BGH,
Beschl. v. 3.12.2003 - 5 StR 473/03
5 StR 473/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
3.12.2003
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3.12.2003
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. April 2003 nach
§ 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen tateinheitlich begangenen
zweifachen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren
verurteilt
(§ 212, § 213 Alt. 1 StGB). Die hiergegen gerichtete,
wirksam auf den
Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat, wie
vom Generalbundesanwalt
beantragt, Erfolg.
Nach den Feststellungen der Strafkammer tötete der Angeklagte
seine
Lebensgefährtin und deren Bruder mit zahlreichen
Messerstichen. Der Tat
war eine höchst problematische Beziehung vorausgegangen, in
deren Verlauf
der Angeklagte sich seiner Lebensgefährtin völlig
untergeordnet hatte,
während sie ihn vielfach demütigte, massiv belog und
hinterging. Zwei oder
drei Tage vor der Tat eröffnete sie ihm, daß sie ihn
nur ausgenutzt und ihr
Ziel erreicht habe, ihn komplett an die Wand zu spielen. Sie und ihr
ebenfalls
anwesender Bruder bezeichneten den Angeklagten wiederholt als
„Looser“.
Als der Angeklagte am Tattag in die gemeinsame Wohnung kam, fand er
seine Lebensgefährtin und deren Bruder - beide nur leicht
bekleidet und Al-
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kohol trinkend - im „Ehebett“ liegend vor. Schon
zuvor hatte der Angeklagte
den Eindruck gehabt, daß die „Geschwister etwas
miteinander hätten“. Im
Zuge des sich dann entwickelnden heftigen Streits, in dem die
spätere
Geschädigte den Angeklagten weiter demütigte, geriet
der Angeklagte in
hochgradig affektive Erregung und tötete sodann seine
Lebensgefährtin mit
40 und deren Bruder mit 17 Messerstichen.
Insbesondere angesichts der fortlaufenden Kränkungen hat die
Strafkammer
rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB
bejaht.
Diesen Strafrahmen hat das Landgericht weiter gemäß
§ 21 i.V.m. § 49 StGB
gemildert, da die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur
Tatzeit aufgrund
einer hochgradig affektiven Erregung in Form eines protahierten Affekts
erheblich
vermindert gewesen sei (UA S. 55, 64).
Bei dieser Sachlage ist es rechtsfehlerhaft, bei der konkreten
Strafzumessung
dem Angeklagten die „intensive und brutale
Vorgehensweise“
- namentlich die Vielzahl von Messerstichen gegen beide Opfer (UA S.
65) -
uneingeschränkt zur Last zu legen. Die Ausführungen
der Strafkammer lassen
besorgen, daß sie dieser Tatmodalität ein zu
großes Gewicht zu
Lasten des Angeklagten zuerkannt hat. Handlungsmodalitäten,
die weniger
Ausdruck einer sich frei entfaltenden verbrecherischen Energie, sondern
- wie hier - eher Anzeichen für die Stärke einer
seelischen Beeinträchtigung
sind, dürfen einem vermindert Schuldfähigen
grundsätzlich nicht uneingeschränkt
angelastet werden (vgl. BGHR StGB § 21 Strafzumessung 7, 11,
12, 14). Das brutale Vorgehen des Angeklagten ist nach den
Feststellungen
eher als Folge eines sinnlosen, zeitweise blindwütigen
Ausbruchs zu begreifen
und nicht als Indiz für besondere verbrecherische Energie.
Ferner hätte dem Angeklagten nicht angelastet werden
dürfen, daß er
„durch das Wegwerfen des Tatmessers Spuren vernichtete und
durch die
zunächst berichtete Legende von zwei ausländischen
Tätern seine Täterschaft
verdecken wollte“ (UA S. 65). Das Vernichten von Tatspuren
ist für die
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Bemessung der Schuld regelmäßig ebensowenig von
Bedeutung wie die
pauschale Angabe, andere hätten die dem Täter
vorgeworfene Tat begangen
(vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 17, 18 und
Verteidigungsverhalten
10).
Das Revisionsgericht kann nicht mit letzter Sicherheit
ausschließen,
daß der Tatrichter ohne die fehlerhaften Erwägungen
zu einer noch milderen
Strafe gelangt wäre. Angesichts der bloßen
Wertungsfehler bedarf es der
Aufhebung von Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) nicht. Der
neue Tatrichter
wird die Strafzumessung auf der Grundlage der bislang rechtsfehlerfrei
getroffenen Feststellungen vorzunehmen haben, die er allenfalls durch
weitere
Feststellungen ergänzen darf, die den bisherigen nicht
widersprechen.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß eine
strafschärfende Berücksichtigung
generalpräventiver Gesichtspunkte nur möglich ist,
wenn eine
gemeinschaftsgefährliche Zunahme solcher oder
ähnlicher Straftaten, wie
sie zur Aburteilung stehen, festgestellt worden ist (vgl. BGH wistra
2002,
260 m. w. N.).
Harms Häger Basdorf
Raum Schaal |