BGH,
Beschl. v. 30.11.2000 - 4 StR 493/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 493/00
vom
30. November 2000
in der Strafsache gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 30. November
2000 gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4,
357 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten T. wird das Urteil des Landgerichts
Rostock vom 5. Juni 2000, soweit es ihn und den Mitangeklagten R.
betrifft, in den Strafaussprüchen mit den Feststellungen
aufgehoben.
II. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten T. und den Mitangeklagten R.
jeweils der schweren räuberischen Erpressung und des schweren
Raubes für schuldig befunden; den Angeklagten T. hat es zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren, den Mitangeklagten R. zu
einer solchen von acht Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet
sich der Angeklagte T. mit seiner Revision. Das auf die Verletzung
sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel hat zum
Strafausspruch Erfolg. Dies führt gemäß
§ 357 StPO auch zur Aufhebung des den Mitangeklagten R.
betreffenden Strafausspruchs. Im übrigen erweist sich das
Rechtsmittel als im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO
unbegründet.
1. Nach den Feststellungen überfielen die Angeklagten
zunächst eine Spielothek und wenige Tage darauf einen
Supermarkt. In beiden Fällen führte der Mitangeklagte
R. eine mit Schreckschußmunition bestückte, nicht
durchgeladene Schreckschußpistole, Kaliber 9 mm, mit sich,
die so beschaffen war, daß bei Schußabgabe die
Explosionsgase aus dem Lauf nach vorne austreten. Mit dieser Pistole
bedrohte R. die jeweils anwesenden Mitarbeiter, um an das vorhandene
Bargeld zu gelangen; bei dem Überfall auf die Spielothek
richtete er die Waffe "aus einer Entfernung von 1 - 2 Metern direkt auf
... [den] Kopf" der Aufsichtskraft, bei dem Tatgeschehen im Supermarkt
wurde die Pistole "aus einer Entfernung von 1 - 2 Metern direkt auf das
Gesicht" einer Angestellten gerichtet.
2. Das Landgericht ist zur Auffassung gelangt , daß die
Angeklagten in beiden Fällen den Tatbestand des § 250
Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt haben, und hat daher bei der
Straffindung jeweils den Strafrahmen dieser Bestimmung zugrunde gelegt.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Allerdings steht einer Anwendung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB
nicht bereits entgegen, daß die bei den beiden Taten
eingesetzte Schreckschußpistole (noch) nicht durchgeladen war
(vgl. BGHSt 45, 249, 251; BGH, Beschlüsse vom 9. November 1999
- 1 StR 501/99 und vom 16. Mai 2000
- 4 StR 89/00). Jedoch setzt eine "Waffe" im Sinne dieser Vorschrift
voraus, daß sie nach ihrer objektiven Beschaffenheit und nach
der Art ihrer Verwendung im konkreten Einzelfall geeignet ist,
erhebliche Verletzungen zuzufügen (st. Rspr.; vgl. nur BGH
NStZ 1998, 567; NStZ-RR 1998, 294; StV 1998, 422, 486). Dies kann bei
Verwendung einer Schreckschußpistole - wie der
Bundesgerichtshof wiederholt entschieden hat - dann der Fall sein, wenn
sie dem Opfer (unmittelbar) an den Körper gehalten wird, da
ein aufgesetzter Schuß mit einer Platzpatrone aufgrund der
austretenden Explosionsgase und der mitgerissenen Munitionspartikel
regelmäßig zu erheblichen Verletzungen
führt (vgl. BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Waffe 2; BGH
NStZ-RR 1999, 102 jeweils m.w.N.); er kann sogar tödlich sein.
Wird jedoch eine geladene Schreckschußwaffe dem Opfer aus
einer Entfernung - wovon hier nach den getroffenen Feststellungen
zugunsten des Angeklagten auszugehen ist - von zwei Metern vorgehalten,
so versteht sich dies nicht von selbst. Vielmehr hätte die
nicht weiter begründete Auffassung des Landgerichts,
daß eine aus einer solchen Distanz auf den Kopf oder das
Gesicht des Opfers gerichtete Schreckschußpistole "objektiv
gefährlich" ist und ein aus dieser Entfernung aus ihr
abgegebener Schuß zu erheblichen Körperverletzungen
führen kann, näherer Darlegung bedurft.
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung der gegen den
Angeklagten T. und den Mitangeklagten R. (§ 357 StPO)
festgesetzten Einzel- und Gesamtstrafen. Eine Erstreckung auch auf die
weitere Mit-
angeklagte S. kam nicht in Betracht, da das Landgericht insoweit bei
der Strafzumessung den Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB
zugrunde gelegt hat.
Meyer-Goßner Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |