BGH,
Beschl. v. 30.3.2007 - 2 StR 81/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 81/07
vom
30.3.2007
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 30.3.2007 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 24. Oktober 2006 im Schuldspruch dahin
geändert, dass der Angeklagte der unerlaubten Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge schuldig ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und
sichergestelltes Rauschgift sowie Verpackungsmaterial eingezogen.
Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der
Sachrüge.
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Das Rechtsmittel führt zu der aus dem Urteilstenor
ersichtlichen Schuldspruchänderung, im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden dem aus Nigeria
stammenden Angeklagten, dem Inhaber einer kleinen Druckerei, von einem
"Lambert" in Nigeria 3.000 englische Pfund Kurierlohn für
einen Kokaintransport nach Deutschland in Aussicht gestellt. Der
Angeklagte stimmte zu. In der Folgezeit wurde für ihn
für den Zeitraum 22. Mai bis 29. Mai 2006 in Bremen ein
Hotelzimmer gebucht und der Angeklagte beantragte auf Kosten seines
Auftraggebers für seine Person eine Reisekranken- und eine
Unfallreiseversicherung. Darüber hinaus beantragte er
für die Einreise nach Deutschland ein Visum und bezeichnete
als einladendes Unternehmen eine in Bremen ansässige
Papierhandelsgesellschaft, von der er zuvor ein Angebot für
eine Papierlieferung eingeholt hatte. Diese Geschäftsbeziehung
hatte er seinen Auftraggebern benannt, damit diese die Reiseroute zur
Tarnung darauf abstellen konnten. Das ursprünglich
für die Route Nigeria-Frankfurt-Amsterdam auf den Angeklagten
für den 26. Mai 2006 ausgestellte Lufthansaticket wurde auf
den Zielort Bremen umgebucht.
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Vor seiner Abreise bezog er weisungsgemäß ein
Hotelzimmer, wo er unter Aufsicht 100 Behältnisse mit einer
Kokainmischung von insgesamt 997,5 g (766,6 g Kokainhydrochlorid)
schluckte, bevor er zum Flughafen gebracht wurde, wo er von "Lambert"
das Flugticket und 500 englische Pfund als Reisespesen erhielt. In
Deutschland sollte er von Frankfurt nach Bremen weiterfliegen und das
für ihn reservierte Hotel beziehen, aus dem er abgeholt werden
sollte. Am 26. Mai 2006 wurde er bei der Einreise am Frankfurter
Flughafen festgenommen.
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2. Das Landgericht hat die Kuriertätigkeit des Angeklagten
(neben der tateinheitlich verwirklichten Einfuhr) als
täterschaftliches Handeltreiben gewertet
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und dabei darauf abgestellt, dass der während des Transports
nicht überwachte Angeklagte die alleinige Gewalt über
das Kokain hatte und den konkreten Tatablauf sowie die
Ausführungsmodalitäten weitgehend mitbestimmte.
II.
Die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält
rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die
Kuriertätigkeit des Angeklagten ist, soweit ihm Handeltreiben
vorgeworfen worden ist, nur als Beihilfe zu werten.
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1. Zur Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe bei
Rauschgiftkurieren:
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a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die
Tätigkeit von Rauschgiftkurieren zunächst
überwiegend als (mit-)täterschaftliches Handeltreiben
angesehen worden (vgl. BGH NStZ 1983, 124; BGHR § 29 Abs. 1
Nr. 1 BtMG Handeltreiben 36; BGH StV 1998, 596), wenn die Rolle des
Kuriers nicht nur von ganz untergeordneter Bedeutung war (BGHR BtMG
§ 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 9, 24, 36, 57; BGH NStZ-RR
1999, 24). Beihilfe wurde lediglich dann angenommen, wenn der Kurier
keinen Einfluss auf die Bestimmung von Art und Menge des zu
transportierenden Rauschgifts hatte, weder Zeit und Ort der
Übernahme des Rauschgifts noch die Gestaltung des Transports
mitbestimmen konnte und auch sonst mit dem An- und Verkauf des
Rauschgifts nichts zu tun hatte (vgl. auch Senatsbeschlüsse
vom 3. Mai 2006 - 2 StR 85/06; vom 13. Juli 2006 - 2 StR 199/06 und vom
25. Oktober 2006 - 2 StR 359/06). Kuriere wurden, auch bei einer im
Gesamtgefüge des Betäubungsmittelgeschäfts
nur nachrangigen Tätigkeit, in der Regel schon deshalb als
Täter angesehen, weil sie während des Transports
faktische Zugriffsmöglichkeiten auf die
Betäubungsmittel hatten. Damit verblieb für die
Teilnahmeform der Beihilfe nur ein schmaler Anwendungsbereich.
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b) Dieser Tendenz zur Einschränkung der Beihilfe im
Betäubungsmittelstrafrecht entgegenzuwirken, ist nach der
Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen nicht
durch Aufgabe des bisherigen Begriffs des Handeltreibens zu erreichen,
sondern durch konsequente Anwendung der für die Abgrenzung
zwischen Beteiligung an der eigenen Tat (als Täter) und
Teilnahme an einer fremden Tat (als Gehilfe) entwickelten Regeln. In
der neueren Rechtsprechung ist daher bei der Beurteilung von
Kuriertätigkeit teilweise darauf abgestellt worden, ob ein
Rauschgift-Transporteur auch in den Erwerb oder den späteren
Absatz der Betäubungsmittel eingebunden oder "lediglich" als
Kurier eingesetzt war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2006 -
3 StR 105/06; vom 23. Mai 2006 - 3 StR 119/06; vom 30. Mai 2006 - 3 StR
126/06; vom 27. Juni 2006 - 3 StR 177/06; vom 7. September 2006 - 3 StR
277/06; vom 5. Dezember 2006 - 3 StR 456/06; vom 14. Dezember 2006 - 4
StR 421/06; NStZ-RR 2006, 350). Der Senat würde allerdings
einer Ansicht nicht folgen, wonach täterschaftliches Handeln
nur dann vorliegt, wenn der Transporteur auch unmittelbar am Erwerb
oder Absatz der Betäubungsmittel beteiligt ist.
