BGH,
Beschl. v. 31.7.2007 - 4 StR 316/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 316/07
vom
31.7.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 31.7.2007
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der
Großen auswärtigen Strafkammer Recklinghausen des
Landgerichts Bochum vom 1. März 2007 im gesamten
Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und
sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der
Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das
Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg;
im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
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Das Landgericht ist hinsichtlich aller drei Taten "vom Vorliegen eines
minder schweren Falles im Sinne des § 177 Abs. 5 StGB"
ausgegangen. Die Annahme des Landgerichts, die zu verhängenden
Einzelstrafen seien einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren
zu entnehmen, ist rechtsfehlerhaft. Dieser Strafrahmen findet
gemäß § 177 Abs. 5 2. Halbs. StGB nur in
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minder schweren Fällen des § 177 Abs. 3 und 4 StGB
Anwendung. In minder schweren Fällen des § 177 Abs. 1
StGB ist dagegen gemäß § 177 Abs. 5 1.
Halbs. StGB auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu
fünf Jahren zu erkennen. Ist - wie hier - ein Regelbeispiel
des § 177 Abs. 2 StGB erfüllt, ist bei der
Strafrahmenwahl zunächst zu prüfen, ob trotz
Vorliegens des Regelbeispiels wegen anderer erheblich schuldmindernder
Umstände der Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB nicht
anzuwenden, sondern von dem Normalstrafrahmen des Abs. 1 auszugehen ist
(vgl. BGH StV 2000, 557; 2001, 456, 457). Gegebenenfalls
können - in extremen Ausnahmefällen - eine weiter
gehende Milderung des Normalstrafrahmens und die Bemessung der Strafe
aus dem Rahmen für den minder schweren Fall im Sinne des
§ 177 Abs. 5 1. Halbs. StGB in Betracht zu ziehen sein.
Angesichts der Fülle der nach den rechtsfehlerfrei getroffenen
Feststellungen vorliegenden gewichtigen Milderungsgründe ist
nicht auszuschließen, dass das Landgericht, hätte es
die gebotene Prüfung vorgenommen, nicht nur die Regelwirkung
des § 177 Abs. 2 StGB verneint, sondern im Hinblick auf die
hier besonders gewichtigen Strafmilderungsgründe einen minder
schweren Fall des § 177 Abs. 1 StGB angenommen und innerhalb
des dann zur Verfügung stehenden Strafrahmens von sechs
Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe niedrigere
Einzelstrafen verhängt hätte.
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Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten
Strafausspruchs. Die zu Grunde liegenden Feststellungen können
jedoch bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen
sind. Ergänzende Feststellungen, die hierzu nicht in
Widerspruch stehen, sind zulässig.
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Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Sost-Scheible |