BGH,
Beschl. v. 30.10.2003 - 3 StR 276/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 276/03
vom
30.10.2003
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
30.10.2003 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Oldenburg vom 10. Februar 2003 im Strafausspruch und
soweit dem Angeklagten für die Dauer von zwei Jahren verboten
ist, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben, mit den
zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Antrag des Angeklagten auf Aufhebung des vorläufigen
Berufsverbots durch das Revisionsgericht wird zurückgewiesen.
Gründe:
1. Die Nachprüfung des Schuldspruchs aufgrund der
Revisionsrechtfertigung
hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Ergänzend
zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs macht sich ein
Rechtsanwalt, der Gelder für einen Mandanten in Empfang nimmt
und nicht
einem Anderkonto zuführt, sondern anderweitig verwendet,
grundsätzlich der
Untreue schuldig. Das Verhalten des Rechtsanwalts stellt nur dann keinen
Verstoß gegen die Treupflicht dar und führt nur dann
nicht zu einem Nachteil
im Sinne des § 266 StGB, wenn er uneingeschränkt
bereit und jederzeit fähig
ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln
vollständig
auszukehren (BGH wistra 1988, 191 f.; BGHSt 15, 342, 344; RGSt 73, 284
f.).
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers gelten diese
Grundsätze
auch dann, wenn der Rechtsanwalt die Mittel nicht von einem Dritten zur
Auskehrung
an den Mandanten erhalten, sondern dieser ihm Gelder zur
Ausführung
eines Auftrags überlassen hat (BGH NStZ 1982, 331; BGH bei
Dallinger
MDR 1975, 23; BayObLG GA 1969, 308; OLG Stuttgart NJW 1968, 1340).
Zwar ist richtig, daß die bloße
Nichterfüllung eines Auftrags ebenso wie dessen
verzögerte Erfüllung nicht als solche zwingend eine
tatbestandsmäßige Untreue
darstellt. Verwendet der Rechtsanwalt indes die ihm vom Mandanten zur
Verfügung gestellten Gelder für eigene Zwecke, statt
sie getrennt von seinem
Vermögen auf einem Anderkonto zur jederzeitigen
Durchführung des erteilten
Auftrags bereit zu halten, so ist nicht ersichtlich, warum dieses
Verhalten strafrechtlich
anders bewertet werden sollte als der zweckwidrige Einsatz von Mitteln,
die für den Mandanten in Empfang genommen wurden.
Der hier zu beurteilende Sachverhalt gibt auch keinen Anlaß,
die von
der Revision aufgeworfene Frage näher zu erörtern, ob
zumindest in solchen
Fällen der Untreuevorwurf zu verneinen ist, in denen zwar nach
der abredewidrigen
Verwendung der Gelder die jederzeitige Verfügbarkeit von
Ersatzmitteln
nicht sichergestellt ist, aber nach Inhalt und Umständen des
Auftragsverhält-
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nisses eine zeitliche Verzögerung bei der Erfüllung
des Auftrags unwesentlich
erscheint. Diese Besonderheit war bei der Entgegennahme der
Beträge von
490.000 DM und 500.000 DM, die als Sicherheitsleistung für
eine angestrebte
Außervollzugsetzung des Haftbefehls dienen sollten,
ersichtlich nicht gegeben.
Für den Mandanten des Angeklagten war die naheliegende Gefahr
einer - sei
es auch nur kurzen - zeitlichen Verzögerung bei der
Auftragsabwicklung als
mögliche Folge der abredewidrigen Einzahlung dieser Gelder auf
sein im Soll
geführtes Geschäftskonto nicht ohne Bedeutung. Ihm
war nach den Feststellungen
sehr an einer möglichst schnellen Freilassung gelegen; diese
war "sein
vordringliches Ziel" (UA S. 5). Die Staatsanwaltschaft hatte eine
Haftverschonung
bei Leistung einer Sicherheit in Höhe von zwei Millionen DM in
Aussicht
gestellt. Auch wenn der Angeklagte über die Höhe der
Kaution noch verhandeln
sollte, mußte er in dieser Situation jederzeit mit einem
Aussetzungsbeschluß
nach § 116 StPO rechnen und in der Lage sein, die
erforderliche Kaution
unverzüglich bereit zu stellen, um die umgehende Freilassung
seines Mandanten
zu gewährleisten. Eine "Vorlaufzeit", die es dem Angeklagten
ermöglicht
hätte, rechtzeitig Verhandlungen mit seiner Bank zur
Beschaffung etwa
einer Bürgschaft oder von Barmitteln unter Beleihung seines
Immobilienvermögens
zu führen, besteht bei einer solchen Sachlage entgegen der
Auffassung
der Revision nicht. Denn Haftverschonungsbeschlüsse werden von
den Haftgerichten,
sobald sie sich von den Voraussetzungen des § 116 StPO
überzeugt
haben, regelmäßig unverzüglich
gefaßt und bekanntgegeben. Auch für den
Betrag von 353.250,01 DM, der primär für eine
Wiedergutmachungsleistung
vorgesehen war, kann nichts anderes gelten. Das Landgericht hat zu Recht
darauf abgestellt, daß der Angeklagte auch diese Gelder
für seinen Mandanten
verfügbar halten mußte, weil die Höhe einer
eventuellen Kaution ungewiß war
und angesichts der Forderung der Staatsanwaltschaft den Betrag von einer
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Million DM übersteigen konnte. Für diesen Fall
hätte der Angeklagte in der Lage
sein müssen, auf entsprechenden Wunsch seines Mandanten diese
Mittel
unverzüglich für das "vordringliche" Ziel der
Freilassung einzusetzen.
Bei diesen besonderen Tatumstände müßte
nach den Grundsätzen des
subjektiven Schadenseinschlags (vgl. Lenckner/Perron in
Schönke/Schröder,
StGB 26. Aufl. § 266 Rdn. 43) eine Untreuehandlung selbst dann
angenommen
werden, wenn man - wie die Revision - für die
Herbeiführung eines Nachteils
im Sinne des § 266 StGB eine bloße zeitliche
Verzögerung bei der Stellung der
Ersatzmittel nicht für ausreichend erachten würde.
2. Der Strafausspruch hält im Ergebnis rechtlicher
Nachprüfung nicht
stand. Das Landgericht hat zu Ungunsten des Angeklagten
berücksichtigt, daß
der von ihm angerichtete "Schaden bzw. die
Vermögensgefährdung immens"
war. Diese Formulierung läßt befürchten,
daß die Strafkammer dem Angeklagten
- im Widerspruch zu ihrer Annahme, es sei unerheblich, ob seine
Behauptung
zutreffe, er sei in der Lage gewesen, aus seinem
Immobilienvermögen die
anvertrauten Mittel wieder auszukehren - die Zufügung eines
Vermögensnachteils
(bzw. die Verursachung einer schadensgleichen Gefährdung) in
voller
Höhe der ihm überlassenen Beträge doch
strafschärfend angelastet hat.
Von ihrem Ansatz aus hätte die Strafkammer allein auf den
Nachteil abstellen
dürfen, der dem Mandanten durch die Gefahr einer
verzögerten Bereitstellung
der Mittel entstanden war. Der Senat kann nicht ausschließen,
daß sich dies
zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
3. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme zutreffend
ausgeführt hat, ist es rechtlich nicht zu beanstanden,
daß das Landgericht den
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"Verfall bzw. Wertersatz eines Geldbetrages von 175.500,94
die Wiedergutmachungszahlung bestimmten Betrag entspricht, angeordnet
hat.
Entgegen den Ausführungen, mit denen der
Beschwerdeführer dieser Bewertung
entgegentritt, kann mit Blick auf § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB
offenbleiben, ob
es zu einem wirksamen Erlaßvertrag gekommen ist. Da der von
der Untreuehandlung
des Angeklagten geschädigte Mandant in der Hauptverhandlung
gegen
ihn auf seine Ersatzforderung ausdrücklich verzichtet und in
Übereinstimmung
mit dieser Erklärung keine Ansprüche gegen den
Angeklagten geltend
gemacht hat, durfte das Landgericht davon ausgehen, daß weder
diesem durch
die Anordnung des Verfalls eine Ersatzmöglichkeit entzogen
wird noch dem
Angeklagten umgekehrt eine doppelte Inanspruchnahme droht. Unter diesen
besonderen Umständen, die mit den Fällen unbekannter
Geschädigter nicht
vergleichbar ist (vgl. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 39 m.
w. N.), steht § 73
Abs. 1 Satz 2 StGB der Verfallsanordnung nicht entgegen.
4. Dagegen hält die Anordnung eines Berufsverbotes einer
rechtlichen
Nachprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu
ausgeführt:
"Im Rahmen der Entscheidung nach § 56 Abs. 2 StGB hat das
Landgericht
ausgeführt, aufgrund der bisherigen Straffreiheit des
Angeklagten und der
erfolgten Schadenswiedergutmachung sei zu erwarten, dass sich der
Angeklagte
schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen werde und
künftig
auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen
wird. Im Rahmen der Entscheidung über die
Maßregelanordnung kommt das
Landgericht zu einer abweichenden Prognoseentscheidung. Dies mag seine
Erklärung darin finden, dass die Gefahr weiterer Taten vom
Landgericht bei der
Entscheidung nach § 56 Abs. 2 StGB deshalb anders beurteilt
wurde, weil
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durch das Berufsverbot die Gefahr weiterer einschlägiger Taten
nicht mehr besteht.
