn. 4; Pfeiffer, StPO 4. Aufl. § 335
Rdn. 3). Sie findet ihre sachliche Rechtfertigung darin, daß bei dem auf eine
Vereinfachung des Verfahrens gerichteten Zweck der Sprungrevision (vgl.
BGHSt 5, 338, 339; Hanack aaO Rdn. 1) den Interessen des Beschwerdeführers
an der Sicherung und Effektuierung seines Rechtsmittelwahlrechts
(vgl. BGHSt 33, 183, 188) größeres Gewicht beizumessen ist als den Geboten
der Klarheit von Prozeßerklärungen und der Bestimmtheit des weiteren
Prozeßverlaufs (vgl. Hanack aaO Rdn. 15 m.w.N.). Hinzu treten Gründe prozessualer
Fairneß, die es verbieten, einen Beschwerdeführer an einer Erklärung
festzuhalten, die er ohne Kenntnis der schriftlichen Urteilsgründe, mithin
voreilig, abgegeben hat (vgl. BGHSt 2, 63, 65; 5, 338, 339; 33, 183, 188;
Frisch in SK-StPO 31. Aufbau-Lfg. § 335 Rdn. 9).
2. Die dagegen erhobenen Einwände des Oberlandesgerichts überzeugen
nicht in einer Weise, daß Anlaß bestünde, von einer gefestigten
Rechtsprechung abzuweichen.
Der Senat stellt maßgeblich darauf ab, daß eine nunmehr 50 Jahre
ohne nennenswerte Einwände bestehende Rechtspraxis (vgl. Fezer JR
1996, 38, 39) zu einer gewissen Rechtssicherheit bei der Anwendung des
§ 335 StPO geführt hat (vgl. schon BGHSt 33, 183, 188). Dies gilt insbesondere
im Hinblick darauf, daß grundsätzlich auch ein Wechsel von der zunächst
erklärten Revision zur Berufung in Rechtsprechung und Schrifttum
- ebenfalls bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - für zulässig
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gehalten wird (vgl. BGHSt 17, 44, 46 ff.; 33, 183, 188; Hanack aaO § 335
Rdn. 17 f.; Frisch aaO § 335 Rdn. 9). In das - nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs - einheitlich ausgestaltete Wahlrechtsmittel des § 335
StPO einzugreifen, wäre wegen eines damit verbundenen Verlusts an
Rechtssicherheit nur bei erkennbar gewichtigen Vorteilen für die Effizienz
des Rechtsmittelverfahrens angezeigt.
Solche Vorteile läßt der Vorlagebeschluß des Oberlandesgerichts insgesamt
- ungeachtet einzelner für sich betrachtet bedenkenswerter Erwägungen
- nicht erkennen. Eine Änderung der Rechtsprechung, zumal unter
Einschaltung des Verfahrens nach § 132 GVG, zieht der Senat daher - auch
in Anbetracht dessen, daß diese Fälle eher selten vorkommen (vgl.
Feuerhelm StV 1997, 99, 105; BT-Drucks. 13/4284 S. 2) - nicht in Betracht.
Das gilt zumal, als sich ein Großteil der vom Oberlandesgericht bezeichneten
Einwände insgesamt auf die derzeit noch verbindliche Ausgestaltung der
Sprungrevision beziehen.
Die Vorlegungsfrage ist daher entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts,
wie aus dem Leitsatz ersichtlich, zu beantworten.
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