BGH,
Beschl. v. 30.3.2001 - 3 StR 25/01
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
StPO § 404 Abs. 5, § 397 a Abs. 1;
BRAGO § 97 Abs. 1 Satz 4, § 102 Abs. 2
Wird dem Nebenkläger gemäß § 397 a
Abs. 1 StPO ein Rechtsanwalt als Beistand
bestellt, so erstreckt sich die Beiordnung nicht auch auf das
Adhäsionsverfahren.
Der Rechtsanwalt ist daher nicht befugt, für den
Nebenkläger vermögensrechtliche
Ansprüche gegen den Angeklagten im Adhäsionsverfahren
einzuklagen und seine diesbezüglichen Gebühren gegen
die Staatskasse geltend
zu machen, es sei denn er wurde dem Nebenkläger im Rahmen der
Gewährung
von Prozeßkostenhilfe gemäß § 404
Abs. 5 Satz 2 StPO, § 121 Abs. 2
ZPO gesondert für das Adhäsionsverfahren beigeordnet.
BGH, Beschl. vom 30. März 2001 - 3 StR 25/01 - LG
Lübeck
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 25/01
vom
30. März 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. März 2001
beschlossen:
Der Nebenklägerin Li. wird im Adhäsionsverfahren
für die Revisionsinstanz Prozeßkostenhilfe bewilligt
und Rechtsanwalt J. aus L. beigeordnet.
Ihr weitergehender Antrag auf Bewilligung von
Prozeßkostenhilfe
für die Revisionsinstanz ist gegenstandslos.
Gründe:
Die durch die Tat des Angeklagten Geschädigte Li.
hatte in erster Instanz beantragt, sie als Nebenklägerin
zuzulassen
und ihr sowohl für die Nebenklage als auch für die
Geltendmachung von
Schmerzensgeldansprüchen im Adhäsionsverfahren
Prozeßkostenhilfe zu bewilligen
sowie Rechtsanwalt J. zur Vertretung beizuordnen. Das
Landgericht hat die Geschädigte "als Nebenklägerin
unter Beiordnung von
Rechtsanwalt J. " zugelassen und ihr "Prozeßkostenhilfe unter
Beiordnung
von Rechtsanwalt J. für die Klage im
Adhäsionsverfahren bewilligt".
Die Nebenklägerin beantragt nunmehr, ihr auch für die
Revisionsinstanz
Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt J.
beizuordnen.
1. Der Antrag ist gegenstandslos, soweit er auf die Gewährung
von Prozeßkostenhilfe
für die Vertretung der Nebenklage im Revisionsverfahren
gerichtet
ist. Rechtsanwalt J. ist der Nebenklägerin durch
Beschluß des
Landgerichts vom 31. August 2000 als Beistand beigeordnet worden
(§ 397 a
Abs. 1 Satz 1, § 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO). Dies folgt
zwar nicht unmit-
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telbar aus dem Wortlaut des Beschlusses, ergibt sich aber bei dessen
Auslegung
anhand des zugrunde liegenden Antrags der Nebenklägerin. Denn
diese
hatte mit Schriftsatz vom 30. August 2000 zum einen Bewilligung von
Prozeßkostenhilfe
für die Nebenklage mit Beiordnung von Rechtsanwalt J. als
Beistand, zum anderen Prozeßkostenhilfe für das
Adhäsionsverfahren unter
Beiordnung von Rechtsanwalt J. beantragt. Wenn das Landgericht
daraufhin die Nebenklage "unter Beiordnung von Rechtsanwalt J. "
zuläßt
und daneben Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwalt J.
allein für die Klage im Adhäsionsverfahren bewilligt,
kann erstgenannte
Beiordnung nur als Beistandsbestellung im Sinne des § 397 a
Abs. 1 Satz 1
StPO verstanden werden. Diese wirkt jedoch für die
Revisionsinstanz fort
(BGH, Beschl. vom 10. November 1999 - 3 StR 431/99; Kleinknecht/Meyer-
Goßner, StPO 44. Aufl. § 397 a Rdn. 17).
