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BGH, Beschluss vom 31. März 2004 - 1 StR 482/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 31.3.2004 - 1 StR 482/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 482/03
vom
31.03.2004
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Menschenhandels u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31.03.2004 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Mosbach vom 3. Juli 2003 mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Falle II. 3. der Urteilsgründe ("Telefonkarten")
wegen Betruges verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete
Urteil wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes einer
halbautomatischen Selbstladekurzwaffe, wegen Hehlerei, Betruges, Verabredung
zur Geldfälschung und wegen schweren Menschenhandels in Tateinheit
mit Verschaffens falscher amtlicher Ausweise zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von sieben Jahren verurteilt; darüber hinaus hat es den Verfall von Wertersatz
in Höhe von 36.000 € sowie von 13.500 DM angeordnet. Die Revision des Angeklagten
rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Sie hat teilweise Erfolg, ist im
übrigen indessen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges im Falle II. 3. der
Urteilsgründe ("Telefonkarten") kann von Rechts wegen keinen Bestand haben.
a) Den getroffenen Feststellungen zufolge erwarb der Angeklagte über
einen Mittelsmann von einem nicht mehr ermittelbaren Dritten zwei auf einen
gewissen K. ausgestellte Telefonkarten der Firma E-Plus zum Preis von
insgesamt 500 DM. Er nutzte diese, um die von ihm selbst betriebene Servicenummer
mit der Vorwahl 0190 bei der Deutschen Telekom anzurufen. Es kam
ihm darauf an, den Gebührenanteil zu erhalten, der ihm aufgrund seines Vertrages
mit der Deutschen Telekom zustand; er war an den Verbindungsentgelten
beteiligt. Die damit von ihm als Nutzer mittels der Telefonkarten in Anspruch
genommenen Telefondienstleistungen der Firma E-Plus im Wert von
11.438 DM wollte er hingegen nicht bezahlen. Seine Vertragspartnerin beim
Betrieb der 0190-Service-Nummer, die Deutsche Telekom, zahlte mehr als die
Hälfte dieses Betrages an ihn aus.
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Die Strafkammer hat dieses Vorgehen des Angeklagten ohne weitere
Rechtsausführungen als Betrug bewertet (§ 263 Abs. 1 StGB).
b) Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Betruges nicht.
Sie lassen nicht erkennen, daß der Angeklagte jemanden getäuscht hätte, dieser
einem Irrtum unterlegen wäre und aufgrund dessen eine Vermögensverfügung
getroffen hätte. Bei diesen Voraussetzungen des Betrugstatbestandes
handelt es sich um personenbezogene Umstände. Das bloße Benutzen fremder
Telefonkarten löst indessen regelmäßig nur einen technischen Vorgang
aus, indem die gebührenpflichtige Verbindung hergestellt wird. Eine irrtumsbedingte
Vermögensverfügung liegt darin nicht. Diese Besonderheit hat zur
Schaffung der Strafvorschrift über den Computerbetrug (§ 263a StGB) geführt.
Ein betrügerisches Verhalten kann danach allenfalls in Betracht kommen
im Zusammenhang mit dem Abschluß eines Mobiltelefonvertrages, wobei über
die eigene Einschätzung der Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft getäuscht
wird, aber auch dadurch, daß dem berechtigten Karteninhaber die Telefonkarte
durch Täuschung "abgeschwindelt" wird (vgl. BGHR StGB § 263a
Anwendungsbereich 1). Solches kann den Feststellungen hier nicht entnommen
werden und liegt auch nicht nahe.
c) Der Senat vermag den Schuldspruch nicht dahin zu ändern, daß der
Angeklagte des Computerbetruges in der Alternative des "unbefugten Verwendens
von Daten" schuldig sei (§ 263a StGB). Dieser Tatbestand erfaßt die
Verwendung gefälschter, manipulierter oder mittels verbotener Eigenmacht erlangter
Karten durch einen Nichtberechtigten (BGHSt 47, 160). Nicht tatbestandsmäßig
ist hingegen die mißbräuchliche Verwendung durch den berech-
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tigten Karteninhaber; denn die Strafvorschrift ist "betrugsspezifisch" auszulegen,
so daß nur täuschungsäquivalente Handlungen unbefugt im Sinne des
Tatbestandes sind (vgl. BGHSt 47, 160). Ein Computerbetrug liegt schließlich
auch dann nicht vor, wenn der berechtigte Inhaber die Karte einem anderen
überläßt und dieser die Karte abredewidrig nutzt (BGHR StGB § 263a Anwendungsbereich
1; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen 6).
Im vorliegenden Fall ist nicht festgestellt, auf welche Weise der Inhaber
der Telefonkarten, K. , den Besitz an diesen verloren hat. Eine freiwillige
Überlassung an den Mittelsmann scheint nicht von vornherein ausgeschlossen.
Sie ist indes nicht ausdrücklich festgestellt. Nach den Umständen kommt allerdings
auch in Betracht, daß schon der Mittelsmann die Karten rechtswidrig erlangt
hatte. Dies bedürfte im Blick auf eine etwaige Strafbarkeit unter dem Gesichtspunkt
des Computerbetruges näherer Feststellungen.
Darüber hinaus wären die hier in Betracht zu ziehenden Vertragsbeziehungen
zwischen dem Karteninhaber und der Firma E-Plus, zwischen E-Plus
und der Deutschen Telekom sowie zwischen dieser und dem Angeklagten (Betrieb
der 0190-Nummer) näher aufzuklären, um die Frage der Rechtswidrigkeit
des Vermögensvorteils des Angeklagten verläßlich beurteilen zu können. Demjenigen,
der sich eine 0190-Nummer bei der Telekom einrichten läßt, kann es
- soweit nichts anderes vereinbart ist - erlaubt sein, die eigene Nummer anzuwählen,
mag dies bei plangemäßer Abwicklung auch wirtschaftlich sinnlos erscheinen.
Die Fragen eines rechtswidrigen Vermögensvorteils und des Vermögensschadens
hängen maßgeblich von der Risikoverteilung im Innenverhältnis
der an dem Vorgang Beteiligten ab.
d) Der neue Tatrichter wird zu bedenken haben, daß im Falle fehlender
Befugnis des Angeklagten zur Nutzung der Karte auch Hehlerei vorliegen kann
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(§ 259 StGB). Eine Leistungserschleichung wird indessen kaum in Betracht
kommen (§ 265a StGB). Das Tatbestandsmerkmal des Erschleichens erfordert
bei der Inanspruchnahme von Leistungen des Telekommunikationsnetzes eine
Umgehung von Sicherungseinrichtungen im Sinne einer Einflußnahme auf den
technischen Ablauf. Die unbefugte Inanspruchnahme einer Leistung zu Lasten
eines Dritten reicht dazu nicht (vgl. dazu Lenckner in Schönke/Schröder, StGB
25. Aufl. § 265a Rdn. 10; Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 265a Rdn. 6).
e) Mit dem Schuldspruch wegen Betruges entfällt auch die entsprechende
Einzelstrafe. Dies hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe
zur Folge.
Der neue Tatrichter wird prüfen müssen, ob er ergänzende Feststellungen
treffen kann. Möglicherweise wird er eine Verfahrenseinstellung nach
§ 154 Abs. 2 StPO in Betracht ziehen.
2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat sonst einen den Angeklagten
beschwerenden sachlich-rechtlichen Mangel nicht ergeben.
a) Die Verurteilung wegen schweren Menschenhandels im Falle II. 2. der
Urteilsgründe ist rechtsfehlerfrei. Schon bei der Anwerbung der Frauen im Ausland
wurde die wahre Absicht, sie der Prostitution zuzuführen, geschickt verborgen.
Die Frauen wurden in Schulden verstrickt. Sie beherrschten die deutsche
Sprache nicht und hatten nach ihrer Einreise zunächst kein Geld für eine
etwaige Heimreise. Der Angeklagte bewahrte später ihre Pässe auf. Nach den
- vom Landgericht ersichtlich als glaubhaft erachteten - Angaben der Zeugin
G. mußten die Frauen bei einem nicht gebilligten Verlassen der Umgebung
des Clubs 500 DM "Strafe" zahlen (UA S. 16, 17).
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Unter diesen Umständen ist weder die Annahme listiger Anwerbung und
der Bestimmung zur Prostitution noch die von Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt
der Prostituierten in einem fremden Land verbunden ist, von Rechts wegen
zu beanstanden (vgl. zum „Bestimmen“ auch BGH, Beschl. vom 1. August 2003
- 2 StR 186/03 - BA S. 8)
b) Die Anordnung des Wertersatzverfalls begegnet auch hinsichtlich der
"Erlöse aus Prostitution" in Höhe von 36.000 € keinen durchgreifenden rechtlichen
Bedenken.
Das Landgericht hat ersichtlich den Wertersatz wegen der Einnahmen
"des letzten Kalenderjahres aus der Prostitution der in Rußland bzw. einem
baltischen Staat als Tänzerin angeworbenen Frauen" bei dem Angeklagten für
verfallen erklärt, "auch wenn insoweit das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO
eingestellt worden war" (UA S. 24). Soweit in den Urteilsgründen als Rechtsgrundlage
§ 73 StGB angeführt wird, handelt es sich erkennbar um ein Fassungsversehen.
In der Urteilsformel ist der "Ersatzverfall" angeordnet und in
der Liste der angewendeten Vorschriften § 73a StGB aufgeführt.
aa) Soweit die Erlöse aus der Prostitution der Zeugin G. in
Rede stehen, war die Strafkammer an der Verfallanordnung nicht deshalb gehindert,
weil die Zeugin Verletzte der zu ihrem Nachteil begangenen Tat ist und
grundsätzlich schon allein die Existenz tatbedingter Schadensersatzansprüche
dem Verfall entgegenstehen kann (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB; vgl. BGHR StGB
§ 73 Tatbeute 1; BGH NStZ 1996, 332; 2003, 533; BGH, Beschl. v. 2. Juli 2003
- 5 StR 182/03; Beschl. vom 18.02.2004 - 5 StR 21/04). Anders kann es
dann liegen, wenn die Geschädigte keinen Anspruch geltend macht und darauf
verzichtet, dem Angeklagten also keine doppelte Inanspruchnahme droht und
der Geschädigten auch keine Ersatzmöglichkeit entzogen wird (BGH, Beschl.
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vom 30. Oktober 2003 - 3 StR 276/03 - BA S. 6). Ähnlich verhält es sich hier,
wie dem Zusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend zu entnehmen ist.
So hat die Zeugin - deren Angaben die Kammer ersichtlich zugrunde legt -
bekundet, der Angeklagte habe "korrekt" abgerechnet und sich "ordentlich"
verhalten (UA S. 14, 16). Der Angeklagte, dessen Einlassung die Kammer insoweit
nicht widerlegt, hat von einer 50 zu 50 Teilung der Einnahmen aus der
Nutzung des Separées berichtet (UA S. 13 f.). Die Zeugin erhielt als Tänzerin
monatlich 1.800 DM, hatte 7,50 DM täglich für die Unterkunft zu entrichten und
mußte allerdings "Auslagen" und "Vermittlungsprovision" an "V. " abführen
(UA S. 15). Da die zwischen der Zeugin und dem Angeklagten getroffenen Absprachen
nicht von vornherein als sittenwidrig und nichtig zu werten sind (vgl.
§ 1 ProstG) und sich aus dem Urteil keinerlei Anhalt dafür ergibt, daß die Zeugin
einen Anspruch gegen den Angeklagten geltend zu machen gedenkt, ist
eine doppelte Inanspruchnahme des Angeklagten nicht zu besorgen.
bb) Für die Anordnung des Wertersatzverfalls hinsichtlich der Prostitutionserlöse
der weiteren Frauen liegen die Voraussetzungen nach den §§ 73,
73a StGB indessen nicht vor. Insoweit ist das Verfahren nach § 154 Abs. 2
StPO eingestellt worden. Damit ist es wegen dieser Taten vorläufig beendet
und die Verhängung von darauf bezogenen Rechtsfolgen im subjektiven Verfahren
ohne Wiederaufnahme nach § 154 Abs. 3 StPO nicht möglich (BGH
NStZ 2003, 422; vgl. auch BGHSt 28, 369). Indessen ergeben die Urteilsgründe
ohne weiteres, daß insoweit die Voraussetzungen des erweiterten Verfalls
vorliegen (§ 73d StGB in Verbindung mit § 181c Satz 2 StGB). Unter diesem
rechtlichen Gesichtspunkt hat die Verfallanordnung im Ergebnis auch insoweit
Bestand. Der grundsätzliche Vorrang des Verfalls nach den §§ 73, 73a StGB
steht nicht entgegen (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73d Rdn.
4).
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Ein solcher kommt hier - wie ausgeführt - wegen der Verfahrenseinstellung
nach § 154 Abs. 2 StPO nicht in Betracht (vgl. aber BGH NStZ 2003, 422). § 73
Abs. 1 Satz 2 StGB gilt für den erweiterten Verfall nicht (BGH NJW 2001, 2239;
BGH, Beschl. vom 3. April 2002 - 1 StR 540/01).
Nack Herr Richter am BGH Dr. Wahl Schluckebier
befindet sich in Urlaub und ist
deshalb an der Unterschrift gehindert.
Nack
Kolz Elf



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