BGH,
Beschl. v. 30.4.2009 - 1 StR 745/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 745/08
vom
30. April 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_____________________
StPO § 52 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1, § 154 Abs. 1
und 2
Das Zeugnisverweigerungsrecht, das der Angehörige eines
Beschuldigten im Verfahren gegen einen Mitbeschuldigten hat, erlischt,
wenn das gegen den angehörigen Beschuldigten geführte
Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wird, auch
bezüglich solcher Tatvorwürfe, hinsichtlich deren das
Verfahren gemäß § 154 Abs. 1 oder Abs. 2
StPO eingestellt worden ist (im Anschluss an BGHSt 38, 96 sowie BGHR
StPO § 52 Abs. 1 Nr. 3 Mitbeschuldigter 7 und 9).
BGH, Beschl. vom 30. April 2009 - 1 StR 745/08 - LG Augsburg
in der Strafsache
gegen
- 2 -
wegen Steuerhinterziehung u.a.
- 3 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. April 2009
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg
vom 13. August 2008 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht Augsburg hat den Angeklagten wegen
Umsatzsteuerhinterziehung in neun Fällen und wegen versuchter
Umsatzsteuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des
Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts
rügt, ist aus den Gründen der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedürfen lediglich die
Verfahrensrügen, mit denen der Beschwerdeführer die
Verletzung von § 52 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 StPO und von
§ 252 StPO geltend macht.
1
1. Zum Verfahrensablauf trägt die Revision folgendes vor:
2
Das Ermittlungsverfahren habe sich zunächst gegen den
Angeklagten und die damaligen Mitbeschuldigten Z. und B. , den Neffen
Z. s, gerichtet. Gegen diese drei Personen habe die Staatsanwaltschaft
am 2. Mai 2006 Anklage zum Landgericht Augsburg erhoben, das mit
Beschluss vom
3
- 4 -
31. Juli 2006 das Hauptverfahren eröffnet habe. Bereits am
ersten Hauptverhandlungstag sei das Verfahren gegen den Angeklagten
abgetrennt und ausgesetzt worden, nachdem Z. und B. - im Gegensatz zum
nicht geständigen Angeklagten - eine geständige
Einlassung angekündigt hätten. Nach Teileinstellung
des Verfahrens durch Gerichtsbeschluss gemäß
§ 154 Abs. 2 StPO seien mit Urteil vom 23. Oktober 2006 Z.
wegen Umsatzsteuerhinterziehung in drei Fällen (betreffend die
Umsatzsteuerjahreserklärungen 2000 bis 2002) zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren und B. wegen
Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung (betreffend die
Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Juni bis November
2003) zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von
einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Beide Verurteilungen
seien rechtskräftig; B. habe auf Rechtsmittel verzichtet, die
von Z. eingelegte Revision sei am 12. September 2007 vom
Bundesgerichtshof verworfen worden.
In der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten seien dann Z. und B. am
11. August 2008 als Zeugen vernommen worden, dabei auch zu
Tatvorwürfen, die in ihren eigenen Verfahren von der
Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 2
StPO erfasst worden seien. Eine Belehrung von Z. und B. über
ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52
Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 StPO sei dabei nicht erfolgt.
4
In derselben Hauptverhandlung habe das Landgericht auch den Zeugen K. ,
einen Sohn Z. s, vernommen. Auch er sei nicht über ein
Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden. Zwar habe er umfassend von
seinem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch
gemacht. Das Landgericht habe jedoch seine Angaben aus einer
Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungsverfahren durch Vernehmung der
Vernehmungsbeamten der Steuer-
5
- 5 -
fahndung in die Hauptverhandlung eingeführt und zur
Verurteilung des Angeklagten herangezogen.
2. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass die Angaben
der Zeugen Z. und B. im Verfahren gegen den Angeklagten nicht
verwertbar seien, weil ihnen ein Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden
habe, über das sie entgegen § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO
nicht belehrt worden seien. Zwar sei der Angeklagte mit diesen Personen
nicht verwandt; den Zeugen habe jedoch untereinander wegen ihres
Verwandtschaftsverhältnisses ein Zeugnisverweigerungsrecht
gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO zugestanden.