2. Dagegen ist im Adhäsionsverfahren über den
Prozeßkostenhilfeantrag
der Nebenklägerin für die Revisionsinstanz gesondert
zu entscheiden.
Denn die Beistandsbestellung nach § 397 a Abs. 1 StPO
erstreckt sich nicht
auf das Adhäsionsverfahren. Für dieses besteht allein
die Möglichkeit der Bewilligung
von Prozeßkostenhilfe (§ 404 Abs. 5 StPO),
über die für jede Instanz
gesondert zu befinden ist (§ 404 Abs. 5 Satz 1 StPO,
§ 119 Abs. 1 Satz 1
ZPO).
a) Allerdings könnte der Wortlaut der Bestimmungen der BRAGO,
die die
Gebührenansprüche des nach § 397 a Abs. 1
StPO als Beistand bestellten
Rechtsanwaltes regeln, auf eine andere Gesetzeslage hindeuten.
Für die Gebühren
des dem Nebenkläger als Beistand bestellten Rechtsanwalts
gelten
nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BRAGO die Vorschriften der
§§ 97, 98, 99 und 101
BRAGO über die Gebühren des Pflichtverteidigers
sinngemäß. Indem § 102
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Abs. 2 Satz 1 BRAGO ohne Einschränkungen auf § 97
BRAGO verweist, nimmt
er auch auf § 97 Abs. 1 Satz 4 BRAGO Bezug. Dieser wiederum
räumt dem
Anwalt, der im Sinne des § 89 Abs. 3 Satz 1 BRAGO im
Strafverfahren (ausschließlich)
zur Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche
tätig wird, einen
Gebührenanspruch gegen die Staatskasse nach Maßgabe
des § 123
BRAGO ein. Der Zusammenhang dieser Regelungen könnte den
Anschein erwecken,
daß die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand nach
§ 397 a
Abs. 1 StPO auch dessen Tätigwerden für den
Nebenkläger im Adhäsionsverfahren
abdecke.
Dementsprechend wird für den Fall der notwendigen Verteidigung
(§ 140 StPO) wegen der Bezugnahme des § 97 Abs. 1
Satz 4 BRAGO auf § 89
BRAGO die Auffassung vertreten, daß die Bestellung eines
Rechtsanwalts zum
Pflichtverteidiger diesem auch die Befugnis einräume, den
Angeklagten bei der
Abwehr eines vermögensrechtlichen Anspruchs des Verletzten im
Adhäsionsverfahren
zu vertreten, und er hierfür nach den
Maßstäben des § 123 BRAGO
aus der Staatskasse entschädigt werde. Einer gesonderten
Bestellung des
Verteidigers für das Adhäsionsverfahren (§
404 Abs. 5 StPO) bedürfe es nicht
(OLG Schleswig NStZ 1998, 101; Hartmann, Kostengesetze 30. Aufl.
§ 97
BRAGO Rdn. 5; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl.
§ 140 Rdn. 5;
Laufhütte in KK 4. Aufl. § 140 Rdn. 4; a. A.
Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert,
BRAGO 14. Aufl. § 97 Rdn. 4 und Fraunholz in
Riedel/Sußbauer, BRAGO 8.
Aufl. § 97 Rdn. 12, die eine Entschädigung des im
Adhäsionsverfahren tätig
gewordenen Pflichtverteidigers aus der Staatskasse nach § 97
Abs. 1 Satz 4,
§ 123 BRAGO nur dann für möglich halten,
wenn er insoweit im Wege der Gewährung
von Prozeßkostenhilfe für den Angeklagten nach
§ 404 Abs. 5 Satz 2
StPO gesondert beigeordnet wurde).