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c) Nach neuester Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 28.
Februar 2007 - 2 StR 516/06 - zur Veröffentlichung in BGHSt
vorgesehen) muss vielmehr für eine zutreffende Einordnung der
Beteiligung des Kuriers der jeweils konkrete Tatbeitrag für
das Umsatzgeschäft insgesamt und nicht allein für den
Teilbereich des Transports (von Betäubungsmitteln oder Geld)
bewertet werden. Strafbar ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG das
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, nicht - isoliert - das
Transportieren derselben. Daher kommt es für die Annahme
täterschaftlicher Verwirklichung dieses Tatbestands jedenfalls
nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an
Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich
eines isolierten Teilakts des Umsatzge-
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schäfts innehat. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche
Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des
Gesamtgeschäfts zukommt.
aa) Eine Gehilfenstellung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die
Tathandlung sich auf den (Teil-)Transport von Rauschgift zwischen
selbständig handelnden Lieferanten und Abnehmern oder
innerhalb der Sphäre von Lieferanten- oder
Abnehmer-Organisationen beschränkt und der Beteiligte nicht in
der Lage ist, das Geschäft insgesamt maßgeblich
mitzugestalten. Einer Tätigkeit als Kurier, die sich in
bloßem Transport von Rauschgift erschöpft, kommt
daher eine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit in
der Regel nicht zu; sie stellt zumeist eine (bloß)
untergeordnete Hilfstätigkeit dar. Denn es geht dem reinen
Kurier nicht in erster Linie um den Umsatz des
Betäubungsmittels (Veräußerung an
Abnehmer), sondern um die Entlohnung für seine Dienstleistung,
nämlich um das Entgelt für den Transport des
Betäubungsmittels von einem Ort zum anderen. Dabei kommt es
nach Ansicht des Senats nicht darauf an, ob der Kurier ein erhebliches
Honorar zu erwarten hat oder zeitweise faktische
Verfügungsgewalt über das von ihm transportierte
Rauschgift erlangt. Die als Beihilfe zu wertende
Kuriertätigkeit zeichnet sich nämlich gerade dadurch
aus, dass der Kurier in die hierarchische Organisation des
Rauschgift-Umsatzes an unterer Stelle einzuordnen ist. Auch ein
möglicher faktischer Handlungsspielraum während des
Transports der Drogen kann von ihm dann in der Regel schon auf Grund
seiner finanziellen und meist auch persönlichen
Abhängigkeit von den Hintermännern nicht zu eigener
täterschaftlicher Einflussnahme ausgenutzt werden. Soweit der
Senat in Einzelfällen in der Inkorporation von Rauschgift
durch Kuriere die Begründung einer besonderen, zur
Täterschaft führenden Verfügungsmacht
gesehen hatte, hat er diese Rechtsprechung bereits im Senatsurteil vom
28. Februar 2007 - 2 StR 516/06 - nicht mehr aufrechterhalten.
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bb) Eine Bewertung von Transporttätigkeit als
mittäterschaftliches Handeltreiben wird vor allem dann in
Betracht kommen, wenn der Beteiligte erhebliche, über den
reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet (vgl.
etwa BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2006 - 4 StR 421/06 -
Gründung von Exportgesellschaften für die
Beförderung der Drogen), etwa am An- und Verkauf des
Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse
am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine
Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll
(BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 36). Auch eine
Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete
arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts
spricht für die Annahme von Mittäterschaft, auch wenn
seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die
Beförderung der Drogen, von Kaufgeld oder
Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann auch
eine weit gehende Einflussmöglichkeit des Transporteurs auf
Art und Menge der zu transportierenden Drogen sowie auf die Gestaltung
des Transports für eine über das übliche
Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung
am Gesamtgeschäft sprechen.
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2. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat der Angeklagte, der nur
als Transporteur des Kokains von Nigeria nach Deutschland eingeschaltet
war und dem - auch wenn durch sein Zutun der Transportweg
geringfügig modifiziert wurde - auf den Einfluss des
Rauschgiftgeschäfts als solchem keine
Einflussmöglichkeit zukam, lediglich Beihilfe zum unerlaubten
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln geleistet. Der
gleichzeitige Besitz tritt gegenüber der verbotenen Einfuhr
zurück (BGHSt 25, 285). Der Senat hat den Schuldspruch
entsprechend geändert.
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3. Der Strafausspruch kann auch nach der Änderung des
Schuldspruchs bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass
die Strafe auf der rechtsfehler-
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haften Annahme eines täterschaftlichen Handeltreibens beruht.
Das Landgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 30 Abs. 1
Nr. 4 BtMG entnommen, im Übrigen hat es strafmildernd
berücksichtigt, dass der Angeklagte lediglich eine
untergeordnete Tätigkeit im Rahmen des organisierten Systems
ausgeübt hat.
Rissing-van Saan Ri'inBGH Otten und RiBGH Rothfuß sind ur-
laubsbedingt ortsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert.
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