BGH,
Beschl. v. 30.10.2008 - 3 StR 334/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 334/08
vom
30. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf
dessen Antrag - am 30. Oktober 2008 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Mönchengladbach vom 2. November 2007
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des
versuchten Mordes in Tateinheit mit vorsätzlicher
Körperverletzung schuldig ist,
b) im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über die
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer
"Gesamtfreiheitsstrafe" von fünf Jahren verurteilt und das
Tatmesser eingezogen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte
die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechts-
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mittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im
Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
1. Die Annahme, der Angeklagte habe die Körperverletzung
mittels eines hinterlistigen Überfalls (§ 224 Abs. 1
Nr. 3 StGB) begangen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Ein Überfall ist im Sinne der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht schon dann hinterlistig,
wenn der Täter für den Angriff auf das Opfer das
Moment der Überraschung ausnutzt, etwa indem er
plötzlich von hinten angreift. Hinterlist setzt vielmehr
voraus, dass der Täter planmäßig in einer
auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um
dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu
erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach
Möglichkeit auszuschließen. Dies ist etwa dann der
Fall, wenn der Täter dem Opfer mit vorgetäuschter
Friedfertigkeit entgegentritt oder sich vor dem Opfer verbirgt und ihm
auflauert oder sich anschleicht (vgl. BGH NStZ 2005, 40 m. w. N.). Ein
vergleichbares gezieltes, planmäßiges oder von
Heimlichkeit geprägtes Vorgehen des Angeklagten hat das
Landgericht nicht festgestellt. Vielmehr griff der Angeklagte die
Nebenklägerin in dem gut besuchten Lokal offen an und nutzte
für seine Tat lediglich den Umstand aus, dass die
Nebenklägerin ihm den Rücken zuwandte und sich
unterhielt und deshalb seine Annäherung nicht bemerkte.
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Da auch andere Tatalternativen des § 224 Abs. 1 StGB nicht
vorliegen und entsprechende Erkenntnisse in einer neuen
Hauptverhandlung nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den
Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte der tateinheitlich begangenen
vorsätzlichen Körperverletzung nach § 223
StGB schuldig ist. Der nach § 230 StGB erforderliche
Strafantrag wurde rechtzeitig gestellt.
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2. Der Rechtsfolgenausspruch hat - mit Ausnahme der
Einziehungsanordnung - keinen Bestand.
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a) Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung des
Strafausspruchs nach sich, da das Landgericht strafschärfend
ausdrücklich berücksichtigt hat, dass der Angeklagte
neben dem versuchten Mord eine gefährliche
Körperverletzung begangen hat.
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b) Auch die unterbliebene Erörterung einer
Maßregelanordnung nach § 64 StGB begegnet Bedenken.
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Die Feststellungen zum langjährigen und
übermäßigen Alkoholkonsum des Angeklagten,
zu seinen beiden bisherigen, jeweils nur vorübergehend
erfolgreichen Entwöhnungstherapien und zu seiner Neigung,
unter Alkoholeinfluss Aggressionshandlungen zu begehen,
drängten zur Prüfung, ob die Voraussetzungen einer
Maßregelanordnung des § 64 StGB gegeben sind. Da der
Angeklagte auch bei Begehung der Tat zum Nachteil der
Nebenklägerin erheblich alkoholisiert war und die Strafkammer
nicht zuletzt deshalb eine erheblich
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verminderte Steuerungsfähigkeit nicht hat
ausschließen können, liegt nahe, dass die
abgeurteilte Tat auf einen Hang des Angeklagten, berauschende Mittel im
Übermaß zu sich zu nehmen, zurückgeht. Dem
Erfordernis einer hinreichend konkreten Aussicht auf einen
Behandlungserfolg steht jedenfalls nicht von vornherein entgegen, dass
der Angeklagte bereits zwei stationäre
Entwöhnungsmaßnahmen durchführte, zumal
diese zumindest einen vorübergehenden Erfolg erbrachten.
Der neue Tatrichter wird deshalb auch die Frage einer
Maßregelanordnung nach § 64 StGB zu
erörtern haben. Einer Nachholung einer Unterbringungsanordnung
stünde nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision
eingelegt hat (BGHSt 37, 5). Die Nichtanordnung des § 64 StGB
hat der Beschwerdeführer nicht von seinem Rechtsmittelangriff
ausgenommen.
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Becker Miebach Sost-Scheible
Hubert Schäfer |