BGH,
Beschl. v. 4.8.2009 - 3 StR 305/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 305/09
vom
4. August 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 4. August 2009 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Wuppertal vom 19. Dezember 2008, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch zu Fall II. 3 der Urteilsgründe dahin
geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge schuldig ist;
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine
Entscheidung zur Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben
Fällen, davon in sechs Fällen tateinheitlich mit
unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, sowie wegen
unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in 30 Fällen zu der
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt; es
hat ausgesprochen, dass hiervon vier Monate als vollstreckt gelten.
Gegen die Verurteilung wendet sich die Revision des Angeklagten mit den
nicht ausgeführten Rügen der Verletzung formellen und
materiellen Rechts.
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Die nicht ausgeführte Verfahrensrüge ist
unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Mit der
allgemeinen Sachrüge hat das Rechtsmittel den aus der
Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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I.
Zu Fall II. 3 der Urteilsgründe ist der Schuldspruch
abzuändern.
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1. Nach den Feststellungen erhielt der Angeklagte vom früheren
Mitangeklagten Sami E 600 Gramm Marihuana mit mindestens 10,9 %
Wirkstoffgehalt, das vom Zeugen K. stammte. Davon sollte er 500 Gramm
gewinnbringend weiterverkaufen und 100 Gramm für
Geschäfte des früheren Mitangeklagten Aziz E.
aufbewahren. Der Angeklagte verkaufte etwa 300 Gramm und
übergab den Erlös dem Zeugen K. . Der Rest des
Marihuanas wurde in seiner Wohnung sichergestellt.
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2. Dies trägt nicht den Schuldspruch wegen
täterschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln. Der Angeklagte ist vielmehr der Beihilfe
zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln,
jeweils in nicht geringer Menge, schuldig.
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a) Für ein Handeltreiben im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr.
1, § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG genügt nicht allein das
Bemühen des Täters, den Umsatz von
Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu
fördern. Der Tatbestand setzt vielmehr auch voraus, dass der
Täter aus Eigennutz handelt; er muss sich von seinem Tun einen
persönlichen Vorteil versprechen, durch den er materiell oder
immateriell besser gestellt wird (BGH NStZ 2006, 578). Wer nicht selbst
eigennützig handelt, sondern lediglich den Eigennutz eines
anderen unterstützen will, etwa wenn er das
Betäubungsmittel für andere
veräußert, ohne dass ihm der Erlös
wenigstens zeitweise wirtschaftlich zur Verfügung steht, kann
nicht Täter des Handeltreibens sein, sondern ist Gehilfe
(BGHSt 34, 124, 125 ff.; BGH StV 1992, 232). So liegt der Fall hier.
Der Angeklagte führte den vollständigen
Erlös aus dem Verkauf der 300 Gramm Marihuana an K. ab.
Hinweise darauf, dass ihm für seine Tätigkeit ein
Vorteil zufließen sollte, ergeben sich aus den
rechtsfehlerfreien Feststellungen der Strafkammer nicht.
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b) Neben der Beihilfe zum Handeltreiben behält die
täterschaftliche Begehungsform des Besitzes ihre
selbständige Bedeutung; es besteht Tateinheit (BGH StV 1992,
232; 1998, 587).
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Der Senat hat den Schuldspruch zu diesem Fall entsprechend
abgeändert, da weitergehende Feststellungen, die eine
Verurteilung des Angeklagten wegen täterschaftlichen
Handeltreibens tragen würden, nicht mehr zu erwarten
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sind. § 265 StPO steht der Änderung nicht entgegen;
der geständige Angeklagte hätte sich auf einen
entsprechenden Hinweis nicht abweichend verteidigen können.
3. Der Rechtsfehler berührt nicht den Strafausspruch. Es ist
auszuschließen, dass die Strafkammer für die Tat bei
zutreffender rechtlicher Würdigung eine mildere Einzelstrafe
als die ausgesprochenen "12 Monate Freiheitsstrafe" festgesetzt
hätte.
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II.
Keinen Bestand hat das Urteil, soweit eine Entscheidung zur Frage der
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§
64 StGB) unterblieben ist.
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1. Nach den Feststellungen kam der Angeklagte bereits nach der
Hauptschule mit Marihuana und Haschisch in Kontakt. Am 12. August 1998
und erneut im Jahre 2000 wurde er einschlägig verurteilt; nach
der Entlassung aus der Haft im März 2001 konsumierte er
"regelmäßig und in steigenden Mengen" Marihuana. Am
7. März 2003 folgte eine weitere einschlägige
Verurteilung. Die nunmehr unter II. 1 und 2 festgestellten Taten
belegen für die Zeit bis März 2005 ebenfalls einen
nicht unerheblichen Konsum von Marihuana; soweit der Angeklagte Handel
getrieben hat, dienten die Straftaten "jedenfalls zu Beginn" vor allem
dazu, den Eigenbedarf zu finanzieren. Dem Angeklagten eine
günstige Prognose zu stellen sieht sich die Strafkammer
außerstande.
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2. Die sich hiernach aufdrängende Prüfung, ob die
Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegeben
sind, ist rechtsfehlerhaft
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unterblieben. Über die Anordnung der Maßregel muss
deshalb neu verhandelt und entschieden werden; unter Hinzuziehung eines
Sachverständigen (§ 246 a StPO) werden hierzu
insgesamt neue Feststellungen zu treffen sein. Dass nur der Angeklagte
Revision eingelegt hat, stünde der Anordnung der
Maßregel nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).
Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Landgericht
nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362
f.).
Becker Pfister Sost-Scheible
Hubert Mayer |