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Ob dieser Ansicht für den im Adhäsionsverfahren
tätig gewordenen
Pflichtverteidiger wegen der engen tatsächlichen und
rechtlichen Verbindung
zwischen der Verteidigung des Angeklagten gegen die ihm vorgeworfene
Straftat und der Abwehr der auf diese Straftat gestützten
zivilrechtlichen Ersatz-
oder Schmerzensgeldansprüche des Verletzten zu folgen ist,
bedarf keiner
Entscheidung. Die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand des
Nebenklägers
nach § 397 a Abs. 1 StPO erstreckt sich jedenfalls entgegen dem
durch § 102 Abs. 2 Satz 1, § 97 Abs. 1 Satz 4 BRAGO
erweckten Anschein
nicht auf die Geltendmachung vermögensrechtlicher
Ansprüche des Nebenklägers
im Adhäsionsverfahren.
Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte des § 397 a Abs.
1 StPO und des § 102 BRAGO sowie dem Gesetzeszweck des
§ 404 Abs. 5
StPO.
Mit der Neufassung des § 397 a Abs. 1 StPO durch Artikel 1 Nr.
7 des
Zeugenschutzgesetzes vom 30. April 1998 (BGBl I 820 ff.) wurde zur
Verbesserung
des Opferschutzes erstmals die Möglichkeit geschaffen, dem
Nebenkläger
nicht nur Prozeßkostenhilfe für die Hinzuziehung
eines Rechtsanwaltes
zu bewilligen, sondern ihm unter im einzelnen geregelten Voraussetzungen
unabhängig von seiner Prozeßkostenarmut im Sinne des
§ 114 ZPO einen
Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen. Durch Artikel 2 Nr. 2 Buchst. c
desselben
Gesetzes wurde § 102 Abs. 2 BRAGO eingeführt, der die
Gebührenansprüche
des Nebenklägerbeistandes gegen die Staatskasse regelt. In dem
vorangegangenen Gesetzgebungsverfahren war jedoch zunächst
eine entsprechende
Gesetzesänderung nicht ins Auge gefaßt worden.
Vielmehr wurde allein
erwogen, durch eine Neufassung des § 397 a StPO die
Anforderungen zu
erleichtern, unter denen Prozeßkostenhilfe für die
Nebenklage gewährt werden
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kann (vgl. den Gesetzentwurf des Bundesrates für ein 2.
Opferschutzgesetz,
BTDrucks. 13/6899 S. 4 f.; die Empfehlungen des Rechtsausschusses und
des
Ausschusses für Frauen und Jugend zum Zeugenschutzgesetz,
BRDrucks.
933/1/97
S. 6 f.; die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat,
BRDrucks. 933/97 S. 2 f.). Erst in der Beschlußempfehlung des
Vermittlungsausschusses
wird § 397 a StPO in seiner dann Gesetz gewordenen Neufassung
sowie die damit verbundene Einführung des § 102 Abs.
2 BRAGO in das
Gesetzgebungsverfahren eingebracht (BRDrucks. 212/98 S. 4).
Nach dem ursprünglichen Gesetzesentwurf war somit - wie schon
nach
der bisherigen Gesetzeslage (§ 397 a StPO in der Fassung des
Opferschutzgesetzes
vom 18. Dezember 1986, BGBl I 2496) - eine gesonderte Bewilligung
von Prozeßkostenhilfe für die Nebenklage einerseits
und das Adhäsionsverfahren
andererseits (§ 404 Abs. 5 StPO) vorgesehen. Damit
wäre die Gewährung
von Prozeßkostenhilfe an den Nebenkläger
für die Geltendmachung vermögensrechtlicher
Ansprüche gegen den Angeklagten im Adhäsionsverfahren
weiterhin davon abhängig gewesen, daß der
Nebenkläger prozeßkostenarm ist
und seine beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg bietet und
nicht
mutwillig erscheint (§ 404 Abs. 5 Satz 1 StPO, § 114
ZPO). Dafür, daß sich
hieran für die Nebenkläger, denen durch die letztlich
Gesetz gewordene Neufassung
des § 397 a Abs. 1 StPO die Möglichkeit der
Bestellung eines anwaltlichen
Beistandes eröffnet wurde, etwas ändern sollte, und
insoweit eine Differenzierung
zu den Nebenklägern gewollt war, für die die
Bestellung eines Beistandes
nicht in Betracht kommt (vgl. § 404 Abs. 5 StPO, §
397 a Abs. 2 StPO
n.F.), ist nichts ersichtlich. Die Gesetzesmaterialien geben insoweit
keine Aus-
7 -
kunft. Der Vermittlungsausschuß hat seinen neuen
Regelungsansatz ohne nähere
Begründung in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht.
