BGH,
Beschl. v. 3.11.2005 - 3 StR 333/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 333/05
vom
3.11.2005
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
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VereinsG § 20 Abs. 1 Nr. 3;
StGB § 85 Abs. 2
Der bloße Bezug der Zeitschrift einer verbotenen Vereinigung
reicht nicht für die Annahme der Unterstützung ihres
organisatorischen Zusammenhalts aus.
BGH, Beschl. vom 3.11.2005 - 3 StR 333/05 - LG Koblenz
in der Strafsache
gegen
wegen Zuwiderhandelns gegen ein Vereinigungsverbot u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 3.11.2005
gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Koblenz vom 6.06.2005 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen einer Zuwiderhandlung gegen
ein Vereinsverbot nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 VereinsG und wegen
eines Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot nach §
85 Abs. 2 StGB zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Die Revision des
Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Der Angeklagte war seit Herbst 2001 Abonnent der Wochenzeitschrift
"Ümmet-I-Muhammed" des Vereins "Kalifatsstaat" zu einem
Bezugspreis von jährlich 80 DM. Mit Verfügung des
Bundesministers des Inneren vom 8. Dezember 2001 wurde der Verein
vollziehbar verboten. Das Verbot ist seit 27. November 2002
bestandskräftig. Der Vertrieb der Vereinszeitschrift wurde ab
dem 21. Dezember 2001 unter der Bezeichnung "Beklenen Asr-I Saadet"
fortgesetzt, um den organisatorischen Zusammenhalt der
Anhängerschaft zu gewährleisten. Der Angeklagte bezog
sie bis Ende Dezember 2003. Ferner vermittelte er dem Zeugen C. zu
einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt ein Abonnement und
nahm hierfür den Betrag von 80 DM zur Weiterleitung entgegen.
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Das Landgericht hat den Bezug der Zeitschrift durch den Angeklagten
selbst und die Vermittlung eines weiteren Abonnements an den Zeugen C.
als eine Unterstützung des organisatorischen Zusammenhalts des
verbotenen Vereins beurteilt. Es hat für den Zeitraum bis zur
Bestandskraft des Verbots am 27. November 2002 eine Tat der
Zuwiderhandlung gegen ein - vollziehbares - Vereinsverbot nach
§ 20 Abs. 1 Nr. 3 VereinsG und für den Folgezeitraum
eine weitere Tat des Verstoßes gegen ein - unanfechtbares -
Vereinigungsverbot nach § 85 Abs. 2 StGB angenommen.
2. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung
nicht stand. Die Unterstützung des organisatorischen
Zusammenhalts einer - vorläufig vollziehbar oder unanfechtbar
- verbotenen Vereinigung im Sinne der Vorschriften des § 20
Abs. 1 Nr. 3 VereinsG oder des § 85 Abs. 2 StGB setzt voraus,
dass das Handeln des Täters auf die Aufrechterhaltung des
organisatorischen Zusammenhalts gerichtet und geeignet ist, eine
für diesen vorteilhafte Wirkung hervorzurufen (BGH NJW 2005,
2164); bloße Unterstützungshandlungen, die nicht
unmittelbar die Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts
zum Ziel haben oder ihn allenfalls reflexartig fördern,
genügen dabei ebenso wenig wie
Unterstützungshandlungen von nur untergeordneter Bedeutung
(vgl. BGHSt 26, 256, 260 f.). Nach diesen Maßstäben
sind die Voraussetzungen einer tatbestandsmäßigen
Unterstützungshandlung bislang nicht belegt.