Gleichwohl hätte es auch bei der nach § 70 Abs. 1
Satz 1 StGB gebotenen
Gesamtwürdigung eines Eingehens auf die bisherige
Straffreiheit des Angeklagten,
die Schadenswiedergutmachung und sein Alter bedurft, um die Gefahr
ähnlicher rechtswidriger Taten umfassend zu beurteilten.
Nicht frei von Bedenken ist auch die Erwägung, die Gefahr
ähnlicher
rechtswidriger Taten ergebe sich 'insbesondere aus dem Umstand, dass der
Angeklagte hartnäckig daran festhält, in der
Rückführung des überzogenen
Geschäftskontos mit Mandantengeldern keine Untreue zu sehen'
(UA S. 28).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darf einem bestreitenden
Angeklagten sein Verteidigungsverhalten auch im Hinblick auf die
Gefährlichkeitsprognose
beim Berufsverbot nicht angelastet werden (BGH NJW 2001,
3349; BGH, B.v. 26.2.2003 - 2 StR 411/02; BGHR StGB § 46
Nachtatverhalten
2; BGHR StGB § 70 Abs. 1 Dauer 1). Zwar hat das Landgericht
vorliegend
nicht verkannt, dass es das 'gute Recht' des Angeklagten ist, kein
Geständnis
in öffentlicher Hauptverhandlung abgeben zu müssen.
Die für die Verhängung
des Berufsverbots herangezogene Erwägung, der Angeklagte wolle
sich 'einfach
nicht mehr belehren lassen, wie er seine Geschäfte abzuwickeln
habe'
(UA S. 28) beinhaltet jedoch keinen zusätzlichen Aspekt,
sondern beschreibt
lediglich die in der Hauptverhandlung festgestellte -
möglicherweise im Verteidigungsverhalten
begründete - Uneinsichtigkeit mit anderen Worten."
Dem schließt sich der Senat an.
5. Für die Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung
des vorläufigen
Berufsverbots nach § 132 a StPO ist der Senat nicht
zuständig. Nach allgemei-
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ner Meinung obliegt die richterliche Überprüfung
dieser Maßnahme dem Tatgericht,
während das Revisionsgericht nur dann entscheidet, wenn es das
Berufsverbot
endgültig aufhebt oder das Verfahren einstellt (vgl. Boujong
in KK
5. Aufl. § 132 a Rdn. 14; Hanack in Löwe/Rosenberg,
StPO 25. Aufl. § 132 a
Rdn. 20; Paeffgen in SK-StPO § 132 a Rdn. 15;
Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl.
§ 132 a Rdn. 13). Der Senat teilt diese Auffassung. Zu einer
abweichenden
Beurteilung besteht auch aus verfassungsrechtlichen Gründen
kein Anlaß. Mit
Blick auf die Grundrechte des Beschwerdeführers, insbesondere
seine durch
Art. 12 GG gewährleistete Berufsfreiheit, hat dieser zwar
Anspruch auf eine
richterliche Überprüfung der Anordnung des
vorläufigen Berufsverbots. Daß
bei Aufhebung der Entscheidung über das Berufsverbot das
Revisionsgericht
stets - also auch im Falle der Zurückverweisung der Sache in
diesem Punkt -
zugleich über die Fortdauer des vorläufigen
Berufsverbotes zu befinden hätte,
läßt sich der Verfassung hingegen nicht entnehmen.
Selbst wenn man weitergehend
- etwa in entsprechender Anwendung von § 126 Abs. 3 StPO - die
Möglichkeit einer Aufhebung des vorläufigen
Berufsverbots im Revisionsverfahren
auch dann in Erwägung ziehen wollte, wenn sich "ohne weiteres
ergibt",
daß dessen Voraussetzungen nicht vorliegen, käme
hier eine solche Entscheidung
nicht in Betracht. Denn die Aufhebung des im Urteil ausgesprochenen
endgültigen Berufsverbotes nach § 70 StGB erfolgte
lediglich im Hinblick auf
eine unzulässige Erwägung des Landgerichts, die eine
neue tatrichterliche
Entscheidung erfordert. Angesichts der Anzahl und des Gewichts der
begangenen
Taten, des erheblichen Maßes an Pflichtwidrigkeit und des vom
Angeklagten
zu vertretenden Umstandes, daß sein Mandant länger
als notwendig in
Untersu-
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chungshaft verbleiben mußte, weil er die Kautionsgelder zur
Ersparnis erheblicher
Zinslasten auf seinem überzogenen Geschäftskonto
genutzt hatte, sind
durchaus dringende Gründe für die Annahme vorhanden,
daß auch der neue
Tatrichter ein Berufsverbot verhängen wird.
Tolksdorf RiBGH Miebach ist durch Urlaub Winkler
gehindert, seine Unterschrift
beizufügen.
Tolksdorf
von Lienen Hubert |