Ein Hinweis darauf, daß nach dem Willen des Gesetzgebers
§ 397 a
Abs. 1 StPO den Vorrang vor § 404 Abs. 5 StPO erhalten sollte,
ist somit nicht
vorhanden. Ein derartiger Wille des Gesetzgebers liegt auch fern, denn
er wäre
mit dem Gesetzeszweck des § 404 Abs. 5 StPO nicht vereinbar.
Nach dieser
Vorschrift soll dem Antragsteller für das
Adhäsionsverfahren Prozeßkostenhilfe
unter anderem nur dann gewährt und ein Rechtsanwalt
beigeordnet werden,
wenn der von ihm geltend gemachte vermögensrechtliche Anspruch
Aussicht
auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 404 Abs. 5
Satz 1 StPO, § 114
ZPO). Damit soll verhindert werden, daß die Staatskasse mit
Gebührenansprüchen
belastet wird, die durch das Einklagen nicht bestehender oder
überhöhter
Ersatzansprüche im Adhäsionsverfahren entstehen. Dem
könnte aber nicht
mehr vorgebeugt werden, wenn der dem Nebenkläger nach
§ 397 a Abs. 1
StPO bestellte anwaltliche Beistand ohne weitere gerichtliche
Prüfung auch im
Adhäsionsverfahren für den Nebenkläger
auftreten und für diesen jegliche Forderungen
ohne Rücksicht auf deren Erfolgsaussicht geltend machen
könnte
sowie hierfür anschließend nach den
Maßstäben des § 123 BRAGO
entschädigt
würde. Es erscheint ausgeschlossen, daß der
Gesetzgeber eine derartige
Regelung treffen wollte.
§ 102 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 97 Abs. 1 Satz 4 BRAGO
ist daher dahingehend
auszulegen, daß der nach § 397 a Abs. 1 StPO dem
Nebenkläger bestellte
anwaltliche Beistand für sein Tätigwerden im
Adhäsionsverfahren (§ 89
Abs. 3 BRAGO) dann nach den Maßstäben des §
123 BRAGO aus der Staatskasse
entschädigt wird, wenn er dem Nebenkläger
für das Adhäsionsverfahren
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unter Gewährung von Prozeßkostenhilfe
gemäß § 404 Abs. 5 Satz 2 StPO gesondert
beigeordnet wurde.
b) Danach ist der Nebenklägerin im Adhäsionsverfahren
Prozeßkostenhilfe
für die Revisionsinstanz zu bewilligen und ihr Rechtsanwalt J.
insoweit
zur Vertretung beizuordnen.
Die Nebenklägerin ist nach ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen
nicht in der Lage, die Prozeßkosten aufzubringen. Mit
Schriftsatz
vom 23. März 2001 wurde klargestellt, daß diese
Kosten entgegen der insoweit
fehlerhaft ausgefüllten, in erster Instanz zur Akte gereichten
Erklärung nach
§ 117 Abs. 2 ZPO nicht von einer Rechtsschutzversicherung oder
anderen
Stelle getragen werden. Die Erfolgsaussichten ihres
Schmerzensgeldanspruches
sind nicht mehr zu prüfen (§ 404 Abs. 5 Satz 1 StPO,
§ 119 Abs. 1 Satz 2
ZPO). Da der Angeklagte in der Revisionsinstanz durch seinen Verteidiger
vertreten wird, ist der Nebenklägerin Rechtsanwalt J.
beizuordnen, der
ihr im Hauptverfahren bereits vom Landgericht nach § 397 a
Abs. 1 StPO als
Beistand bestellt wurde (§ 404 Abs. 5 Satz 2 StPO, §
121 Abs. 2 ZPO).
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