Zwar dient die wöchentliche Herausgabe einer Vereinszeitung
nach ihrem Sinn und Zweck auch der Aufrechterhaltung und
Stärkung des organisatorischen Zusammenhalts eines verbotenen
Vereins. Dementsprechend stellen sich die Verteilung der Zeitung wie
auch die Ausübung anderer Funktionen innerhalb der
Verteilerorganisation als tatbestandsmäßiges
Unterstützen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 3 VereinsG
dar (BGH NJW 2005, 2164 f.). Entspre-
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chende Handlungen des Angeklagten sind dem angefochtenen Urteil jedoch
nicht zu entnehmen.
a) Die Vermittlung eines Abonnements an den Zeugen C. und die
Weiterleitung des Entgeltes von 80 DM können die Verurteilung
schon deswegen nicht tragen, weil nicht festgestellt ist, dass diese
zeitlich nicht eingeordneten Handlungen nach Erlass der
Verbotsverfügung am 8. Dezember 2001 erfolgten und damit einen
verbotenen Verein betrafen.
b) Der bloße Abonnementsbezug jeweils eines Exemplars der
Zeitschrift der verbotenen Vereinigung durch den Angeklagten selbst
stellt noch keine tatbestandsmäßige
Unterstützung des organisatorischen Zusammenhalts des Vereins
dar. Wer als Mitglied oder Außenstehender eine Zeitschrift
bezieht, erbringt - ähnlich wie etwa ein Teilnehmer einer
Vereinsveranstaltung - nicht selbst eine organisationsbezogene Leistung
für den Verein, sondern nimmt lediglich das Ergebnis
entsprechender organisatorischer Bemühungen derjenigen in
Anspruch, die für die Herausgabe und Verteilung der Zeitung
sorgen. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass ein Abonnent durch den
regelmäßigen Bezug der Zeitung, insbesondere die
Entrichtung des Entgelts, zum Erfolg der Vereinszeitschrift einen
gewissen Beitrag erbringen mag. Der damit verbundenen
Förderung des verbotenen Vereins - ein darüber hinaus
gehender Spendencharakter des Entgelts ist nicht festgestellt - kommt
indes unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung seines
organisatorischen Zusammenhalts allenfalls eine mittelbare und in der
Regel lediglich unerhebliche Bedeutung zu; das reicht als
tatbestandsmäßige Unterstützungshandlung
nicht aus.
Würde man den bloßen Bezug der Zeitschrift
für die Tatbestandserfüllung genügen lassen,
wäre der Unterschied zwischen spezifischen organisati-
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onsbezogenen Handlungen, wie sie von den Vorschriften des § 20
Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VereinsG, § 85 Abs. 2 StGB oder §
84 Abs. 2 StGB vorausgesetzt werden, und einfachen
Unterstützungshandlungen etwa nach § 129 Abs. 1 und
§ 129 a Abs. 5 StGB (vgl. BGH NJW 2005, 2164 f.) verwischt. Es
entstünde zudem ein Wertungswiderspruch zur Rechtslage bei der
Beteiligung eines Mitglieds in einer verbotenen Vereinigung nach
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG, § 85 Abs. 2 StGB oder
§ 84 Abs. 2 StGB. Denn hierzu wird allgemein die Auffassung
vertreten, dass die passive Mitgliedschaft, mag sie auch mit der
Bezahlung eines Beitrags verbunden sein, für die
Erfüllung des Tatbestandes nicht ausreicht, vielmehr eine
aktive Betätigung zur Verwirklichung der Vereinsziele zu
fordern ist (BTDrucks. 5/2860 S. 6; Rudolphi in SK-StGB, § 84
Rdn. 12 m. w. N.).
3. Das Urteil kann danach keinen Bestand haben und die Sache bedarf
neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat kann nicht
ausschließen, dass ein neuer Tatrichter weitergehende, eine
organisationsbezogene Unterstützung oder eine aktive
mitgliedschaftliche Betätigung (vgl. BGH NJW 2005, 2164, 2166;
zur Indizwirkung des Zeitungsbezuges Laufhütte in LK 11. Aufl.
§ 85 Rdn. 9) belegende Feststellungen treffen kann.
Gegebenenfalls wird auch
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zu berücksichtigen sein, dass allein durch den Eintritt der
Bestandskraft des Vereinsverbotes eine an sich einheitliche
Unterstützungshandlung oder aktive Betätigung als
Mitglied nicht in zwei selbständige Taten aufgespaltet wird.
Tolksdorf Miebach Winkler Pfister Hubert |