Im Hinblick auf die frühere prozessuale Gemeinsamkeit habe
dieses Zeugnisverweigerungsrecht trotz Verfahrensabtrennung auch im
Verfahren gegen den Angeklagten bestanden. Dieses Recht sei auch nicht
hinsichtlich solcher Tatvorwürfe erloschen, hinsichtlich deren
die Strafverfahren gegen Z. und B. zuvor gemäß
§ 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden seien. Im Hinblick auf
die Möglichkeit der Wiederaufnahme entfalte diese Einstellung
- anders als eine rechtskräftige Verurteilung oder ein
rechtskräftiger Freispruch - nur eine beschränkte
Sperrwirkung und führe deshalb nicht zu einem
Erlöschen des Zeugnisverweigerungsrechts. Der Verwertung der
Angaben der Vernehmungsbeamten der Steuerfahndung als Zeugen in der
Hauptverhandlung stehe gemäß § 252 StPO
ebenfalls ein Beweisverwertungsverbot entgegen, soweit durch deren
Vernehmung die Angaben des Zeugen K. in die Hauptverhandlung
eingeführt worden seien, die er als Beschuldigter im
Ermittlungsverfahren gemacht habe. Der Verwertung stehe entgegen, dass
der Zeuge K. damals nicht über sein Zeugnisverweigerungsrecht
nach § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO belehrt worden sei. Die
Verurteilung des Angeklagten beruhe auf diesen
Verfahrensverstößen, denn die Strafkammer habe ihre
Überzeugung von der Schuld des Angeklagten auch auf diese
Zeugenaussagen gestützt.
6
- 6 -
3. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg; sie sind
jedenfalls unbegründet. Das Landgericht hat bei den Zeugen Z.
und B. nicht gegen die Belehrungspflicht aus § 52 Abs. 3 Satz
1 StPO verstoßen und war auch nicht nach § 252 StPO
gehindert, die von dem Zeugen K. im Ermittlungsverfahren gemachten
Angaben durch Vernehmung der damaligen Vernehmungsbeamten in die
Hauptverhandlung einzuführen. Zwar waren die Zeugen Z. , B.
und K. jeweils Angehörige eines früheren
Mitbeschuldigten im Sinne des § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO. Das sich
aus dieser Vorschrift ergebende Zeugnisverweigerungsrecht war zum
Zeitpunkt der jeweiligen Vernehmung der Zeugen jedoch bereits
erloschen, weil die Strafverfahren gegen die Zeugen Z. und B. bereits
beendet waren, zum Teil durch rechtskräftige Verurteilung, im
Übrigen durch gerichtliche Einstellung nach § 154
Abs. 2 StPO.
7
a) Allerdings ist ein Zeuge nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs hinsichtlich aller Beschuldigter zur Verweigerung
des Zeugnisses gemäß § 52 Abs. 1 StPO
berechtigt und hierüber auch zu belehren, wenn sich ein
einheitliches Verfahren gegen mehrere Beschuldigte richtet und der
Zeuge jedenfalls zu einem von ihnen in einem von § 52 Abs. 1
StPO erfassten Angehörigenverhältnis steht, sofern
der Sachverhalt, zu dem er aussagen soll, auch seinen
Angehörigen betrifft (vgl. BGHR StPO § 52 Abs. 1 Nr.
3 Mitbeschuldigter 12 m.w.N.). Nach überkommener
Rechtsprechung erlischt dieses Zeugnisverweigerungsrecht selbst dann
nicht, wenn der Angehörige des Zeugen später aus dem
Verfahren gegen den Angeklagten ausscheidet (vgl. nur BGHSt 34, 138,
139).
8
- 7 -
b) Ob hieran festzuhalten ist oder ob das Zeugnisverweigerungsrecht des
Zeugen nur solange Bestand haben kann, wie das Verfahren auch gegen
einen seiner Angehörigen geführt wird, und daher auch
nur insoweit als Rechtsreflex nicht-angehörige Beschuldigte
begünstigt (vgl. dazu BGHSt 38, 96, 99), braucht der Senat
nicht zu entscheiden. Denn nach der Rechtsprechung besteht ein
Zeugnisverweigerungsrecht in dem Verfahren gegen den
nicht-angehörigen Beschuldigten jedenfalls dann nicht mehr,
wenn das zwischen den Angehörigen eines früheren
Mitbeschuldigten und dem jetzigen Beschuldigten geknüpfte Band
so schwach geworden ist, dass es den empfindlichen Eingriff, den die
Zeugnisverweigerung für den noch vor Gericht stehenden
Beschuldigten bedeutet, nicht mehr rechtfertigt (vgl. BGHSt 38, 96,
101; BGHR StPO § 52 Abs. 1 Nr. 3 Mitbeschuldigter 9). Als
Fallgruppen sind in der Rechtsprechung anerkannt die Fälle des
endgültigen Abschlusses des Verfahrens gegen den
Mitbeschuldigten durch dessen rechtskräftige Verurteilung
(vgl. BGHSt 38, 96, 101), seinen rechtskräftigen Freispruch
(vgl. BGHR StPO § 52 Abs. 1 Nr. 3 Mitbeschuldigter 9) oder
seinen Tod (vgl. BGHR StPO § 52 Abs. 1 Nr. 3 Mitbeschuldigter
7).
9
c) Ob Entsprechendes auch dann gilt, wenn der Mitbeschuldigte nach
vorläufiger Einstellung gemäß §
153a StPO die ihm gesetzten Auflagen und Weisungen erfüllt
(§ 153a Abs. 1 Satz 4 StPO) und nach Sachlage ausgeschlossen
werden kann, dass die Tat noch als Verbrechen verfolgt werden kann, hat
der Bundesgerichtshof offen gelassen (vgl. BGHR StPO § 52 Abs.
1 Nr. 3 Mitbeschuldigter 12). Dies bedarf auch hier keiner Entscheidung.
10
d) Jedenfalls bedürfen aber die bislang anerkannten
Fallgruppen eines Erlöschens des Zeugnisverweigerungsrechts
bei Beendigung des Strafverfahrens der Erweiterung um den Fall einer
Verfahrenseinstellung gemäß § 154
11
- 8 -
StPO bei rechtskräftiger Verurteilung des Mitbeschuldigten. Im
Hinblick auf die sehr eingeschränkten Möglichkeiten
der Wiederaufnahme des Verfahrens nach einer solchen
Verfahrenseinstellung erlischt das Zeugnisverweigerungsrecht, das der
Angehörige eines Mitbeschuldigten im Verfahren gegen den
Beschuldigten hat, wenn das gegen den Mitbeschuldigten
geführte Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wird,
auch bezüglich solcher Tatvorwürfe, hinsichtlich
deren das Verfahren gemäß § 154 StPO
eingestellt worden ist. Ob es sich bei der Teileinstellung des
Verfahrens um eine solche nach § 154 Abs. 2 StPO durch das
Gericht handelt, oder ob die Staatsanwaltschaft
gemäß § 154 Abs. 1 StPO die
Verfahrenseinstellung vorgenommen hat, ist insoweit ohne Bedeutung.
Begründet wird das Fortbestehen des Zeugnisverweigerungsrechts
für den Zeugen nach Ausscheiden seines Angehörigen
aus dem Verfahren vor allem damit, dass das familiäre
Verhältnis zwischen Zeugen und Angehörigen
geschützt, d.h. der Familienfrieden gewahrt werden soll (vgl.
BGHSt 38, 96, 99). Dieser Ansatz begegnet indes bereits vor dem
Hintergrund, dass sich das Verfahren nicht mehr gegen den
Angehörigen richtet, unter dem Gesichtspunkt effektiver
Strafverfolgung (vgl. BVerfG, Beschl. vom 18. März 2009 - 2
BvR 2025/07) erheblichen rechtlichen Bedenken; zudem handelt es sich
für den nicht-angehörigen Beschuldigten um einen von
außen kommenden, fremden und zufälligen Eingriff in
sein Verfahren (vgl. BGHSt aaO). Ein fortbestehendes
Zeugnisverweigerungsrecht wäre daher allenfalls in solchen
Fällen anzuerkennen, in denen noch ernsthaft mit einer
weiteren Verfolgung des Angehörigen wegen der
zunächst gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe zu rechnen
ist. Ist aber das Verfahren gegen den Angehörigen des Zeugen,
der zunächst Mitbeschuldigter war, durch Verfahrenseinstellung
nach § 154 Abs. 1 oder Abs. 2 StPO im Hinblick auf seine
rechtskräftige Verurteilung wegen anderer Taten beendet,
12
- 9 -
kommt grundsätzlich eine weitere Verfolgung dieser
Tatvorwürfe nicht mehr in Betracht. Es ist daher
regelmäßig auch nicht mehr zu besorgen, dass der
Zeuge durch seine Aussage im Verfahren gegen andere Beschuldigte den
Familienfrieden erheblich gefährden und in eine seelische
Zwangslage geraten könnte. Der von § 52 Abs. 1 StPO
bezweckte Schutz der familiären Interessen des Zeugen hat
deshalb in solchen Fällen hinter dem Erfordernis einer
wirksamen Strafverfolgung bezüglich eines Beschuldigten
zurückzutreten, der nicht aufgrund persönlicher
Umstände, sondern lediglich aufgrund einer -
zufälligen - früheren prozessualen Gemeinsamkeit mit
dem früheren Mitbeschuldigten und dem Zeugen verbunden ist.
aa) Die Einstellung des Verfahrens gemäß §
154 StPO durch die Staatsanwaltschaft oder durch das Gericht
führt - anders als eine Einstellung gemäß
§ 170 Abs. 2 StPO - regelmäßig zu einer
endgültigen Beendigung der strafrechtlichen Verfolgung des
Beschuldigten, wenn die Verfahrenseinstellung im Hinblick auf eine
anderweitige bereits erfolgte oder im Zeitpunkt der Einstellung erst zu
erwartende Verurteilung vorgenommen worden ist, die dann in Rechtskraft
erwachsen ist.
13
Der gerichtliche Einstellungsbeschluss nach § 154 Abs. 2 StPO
beendet nicht nur die gerichtliche Anhängigkeit des von ihm
betroffenen Teils der Anklage und schafft insoweit ein
Verfahrenshindernis (vgl. BGH, Beschl. vom 16. Dezember 2008 - 4 StR
559/08), sondern er erlangt - unter bestimmten Voraussetzungen - auch
Rechtskraft (vgl. BGHSt 30, 197, 198). Die Möglichkeit der
Wiederaufnahme eines durch Gerichtsbeschluss nach § 154 Abs. 2
StPO eingestellten Verfahrens ist bereits aus Gründen des
verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG)
erheblich eingeschränkt (vgl. § 154 Abs. 3 und 4
StPO). Je umfangreicher die Möglichkeiten für eine
Ermittlung des
14
- 10 -
Schuldvorwurfs und je ausgeprägter die Sicherungen
für eine sachgerechte Entscheidung waren, umso mehr Vertrauen
darf der Angeklagte in den Bestand und die Endgültigkeit der
getroffenen behördlichen Entscheidung setzen. Ein erneutes
Aufgreifen des gerichtlich eingestellten Verfahrens durch die
Staatsanwaltschaft kommt daher nur bei einem deutlich erhöhten
Schuldgehalt in Betracht, wenn sich die Tat nachträglich als
Verbrechen darstellt. Solches ist bei Steuerstraftaten mangels
Verbrechenstatbestandes freilich von vornherein ausgeschlossen. Der
gerichtliche Einstellungsbeschluss führt deshalb zu einem
beschränkten Strafklageverbrauch (vgl. BGHSt 48, 331 zum
Strafklageverbrauch bei einer Einstellung nach § 153 Abs. 2
StPO).
Demgegenüber bewirkt die Einstellung des Verfahrens durch die
Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 1 StPO
keinen Strafklageverbrauch und steht einer Fortsetzung des
Strafverfahrens grundsätzlich nicht entgegen. Vielmehr kann
die Staatsanwaltschaft das Verfahren jederzeit wieder aufnehmen (vgl.
BGH NStZ-RR 2007, 20 m.w.N.). Gleichwohl schafft aber auch die
staatsanwaltschaftliche Verfahrenseinstellung für den
Beschuldigten regelmäßig eine Vertrauensgrundlage.
Nach der Einstellung kann der Beschuldigte darauf vertrauen, dass der
von der Einstellung erfasste Tatvorwurf in einem anderen Verfahren
nicht ohne ausdrücklichen gerichtlichen Hinweis und ohne
prozessordnungsgemäße Feststellung des betreffenden
Tatgeschehens zu seinem Nachteil berücksichtigt wird (vgl.
BGHR StPO § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 4 m.w.N.; Beulke in
Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 153 Rdn. 87).
