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BGH, Beschluss vom 30. Juni 2004 - 2 StR 196/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 30.6.2004 - 2 StR 196/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 196/04
vom
30.06.2004
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 30.06.2004 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Marburg vom 18. November 2003 im Rechtsfolgenausspruch
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer
Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision
des Angeklagten mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge.
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus dem Beschlußtenor
ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen erweist es sich als unbegründet im
Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte seit 1992 regelmäßig
Haschisch, seit 1995 auch Opiate. Auch nach seiner Übersiedlung nach
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Deutschland 1997 nahm er regelmäßig Heroin zu sich. Hier wurde er wegen
versuchten Raubes, den er beging, um mit dem erbeuteten Geld seine Drogensucht
zu finanzieren und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln
(18,24 g Heroingemisch) bestraft. Im Rahmen der Zurückstellung der zuletzt
gegen ihn verhängten Strafe nach § 35 BtMG unterzog er sich 2000/2001 einer
Drogentherapie auf einem Hof der Suchthilfe. Danach lebte er ca. ein dreiviertel
Jahr drogenfrei, wurde dann jedoch wieder rückfällig. Er wurde deshalb mit
Methadon behandelt, konsumierte jedoch zusätzlich Heroin und Kokain. Der
Verurteilung im vorliegenden Fall liegt ein Überfall auf eine Bahnhofsbuchhandlung
zugrunde, bei der er 500 Euro erbeutete. Von dem Geld erwarb er
neben einigen Lebensmitteln in Frankfurt Drogen.
Angesichts dieser Feststellungen, die einen Hang des Angeklagten zu
übermäßigem Rauschmittelkonsum und einen symptomatischen Zusammenhang
zwischen der Tat und seiner Abhängigkeit belegen, lag die Anordnung
der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nahe. Die
Kammer hat von einer Unterbringung nach § 64 StGB dennoch "zu Gunsten"
des Angeklagten abgesehen, weil der Angeklagte seit längerer Zeit in der Justizvollzugsanstalt
drogenfrei lebt und entschlossen ist, sein zukünftiges Leben
drogenfrei zu gestalten und dazu therapeutische Hilfe anzunehmen. Es sei daher
nicht mehr wahrscheinlich, daß der Angeklagte weitere suchtbedingte
Straftaten begehen wird, die Kammer hat aber gegen die Durchführung einer
Maßnahme nach § 35 BtMG keine Bedenken.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Ausführungen der
Kammer sind widersprüchlich. Ersichtlich sieht die Kammer den Angeklagten
als therapiebedürftig an, wie schon der Hinweis auf § 35 BtMG zeigt. Im übri-
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gen will der Angeklagte auch selbst therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen,
um sein Ziel, drogenfrei zu leben, zu erreichen. Unter diesen Umständen ist die
Annahme, daß bei dem Angeklagten die Gefahr der Begehung weiterer erheblicher
Straftaten schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt - ohne therapeutische
Behandlung des Angeklagten - nicht mehr wahrscheinlich ist, aber nicht ausreichend
begründet. Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung des § 64
StGB vor, ist die Maßregel zwingend anzuordnen. Ein Ermessensspielraum ist
dem Tatrichter dabei nicht eingeräumt. Insbesondere hat § 64 StGB Vorrang
vor den Sonderregelungen der §§ 35, 36 BtMG, da letztere erst im Vollstreckungsverfahren
Platz greifen und auf das Erkenntnisverfahren keinen Einfluß
haben können (st. Rspr., vgl. BGH NStZ-RR 2003, 12).
Die Sache bedarf somit insoweit neuerlicher tatrichterlicher Prüfung unter
Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO). Der Senat hebt auch
den Strafausspruch auf, um dem Tatrichter zu ermöglichen, etwaige Erkenntnisse
des Sachverständigen zu berücksichtigen, auch wenn die Voraussetzungen
des § 21 StGB hier nicht nahe liegen.
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deshalb an der Unterschrift
gehindert.
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