BGH,
Beschl. v. 30.9.2009 - 2 StR 323/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 323/09
vom
30. September 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 30. September
2009 gemäß § 154 Abs. 2, § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten L. gegen das Urteil des
Landgerichts Limburg (Lahn) vom 10. Februar 2009 wird
a) das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO
eingestellt, soweit der Angeklagte wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln verurteilt wurde; im Umfang der Einstellung
fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des
Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin geändert,
dass der Angeklagte L. des unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei
Fällen schuldig ist,
c) das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch
aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten R. wird das vorbezeichnete Urteil,
soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in 35 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
neun Jahren verurteilt. Den Angeklagten L. hat es wegen unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
in drei Fällen und wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von
Wertersatz angeordnet, hinsichtlich des Angeklagten R. in Höhe
von 33.750 € und hinsichtlich des Angeklagten L. in
Höhe von 22.500 €. Gegen dieses Urteil wenden sich
die Revisionen der Angeklagten mit der Sachrüge. Die
Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im
Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
1
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam der Angeklagte R.
spätestens im Dezember 2006 mit dem Mitangeklagten B.
überein, durch arbeitsteiliges Vorgehen
größere Mengen Betäubungsmittel aus den
Niederlanden zu besorgen und in Deutschland gewinnbringend zu
verkaufen. B. organisierte den Absatz der Betäubungsmittel. Er
und R. vermieden dabei den persönlichen Kontakt mit den
Abnehmern. B. verwendete für den Verkehr mit jedem Abnehmer
und mit R. jeweils gesonderte Mobiltelefone, die er
regelmäßig wechselte. Er veranlasste auch die
anderen Beteiligten, die Telefone
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zu wechseln. Über die Bestellungen von Abnehmern und die
Übergabeorte für Geld und Betäubungsmittel
informierte er R. mit Hilfe eines Buchstabencodes. Geld und
Betäubungsmittel wurden zum Zweck der Übergabe in den
Kraftfahrzeugen der Abnehmer oder in "toten Briefkästen"
deponiert. Der Angeklagte R. brachte in 34 Fällen zwischen
einem und zehn Kilogramm Marihuana, in einem Fall zehn Kilogramm
Haschisch aus den Niederlanden nach Deutschland.
Der Angeklagte L. bezog durch Vermittlung des Mitangeklagten Br.
Marihuana von B. und R. , um es gewinnbringend weiterzuverkaufen. Am
26. Oktober 2007 wurden ihm zwei Kilogramm Marihuana geliefert (Fall 20
der Urteilsgründe), das er jedoch wegen schlechter
Qualität zurückgab. Als Ersatz erhielt er am 16.
November 2007 wiederum zwei Kilogramm Marihuana (Fall 22 der
Urteilsgründe). Eine weitere Lieferung von drei Kilogramm
Marihuana erhielt er am 23. November 2007 (Fall 24 der
Urteilsgründe). Bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 30.
April 2008 wurden 21 g Marihuana, die er zum Eigenkonsum aufbewahrte,
gefunden (Fall 36 der Urteilsgründe).
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2. Nach seiner Verhaftung machte der Angeklagte R. im
Ermittlungsverfahren umfassende Angaben zu B. und den Abnehmern. Auch
offenbarte er den Code, den die Polizei bisher nicht hatte
entschlüsseln können. Die Anklagen gegen alle anderen
Angeklagten beruhten auf dieser Aufklärungshilfe. Die
Strafkammer hat es abgelehnt, zu Gunsten des Angeklagten R. eine
Strafrahmenverschiebung nach § 31 Nr. 1 BtMG a.F., §
49 Abs. 2 StGB vorzunehmen, weil sie das gesetzliche
Mindestmaß der angedrohten Strafe als Strafuntergrenze
angesichts der Rauschgiftmengen und der Vielzahl der Taten in keinem
Fall für angemessen hielt. Desgleichen hat sie die Annahme
minder schwerer Fälle nach § 30 Abs. 2 BtMG auch
unter Berücksichtigung der Aufklärungshilfe verneint.
Innerhalb des Strafrahmens des § 30 Abs. 1 BtMG hat das
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Landgericht 35 Einzelstrafen zwischen zwei Jahren und vier Jahren
Freiheitsstrafe verhängt.
Hinsichtlich des Angeklagten L. hat das Landgericht Freiheitsstrafen
von zwei Jahren und drei Monaten (Fall 20 der Urteilsgründe),
zwei Jahren und sechs Monaten (Fall 22 der Urteilsgründe) und
drei Jahren (Fall 24 der Urteilsgründe) verhängt und
daraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
gebildet.
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II. Revision des Angeklagten R.
Die Revision des Angeklagten R. hat zum Strafausspruch Erfolg. Die
Ausführungen der Strafkammer lassen besorgen, dass sie sich
bei der Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG rechtsfehlerhaft allein
an dem Schuldumfang der vom Angeklagten begangenen Taten und nicht an
dem Gewicht der von ihm geleisteten Aufklärungshilfe
orientiert hat. Zudem begegnen die Erwägungen der Strafkammer
zur Angemessenheit der Untergrenze des Strafrahmens bei einer Milderung
nach § 31 Nr. 1 BtMG a.F. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB
rechtlichen Bedenken.
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Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings die Wertung der
Strafkammer, dass auch unter Berücksichtigung des vertypten
Milderungsgrundes in keinem Fall ein minder schwerer Fall gegeben sei.
Die Ablehnung einer möglichen Milderung nach § 31 Nr.
