BGH,
Beschl. v. 30.3.2010 - 3 StR 88/10
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 88/10
vom
30. März 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 30. März 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hannover vom 1. Dezember 2009 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht
- von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt abgesehen hat,
- den Verfall von Wertersatz angeordnet hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier
Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs
Monaten verurteilt und zu seinen Lasten einen Geldbetrag von 3.500 Euro
für verfallen erklärt. Hiergegen wendet
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sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung
materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat
den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im
Übrigen ist es unbegründet im Sinne von §
349 Abs. 2 StPO.
1. Das Urteil begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit das
Landgericht von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in
einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat. Das
Landgericht hat dies damit begründet, der Angeklagte habe
keinen Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich
zu nehmen. Diese rechtliche Bewertung wird indes von den insoweit
widersprüchlichen Feststellungen nicht getragen. Zwar hat das
sachverständig beratene Landgericht festgestellt, der
Angeklagte habe seinen Kokain- und Cannabiskonsum stets steuern
können. Er habe aus freiem Willen und nur in geselliger Runde
zu Drogen gegriffen; ebenso habe er den Konsum über einen
längeren Zeitraum ganz eingestellt und auch in der Haft nur
anfangs unter leichteren Entzugserscheinungen gelitten. Andererseits
hat es aber "aufgrund des jahrelangen Drogenkonsums" des Angeklagten
eine "Drogenentwöhnungstherapie im Rahmen des § 35
BtMG für sinnvoll" erachtet. Dies wiederum legt die Annahme
einer zumindest psychischen Abhängigkeit im Sinne einer auf
Disposition beruhenden oder durch Übung erworbenen intensiven
Neigung des Angeklagten zum Betäubungsmittelkonsum und damit
eines Hangs im Sinne von § 64 StGB nahe; das Fehlen
ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz
stünden dem nicht entgegen (vgl. hierzu Fischer, StGB 57.
Aufl. § 64 Rdn. 9 m. w. N.).
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Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil, denn da das Landgericht weiter
festgestellt hat, dass der Angeklagte den aus den Taten erzielten
Gewinn zumindest teilweise zur Finanzierung seines Drogenkonsums
benötigte und im
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Übrigen therapiebereit ist, lassen sich auch die weiteren
Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB nicht
ausschließen. Die Maßregel ginge einer
Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß
§ 35 BtMG vor (BGH StV 2008, 405 und 2009, 353).
Über die Anordnung der Maßregel muss deshalb
(wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen) neu
verhandelt und entschieden werden; es werden hierzu insgesamt neue
Feststellungen zu treffen sein. Dass nur der Angeklagte Revision
eingelegt hat, stünde der Anordnung der Maßregel
nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Er hat die
Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Landgericht nicht von
seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.).
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2. Auch die Verfallsanordnung hat keinen Bestand. Das Landgericht hat
sie als zwingende Rechtsfolge angesehen, ohne zu prüfen, ob
der Wert der insgesamt 3.500 Euro, die der Angeklagte nach den - von
der Aufhebung unberührten - Feststellungen zum Tatgeschehen in
den Fällen II. 1. bis 3. der Urteilsgründe als
Provisionen erlangt hat, in dessen Vermögen noch vorhanden
sind (§ 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB). Ein Wegfall der Bereicherung
liegt nach den Umständen nicht fern; in diesem Falle
wäre der Wertersatzverfall nicht zwingend anzuordnen, sondern
läge im tatrichterlichen Ermessen.
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Ergänzend bemerkt der Senat, dass eine Verfallsanordnung
unmittelbar auf §§ 73 Abs. 1, 73 a Satz 1 StGB zu
stützen wäre. Die Frage des erweiterten Verfalls
gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 73
d StGB stellt sich hier nicht, denn als Anknüpfungstaten
kommen (nur) die abgeurteilten Fälle II. 1. bis 3. der
Urteilsgründe in Betracht.
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Sost-Scheible Pfister Hubert
Schäfer Mayer |