BGH,
Beschl. v. 4.12.2008 - 3 StR 494/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 494/08
vom
4. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Vergewaltigung u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 4. Dezember
2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten M. P. wird das Urteil des Landgerichts
Duisburg vom 20. Februar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit
es die Angeklagte betrifft.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin W. hierdurch entstandenen notwendigen
Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den nicht revidierenden, zwischenzeitlich
verstorbenen Mitangeklagten Wa. P. wegen Vergewaltigung in 104
Fällen, davon in 39 Fällen in Tateinheit mit schwerem
sexuellen Missbrauch von Kindern, wegen schweren sexuellen Missbrauchs
von Kindern in 24 Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von
Kindern in 27 Fällen, davon in zwei Fällen in
Tateinheit mit sexueller Nötigung, zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und neun Monaten verurteilt und
seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Die Angeklagte M. P. hat es wegen Beihilfe zur Vergewaltigung in 78
Fällen, davon in 13 Fällen in Tateinheit mit Beihilfe
zu schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern, zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Mit
ihrer Revision beanstandet die
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Angeklagte M. P. das Verfahren und rügt die Verletzung
materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge
Erfolg. Auf die Verfahrensrüge kommt es danach nicht mehr an.
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam die am 15. Februar 1989
geborene Nebenklägerin im Jahre 1995 als Pflegekind in den
Haushalt der Angeklagten. Der Mitangeklagte, der als Fernfahrer
tätig war, nahm die Nebenklägerin u. a. in der Zeit
vom 6. Mai 2002 bis zum 14. Februar 2005 wiederholt zu Lkw-Fahrten mit.
Anlässlich dieser Fahrten steuerte er einen Rasthof oder
Parkplatz an, verriegelte die Türen des Lkw, zog die
Vorhänge zu und vollzog mit der Nebenklägerin in 78
Fällen den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss.
In 13 der genannten Fälle war sie jünger als 14 Jahre
alt. Die Angeklagte M. P. hatte seit Oktober 2001 von vorangegangenen
sexuellen Übergriffen ihres Ehemannes auf die
Nebenklägerin Kenntnis. Sie duldete aber gleichwohl im
genannten Tatzeitraum, dass die Nebenklägerin den
Mitangeklagten auf den Lkw-Fahrten begleitete und unternahm keine
Anstrengungen, um sie seinem Einfluss zu entziehen. Dabei wusste die
Angeklagte, dass der Mitangeklagte die Fahrten dazu nutzte, um auf
Rastplätzen ungestört mit seiner Pflegetochter
geschlechtlich zu verkehren, und ihr war klar, dass es für die
Geschädigte aus dieser Situation kein Entrinnen geben
würde. In einem Fall im Oktober 2003 sagte die Angeklagte der
Nebenklägerin, die es abgelehnt hatte, den Mitangeklagten auf
einer am nächsten Tag anstehenden Fahrt zu begleiten, sie
solle mitfahren und packte ihr dafür eine Tasche. Auch bei
dieser Fahrt führte der Mitangeklagte den Geschlechtsverkehr
mit der Nebenklägerin aus.
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II. Der Schuldspruch gegen die Angeklagte M. P. hält
rechtlicher Prüfung nicht stand.
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Die Annahme des Landgerichts, der Haupttäter, der
Mitangeklagte Wa. P. , habe sich in den die Beschwerdeführerin
betreffenden 78 Fällen wegen Vergewaltigung zum Nachteil
seiner Pflegetochter strafbar gemacht, weil er sie im Sinne des
§ 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB unter Ausnutzung einer schutzlosen
Lage zur Duldung des Geschlechtsverkehrs genötigt habe,
begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die
Ausführungen zur rechtlichen Würdigung der
festgestellten Handlungen des (Haupt-)Täters lassen besorgen,
dass das Landgericht die Voraussetzungen, die nach neuerer
Rechtsprechung an diese Tatbestandsalternative des § 177 Abs.
