BGH,
Beschl. v. 30.1.2001 - 4 StR 557/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 557/00
vom
30. Januar 2001
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 30. Januar 2001 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Zweibrücken vom 29. Mai 2000 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit er in den Fällen 9, 10 und 12 der
Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im gesamten Strafausspruch.
2. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf
Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Abgabe
von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren und mit
Bestimmen einer Person unter 18 Jahren zum unerlaubten Handeltreiben
mit Betäubungsmitteln, sowie wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier
Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit
seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen
Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge
teilweise Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Bestimmens einer Person unter
18 Jahren zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
in den Fällen 9, 10 und 12 der Urteilsgründe
hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Der Angeklagte veräußerte "auf Kommissionsbasis" im
Zeitraum Juni bis Oktober 1997 an Thorsten W. in insgesamt
zwölf Fällen Amphetamin in Teilmengen von 100 bis zu
250 Gramm. Hierbei war ihm bekannt, daß Thorsten W. das
Amphetamin zusammen mit Holger H. im Kreis Kaiserslautern
weiterverkaufte. Bei den ersten acht Lieferungen (Juni bis September
1997) übergab der Angeklagte das Rauschgift jeweils dem
Thorsten W. in dessen Wohnung persönlich. In drei
späteren Fällen (Oktober 1997) händigte er
das Rauschgift dem - wie er wußte - damals
16-jährigen Holger H. mit dem Auftrag aus, dieses an Thorsten
W. weiterzugeben.
Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen Bestimmens zum
Handeltreiben gemäß § 30 a Abs. 2 Nr. 1
BtMG.
Unter "Bestimmen" im Sinne dieser Vorschrift ist nach den allgemeinen,
zu § 26 StGB entwickelten Grundsätzen die
Einflußnahme auf den Willen eines anderen zu verstehen, die
diesen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt (vgl. dazu im
einzelnen BGHSt 45, 373 m.N.). Hierbei muß die
Willensbeeinflussung nicht die alleinige Ursache für das
Verhalten des anderen sein, vielmehr genügt bloße
Mitursächlichkeit (BGH aaO S. 374). Eine derartige
Einflußnahme auf den Willen des Minderjährigen durch
den Angeklagten wird jedoch durch die Urteilsfeststellungen nicht
belegt. Holger H. hatte - wie der Angeklagte wußte - bereits
im Anschluß an die acht früheren Lieferungen an
Thorsten W. gemeinsam mit diesem das Rauschgift weiterverkauft.
Angesichts dieses Umstandes versteht es sich nicht von selbst,
daß es einer (weiteren) Willensbeeinflussung durch den
Angeklagten bedurfte, um ihn in den ausgeurteilten Fällen zum
Handeltreiben zu veranlassen (vgl. auch Senatsbeschluß vom
17. August 2000 - 4 StR 233/00). Vielmehr liegt es durchaus nahe,
daß er zu diesem Zeitpunkt - etwa aufgrund einer mit Thorsten
W. getroffenen Absprache - zum Handel mit Betäubungsmittel
bereits fest entschlossen war. Das Rauschgift sollte hier - anders als
in dem in BGHSt 45, 373 entschiedenen Fall - auch nicht von dem
Minderjährigen zu von dem Angeklagten vorgegebenen Bedingungen
und für dessen Rechnung verkauft werden. Vielmehr
muß auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen davon
ausgegangen werden, daß "Geschäftspartner" des
Angeklagten allein Thorsten W. war, der seinerseits Holger H. in den
Weiterverkauf der Drogen miteinbezogen hat. Der bloße
Umstand, daß der Angeklagte dem Minderjährigen durch
das Überlassen von Rauschgift die Möglichkeit zum
unerlaubten Handeltreiben eröffnet hat, stellt noch kein
"Bestimmen" im Sinne des § 30 a Abs. 2 Nr. 1 BtMG dar (BGHSt
45, 373, 375). Die Verurteilung des Angeklagten kann daher insoweit
keinen Bestand haben. Dies führt in den betroffenen
Fällen auch zur Aufhebung der für sich gesehen
rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilungen wegen tateinheitlich
begangener Straftaten nach § 29 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 BtMG
(BGHR StPO § 353 Aufhebung 1; zur Konkurrenzfrage vgl. Weber,
BtMG § 29 a Rdnr. 26; § 30 a Rdnr. 59).
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung der in den
Fällen 9, 10 und 12 verhängten Einzelstrafen und der
Gesamtstrafe. Der Strafausspruch kann aber auch im übrigen
keinen Bestand haben.
Der Angeklagte hat nach den Urteilsfeststellungen bei seiner Festnahme
gegenüber der Polizei detaillierte Angaben über
seinen Lieferanten Alfred P. , dessen persönlichen
Verhältnisse sowie über die Einzelheiten seines
Rauschgiftsbezugs gemacht (UA 7). Das Landgericht hat eine
Strafmilderung nach § 31 BtMG versagt, "da der Polizei bereits
der Lieferant bekannt war" (UA 8). Diese Begründung
trägt - wie die Revision zu Recht rügt - die
Nichtanwendung des § 31 BtMG nicht. Sie
läßt schon nicht erkennen, ob P. der Polizei bereits
als Lieferant des Angeklagten oder nur allgemein als
Rauschgiftlieferant bekannt war. Jedenfalls gibt sie Anlaß zu
der Besorgnis, daß das Landgericht von einem zu engen
Verständnis des für die Anwendung von § 31
Nr. 1 BtMG vorausgesetzten Aufklärungsbeitrags ausgegangen
ist. Ein solcher kann nämlich auch dann zu bejahen sein, wenn
der Täter Angaben macht, die zwar mit Erkenntnissen der
Strafverfolgungsbehörden übereinstimmen,
darüber hinaus aber eine sicherere Grundlage für den
Nachweis der betreffenden Straftaten schaffen (vgl. BGHR BtMG
§ 31 Nr. 1 Aufdeckung 18 m.N.). Die Urteilsgründe
lassen die Möglichkeit offen, daß durch die
umfassende polizeiliche
Aussage des Beschwerdeführers in diesem Sinne ein weiterer
Aufklärungserfolg erzielt wurde.
Maatz Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |