Darstellung der BGH-Rechtsprechung zum Strafrecht ::     
 LINKWEG ::: inhalt / entscheidungen
 
BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2003 - 4 StR 439/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 4.12.2003 - 4 StR 439/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 439/03
vom
4.12.2003
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4.12.2003 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Bochum - Auswärtige Strafkammer Recklinghausen
- vom 4. Juli 2003 mit den Feststellungen
aufgehoben
a) in den Aussprüchen über die in den Fällen II. 2 bis
15 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen,
b) im Gesamtstrafenausspruch.
2. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von
Kindern in 15 Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung, zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner
Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
- 3 -
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlußformel ersichtlichen
Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat
zum Schuldspruch keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.
Dagegen kann der Strafausspruch in Bezug auf die in den Fällen II. 2 bis 15
der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe
keinen Bestand haben.
Das Landgericht hat bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten
berücksichtigt, er habe es zugelassen, „daß - zur sicheren Überzeugung der
Kammer - seine Frau und sein Sohn falsch zu seinen Gunsten ausgesagt haben“
(UA 21). Dies hält - wie die Revision zu Recht rügt - rechtlicher Nachprüfung
nicht stand, denn es läßt besorgen, daß die Strafkammer das bloße Dulden
der Falschaussagen in der Hauptverhandlung als Strafschärfungsgrund
angesehen hat. Ein solches Prozeßverhalten des Angeklagten zu seinen Lasten
zu werten ist jedoch nur zulässig, wenn es Ausdruck von Rechtsfeindlichkeit
und Uneinsichtigkeit ist (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 20 und
Verteidigungsverhalten 12; Senatsbeschlüsse vom 24. März 1995 - 4 StR
113/95 und 10. März 1998 - 4 StR 66/98). Dies käme insbesondere dann in
Betracht, wenn der Angeklagte die Zeugen zu den Falschaussagen zu seinen
Gunsten veranlaßt oder sie in Kenntnis ihrer Bereitschaft hierzu als Zeugen
benannt hat. Dafür ist jedoch nichts festgestellt.
Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Einzelstrafaussprüche
in den Fällen 2 bis 15 der Urteilsgründe (Geschädigte Yvonne
T. ) und des Ausspruches über die Gesamtstrafe. Der Senat kann jedoch
- 4 -
ausschließen, daß er sich auf die Bemessung der Einzelstrafe im Fall 1 (Geschädigte
Nadine H. ) zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat; diese
kann daher bestehen bleiben.
Der mit der erneuten Strafzumessung befaßte Tatrichter wird zu beachten
haben, daß das Leugnen der Tat ein zulässiges Verteidigungsverhalten
eines Angeklagten darstellt. Der vom Landgericht weiterhin angeführte Gesichtspunkt,
daß dadurch der Geschädigten eine erneute - gerichtliche - Vernehmung
nicht erspart bleibt, darf daher - für sich gesehen - nicht zu Lasten
des Angeklagten gewertet werden (vgl. hierzu BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten
15).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible



:: freigabestatus allgemein    
             © 2010 - 2017 Peter Wiete • E-Mail:  info@wiete-strafrecht.de