1 BtMG a.F., § 49 Abs. 2 StGB ist demgegenüber nicht
rechtsfehlerfrei. Die Strafkammer hat zwar den Umfang und das Gewicht
der Aufklärungshilfe des Angeklagten im Einzelnen dargelegt;
die Ausführungen zur Strafrahmenverschiebung greifen diesen
Gesichtspunkt jedoch nicht ausdrücklich auf, sondern stellen
allgemein auf die für die Wertung von
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Tat und Täter in Betracht kommenden Umstände und
insbesondere die erheblichen Mengen des Betäubungsmittels und
die Vielzahl der begangenen Taten ab. Dies lässt besorgen,
dass die Strafkammer das im vorliegenden Fall erhebliche Gewicht der
Aufklärungshilfe des Angeklagten bei seiner Entscheidung
fehlerhaft nicht berücksichtigt hat (vgl. BGH StV 2002, 259
m.w.N.).
Das Landgericht hat bei der Ablehnung der Strafrahmenverschiebung nach
§ 31 Nr. 1 BtMG a.F., § 49 Abs. 2 StGB entscheidend
darauf abgestellt, dass die sich daraus ergebende Strafuntergrenze von
einem Monat Freiheitsstrafe (oder Geldstrafe) in keinem Fall angemessen
erscheine, um den vom Angeklagten begangenen Taten hinreichend gerecht
zu werden. Eine tat- und schuldangemessene Strafe ist jedoch innerhalb
des jeweiligen Strafrahmens zu finden. Da eine Strafrahmenverschiebung
nach § 49 Abs. 2 StGB die Obergrenze nicht verändert,
erscheint es ausgeschlossen, dass innerhalb des gemilderten
Strafrahmens keine angemessene Bestrafung möglich sein sollte.
Soweit die Strafkammer darauf abstellt, dass durch diese
Strafrahmenuntergrenze ein unangemessenes Wertgefüge zugrunde
gelegt würde, verkennt sie, dass der Gesetzgeber die
Milderungsmöglichkeit auch für schwerwiegende
Betäubungsmittelstraftaten geschaffen hat.
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Der Senat kann ein Beruhen der Einzelstrafen auf dem Rechtsfehler nicht
ausschließen. Das Landgericht hat in vier Fällen
Einzelstrafen verhängt, die genau der gesetzlichen Untergrenze
des angewendeten Strafrahmens entsprechen.
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III. Revision des Angeklagten L.
1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Senat das Verfahren
gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO
eingestellt, soweit der Angeklagte wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln (Fall 36 der Urteilsgründe)
verurteilt worden ist. Für diese Tat hatte das Landgericht
keine Einzelstrafe festgesetzt.
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2. Der Schuldspruch wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei
Fällen hält der rechtlichen Nachprüfung
nicht stand. Wird eine zum Weiterverkauf erworbene Rauschgiftmenge in
eine andere Menge umgetauscht, weil etwa - wie hier - die gelieferte
Qualität nicht den Erwartungen entspricht, so sind auch die
Bemühungen um die Rückgabe der mangelhaften und die
Nachlieferung einer mangelfreien Ware auf die Abwicklung ein- und
desselben Rauschgiftgeschäftes gerichtet (std. Rspr., vgl. BGH
NStZ 2005, 232; StV 2007, 83; Senatsbeschl. vom 23. September 2009 - 2
StR 325/09). In den Fällen 20 und 22 der
Urteilsgründe liegt deshalb nur eine Tat im Rechtssinne vor.
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Der Senat hat den Schuldspruch dementsprechend selbst
geändert; der Angeklagte hätte sich nicht wirksamer
als geschehen verteidigen können. Dies führt zum
Wegfall der im Fall 22 der Urteilsgründe verhängten
Einzelstrafe.
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3. Auch der Strafausspruch im Übrigen hat keinen Bestand. Das
Landgericht hat bei der Festsetzung der Einzelstrafen zu Lasten des
Angeklagten gewertet, dass aus der wiederholten Tatbegehung eine
erhöhte kriminelle Energie ersichtlich sei. Der Senat vermag
letztlich nicht auszuschließen, dass es diesem Umstand
weniger Gewicht beigemessen hätte, wenn es von nur zwei Taten
ausgegangen wäre, zumal auch die weitere Erwägung,
mit der das Landgericht eine erhöhte kriminelle Energie des
Angeklagten bejaht hat, Bedenken begeg-
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net. Das zur Erschwerung von Ermittlungsmaßnahmen
gewählte Vorgehen der Übergabe ohne
persönlichen Kontakt mit dem Lieferanten beruhte auf den
Vorgaben des Mitangeklagten B. . Kontakt zu B. hatte der Angeklagte L.
nur über den Mitangeklagten Br. . Die Urteilsgründe
lassen nicht erkennen, dass der Angeklagte L. in irgendeiner Weise
Einfluss auf die Art der Abwicklung der Rauschgiftgeschäfte
genommen hat oder hätte nehmen können.
Die Feststellungen zum Strafausspruch sind von dem Rechtsfehler nicht
betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353
Abs. 2 StPO). Ergänzende weitere Feststellungen, die hierzu
nicht in Widerspruch stehen, sind zulässig.
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4. Hinsichtlich der Anordnung von Wertersatzverfall lassen die
Urteilsgründe keinen Rechtsfehler erkennen. Aus einer
möglicherweise fehlerhaften Anwendung der
Härteklausel des § 73 c StGB gegenüber den
Mitangeklagten ergäbe sich kein Anspruch auf Gleichbehandlung.
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