1 StGB zu stellen sind, verkannt hat.
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Von § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB werden danach Fälle
erfasst, in denen zwar weder Gewalt ausgeübt noch mit
gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben des Opfers
gedroht wird, dieses aber aus Furcht vor möglichen
Einwirkungen des Täters auf einen ihm grundsätzlich
möglichen Widerstand verzichtet, weil es sich in einer
hilflosen Lage befindet und ihm Widerstand gegen den
überlegenen Täter aussichtslos erscheint (BGHSt 50,
359, 364 ff.; 51, 280, 284). Erforderlich ist dabei stets, dass sich
das Opfer aus Angst vor körperlicher
Beeinträchtigung, also vor Körperverletzungs- oder
gar Tötungshandlungen, nicht gegen den Täter zur Wehr
setzt; es genügt nicht, dass es dies aus Furcht vor der
Zufügung anderer Übel unterlässt (BGHSt 51,
280, 285; BGH NStZ 2003, 533, 534).
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Eine solche Angst der Nebenklägerin vor körperlichen
Beeinträchtigungen ist in dem angefochtenen Urteil nicht
belegt. Den Feststellungen ist - was für die Annahme einer
schutzlosen Lage nicht ausreicht - lediglich zu entnehmen, dass die
Geschädigte die Übergriffe duldete, um nicht getrennt
von ihrer Schwester in einem Kinderheim untergebracht zu werden. Ob
darüber hinaus
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auch frühere Drohungen des Mitangeklagten, etwaigen
körperlichen Widerstand der Nebenklägerin
gegebenenfalls zu überwinden, zumindest mitursächlich
für die fehlende Gegenwehr der Nebenklägerin bei den
Taten waren, ergibt das Urteil hingegen nicht. Dies versteht sich auch
nicht von selbst. Vielmehr hat das Landgericht einen
gewalttätigen Umgang des Mitangeklagten mit der
Nebenklägerin, der im Sinne eines "Klimas der Gewalt"
für ein Fortwirken der Furcht vor Gewalteinwirkungen
ausreichen könnte (vgl. BGH NStZ 2005, 268), gerade nicht
festgestellt. Dem Urteil ist nur zu entnehmen, dass zwar die
Beschwerdeführerin, nicht aber der Mitangeklagte die
Nebenklägerin gelegentlich schlug.
Damit sind für den Haupttäter bereits die objektiven
Voraussetzungen für das Vorliegen von Vergewaltigungstaten im
Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht
rechtsfehlerfrei festgestellt, so dass die Verurteilung der Angeklagten
wegen Beihilfe zu diesen Taten schon aus diesem Grund keinen Bestand
haben kann. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass das Landgericht
darüber hinaus nicht erörtert hat, ob die Angeklagte
von Drohungen des Mitangeklagten und entsprechenden Ängsten
der Nebenklägerin vor körperlichen
Beeinträchtigungen, Kenntnis hatte, mithin bei ihr ein
Beihilfevorsatz hinsichtlich einer Vergewaltigung nach § 177
Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 StGB vorlag. Soweit der
Haupttäter in 13 Fällen rechtsfehlerfrei wegen
tateinheitlich begangenen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
verurteilt worden ist, unterliegen diese Taten insgesamt der Aufhebung
(BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
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III. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass
ein bloßes Unterlassen der Angeklagten, die
Nebenklägerin der Zugriffsmöglichkeit des
Mitangeklagten zu entziehen, sich nicht als eine Vielzahl rechtlich
selbständiger Beihilfetaten darstellen würde. Jeder
Beteiligte ist für die Frage, ob eine oder
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mehrere Straftaten vorliegen, nur nach seinem eigenen Tatbeitrag zu
beurteilen. Besteht die Beihilfe aus einem einzigen pflichtwidrigen
Unterlassen, stellt sie sich auch bei mehreren selbständigen
Haupttaten als eine einheitliche Teilnahmehandlung dar (vgl. Fischer,
StGB 55. Aufl. vor § 52 Rdn. 34 m. w. N.). Insoweit nimmt der
Senat auf die zutreffenden Ausführungen des
Generalbundesanwalts Bezug.
Sollte der neue Tatrichter bei der Beschwerdeführerin erneut
das Vorliegen einer Unterlassenstat annehmen, wird er zudem Gelegenheit
haben, die Vorschrift des § 13 Abs. 2 StGB zu
erörtern. Allerdings legen die in der ersten Hauptverhandlung
getroffenen Feststellungen die Anwendung der nur fakultativen
Strafmilderung nicht nahe.
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Becker Miebach Sost-Scheible
Hubert Schäfer |