Darüber hinaus haben der Beschuldigte und die Allgemeinheit
ein schutzwürdiges Interesse an dem Bestand und der
Verlässlichkeit der von der Staatsanwaltschaft getroffenen
Entscheidung. Der Verfahrensabschluss befreit den Beschuldigten nicht
nur von einer erheblichen Belastung, die das Strafverfahren mit sich
bringt (vgl. Schroeder NStZ 1996, 319, 320), sondern er dient auch der
Rechtssicherheit
15
- 11 -
und dem Rechtsfrieden. Um diesen Interessen umfassend gerecht zu
werden, erfordert auch eine Einstellung des Strafverfahrens durch die
Staatsanwaltschaft nach dem Opportunitätsprinzip eine gewisse
Beständigkeit (vgl. Beulke aaO Rdn. 56). Eine Wiederaufnahme
eines durch die Staatsanwaltschaft eingestellten Verfahrens darf daher
nicht willkürlich, sondern nur bei Vorliegen eines sachlichen
Grundes erfolgen (vgl. BGHSt 37, 10, 13), um das Vertrauen des
Beschuldigten und der Allgemeinheit in den Bestand des
Verfahrensabschlusses nicht zu gefährden.
bb) Selbst in den Fällen, in denen nach einer
Verfahrenseinstellung gemäß § 154 StPO die
Fortführung der Strafverfolgung gegen den Angehörigen
grundsätzlich möglich ist, bedarf es in einem
Verfahren gegen einen nicht-angehörigen Beschuldigten zum
Schutz des Familienfriedens zwischen Zeugen und seinem
Angehörigen eines Zeugnisverweigerungsrechts
gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht.
Vielmehr kann der Zeuge auch ohne ein derartiges umfassendes
Aussageverweigerungsrecht die Auskunft auf solche Fragen verweigern,
deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1
StPO bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen
würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt
zu werden (§ 55 Abs. 1 StPO). Damit ist der Familienfrieden
zwischen dem Zeugen und seinem Angehörigen ausreichend
geschützt; der Beschuldigte, der nicht Angehöriger
des Zeugen ist, hat insoweit keine schützenswerte
Rechtsposition.
16
cc) Angesichts der sehr eingeschränkten Möglichkeiten
einer Wiederaufnahme eines gemäß § 154 StPO
im Hinblick auf eine rechtskräftige Verurteilung eingestellten
Verfahrens und des Umstandes, dass der Zeuge in einem Verfahren
aussagen soll, aus dem sein Angehöriger bereits ausgeschieden
ist, ist somit dem Erfordernis der effektiven Strafverfolgung der
Vorrang vor dem
17
- 12 -
Schutz des Familienfriedens zwischen dem Zeugen und seinem
Angehörigen durch Einräumung eines
Zeugnisverweigerungsrechts zu geben. Dieser Schutz ist durch das
Aussageverweigerungsrecht des § 55 Abs. 1 StPO hinreichend
gewährleistet.
d) Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Zeugen Z.
und B. nach ihrer rechtskräftigen Verurteilung auch
hinsichtlich der durch Gerichtsbeschluss gemäß
§ 154 Abs. 2 StPO eingestellten Verfahrensteile nicht mehr
berechtigt waren, im Verfahren gegen den Angeklagten das Zeugnis
gemäß § 52 Abs. 1 StPO zu verweigern. Eine
Wiederaufnahme der durch § 154 Abs. 2 StPO eingestellten
Verfahrensteile kam wegen des beschränkten
Strafklageverbrauchs schon deshalb nicht in Betracht, weil die
Möglichkeit, dass sich die ihnen zur Last liegenden
Steuerstraftaten als Verbrechen darstellen könnten, von
vornherein ausgeschlossen war. Der von der Revision vermissten
Belehrung über ein Zeugnisverweigerungsrecht
gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO bedurfte es
daher nicht.
18
- 13 -
Aus denselben Gründen stand auch dem Zeugen K. in der
Hauptverhandlung gegen den Angeklagten kein Zeugnisverweigerungsrecht
gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO zu. Die
Einführung der Aussage des Zeugen K. aus seiner
Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungsverfahren durch Vernehmung seiner
damaligen Vernehmungsbeamten war daher zulässig und
verstieß nicht gegen die Vorschrift des § 252 StPO.
19
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander |