BGH,
Beschl. v. 4.2.2003 - GSSt 1/02
GSSt 1/02
BtMG § 30 a Abs. 2 Nr. 2
Bei gemeinschaftlicher Tatbegehung kann nicht nur derjenige
Täter eines Verbrechens nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG
sein, der selbst unmittelbar Zugriff auf eine mitgeführte
Schußwaffe oder einen sonstigen Gegenstand im Sinne dieser
Vorschrift hat. Vielmehr kann die vom gemeinsamen Tatplan
umfaßte Bewaffnung eines Mittäters den
übrigen Tätern nach allgemeinen Grundsätzen
(§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet werden.
BGH, Beschluß vom 4. Februar 2003 - Großer Senat
für Strafsachen - - Landgericht Duisburg -
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
4. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
Der Große Senat für Strafsachen des
Bundesgerichtshofes hat durch den Präsidenten des
Bundesgerichtshofes Prof. Dr. Hirsch, die Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien, den Vorsitzenden Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf, die Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, den Vorsitzenden Richter am
Bundesgerichtshof Nack sowie die Richter am Bundesgerichtshof Dr. h. c.
Detter, Häger, Maatz,
Basdorf, Winkler und Dr. Wahl am 4. Februar 2003 beschlossen:
Bei gemeinschaftlicher Tatbegehung kann nicht nur derjenige
Täter eines Verbrechens nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG
sein, der selbst unmittelbar Zugriff auf eine mitgeführte
Schußwaffe oder einen sonstigen Gegenstand im Sinne dieser
Vorschrift hat. Vielmehr kann die vom gemeinsamen Tatplan
umfaßte Bewaffnung eines Mittäters den
übrigen Tätern nach allgemeinen Grundsätzen
(§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet werden.
Gründe:
I.
Das Landgericht Duisburg hat den Angeklagten unter anderem wegen
unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge unter Mitführen einer Schußwaffe (§
30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit unerlaubtem
"gewerbsmäßigen" Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln verurteilt.
1. Nach den Feststellungen wollten der Angeklagte und der gesondert
verfolgte P. künftig in den Niederlanden Drogen erwerben und
in Deutschland gewinnbringend weiterverkaufen. Sie fuhren in einem vom
Angeklagten geliehenen Pkw nach V. , um einen Verkäufer zu
finden. Auf dem Marktplatz lernten sie einen Dealer kennen, der mit
ihnen "gemeinsam ... im Pkw des Angeklagten" nach R. fuhr und ihnen
dort 1.000 Ecstasy-Tabletten und 200 Gramm Amphetamin verkaufte. Mit
diesen Drogen fuhren der Angeklagte und P. nach O. zurück. Auf
die Fahrt hatte P. eine geladene Gaspistole mitgenommen, bei der das
Gas aus der Laufmündung nach vorne austritt. Er folgte damit
unter Zurückstellung eigener Bedenken der Aufforderung des
Angeklagten. Dieser wollte aus Sicherheitsgründen eine Waffe
dabeihaben, weil ein Kontakt mit einem unbekannten Dealer erst noch
geschaffen werden sollte und er einen größeren
Bargeldbetrag mit sich führte. Die Pistole lag von Beginn bis
Ende der Fahrt im Handschuhfach des Fahrzeugs. Der Angeklagte glaubte
jedoch, P. habe die Pistole beim Verlassen des Pkw in V. an sich
genommen.
2. Das Landgericht hat einen minder schweren Fall (§ 30 a Abs.
3 BtMG) angenommen, da sich die Pistole "bei dem außerhalb
des Fahrzeugs abgewickelten Ankaufsgeschäft" im Handschuhfach
befand und bei der "anschließenden Einfuhr keine Funktion
mehr haben sollte", und hat eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren
verhängt.
3. Auf die Revision des Angeklagten hat der Generalbundesanwalt
beantragt, den Schuldspruch in dem geschilderten Fall dahin
abzuändern, daß der Angeklagte der Anstiftung zum
bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit
mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln und mit
unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils
nicht geringer Menge schuldig ist.
Der 3. Strafsenat möchte - vom Wegfall des tateinheitlich
abgeurteilten Tatbestandes der bewaffneten Einfuhr von
Betäubungsmitteln abgesehen - den Schuldspruch wegen eines
mittäterschaftlich begangenen Verbrechens nach § 30 a
Abs. 2 Nr. 2 BtMG bestätigen. Jedenfalls bei der
Rückfahrt nach O. , bei der die Drogen in die Bundesrepublik
eingeschmuggelt wurden und die deshalb Teil des Handeltreibens sei,
habe P. unmittelbar auf die Pistole Zugriff nehmen können.
Dies reiche aus, da bewaffnetes Handeltreiben bereits vorliege, wenn
der qualifizierende Umstand bei einem von mehreren Einzelakten
verwirklicht sei (BGH JR 1998, 254 f.; BGH NStZ 2000, 433 m. w. N.).
Dem Angeklagten, auf dessen Weisung P. die Pistole mitgenommen habe,
sei dieses Mitführen der Waffe gemäß
§ 25 Abs. 2 StGB als Teil des gemeinsamen Tatplans
zuzurechnen. Weder Wortlaut noch Zweck des Gesetzes rechtfertigten, von
diesen allgemeinen Grundsätzen abzuweichen. An dieser
Entscheidung sieht sich der 3. Strafsenat jedoch durch die
Rechtsprechung des 1. Strafsenats (BGHSt 42, 368; bestätigt u.
a. durch BGH StV 1997, 638) gehindert.
4. Auf die Anfrage des 3. Strafsenats vom 14. Dezember 2001 (NJW 2002,
1437) hat der 1. Strafsenat am 3. April 2002 beschlossen, daß
er an seiner Rechtsansicht festhalte, und dies näher
ausgeführt (NJW 2002, 600). Die übrigen Strafsenate
haben erklärt, ihre Rechtsprechung stehe der beabsichtigten
Entscheidung nicht entgegen (2. Strafsenat: Beschl. vom 20.
März 2002 - 2 ARs 68/02; 4. Strafsenat: Beschl. vom 20.
März 2002 - 4 ARs 15/02; 5. Strafsenat: Beschl. vom 19.
März 2002 - 5 ARs 13/02).
5. Durch Beschluß vom 7. Mai 2002 (StV 2002, 486) hat der 3.
Strafsenat die Sache dem Großen Senat nach § 132
Abs. 2 und 4 GVG mit folgender Rechtsfrage vorgelegt:
"Ist bei gemeinschaftlicher Tatbegehung nur derjenige Täter
des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, der selbst unmittelbar Zugriff
auf die mitgeführte Schußwaffe hat, oder kann die
vom gemeinsamen Tatplan umfaßte Bewaffnung eines
Mittäters auch den übrigen nach allgemeinen
Grundsätzen (§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet werden?".
Der Generalbundesanwalt vertritt die Auffassung, daß die vom
gemeinsamen Tatplan umfaßte Bewaffnung eines
Mittäters den übrigen Mittätern nach
allgemeinen Grundsätzen (§ 25 Abs. 2 StGB)
zugerechnet werden kann.
II.
Die Vorlage ist schon nach § 132 Abs. 2 GVG zulässig.
Der 3. Strafsenat kann nicht so wie beabsichtigt entscheiden, ohne von
der Rechtsprechung des 1. Strafsenats abzuweichen.
III.
Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die
vorgelegte Rechtsfrage dahin, daß bei gemeinschaftlicher
Tatbegehung nicht nur derjenige Täter eines Verbrechens nach
§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG sein kann, der selbst unmittelbar
Zugriff auf eine mitgeführte Schußwaffe oder einen
sonstigen Gegenstand im Sinne dieser Vorschrift hat. Vielmehr kann die
vom gemeinsamen Tatplan umfaßte Bewaffnung eines
Mittäters den übrigen Tätern nach
allgemeinen Grundsätzen (§ 25 Abs. 2 StGB)
zugerechnet werden.
1. Nach dem in § 25 Abs. 2 StGB verankerten Grundgedanken der
mittäterschaftlichen Verantwortung ist jeder als
Täter zu bestrafen, der aufgrund eines gemeinschaftlichen
Tatentschlusses seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des
anderen und denjenigen des anderen als Ergänzung seines
Tatanteils will (st. Rspr., vgl. BGH NJW 1998, 2149 f. m. w. N.). Daher
wird jeder vom gemeinsamen Tatplan umfaßte Tatbeitrag eines
Mittäters den übrigen als eigener zugerechnet (BGH
NStZ 1990, 130).
Dies gilt allgemein, aber auch für
qualifikationsbegründende tatbezogene Merkmale (Cramer/Heine
in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 25
Rdn. 85), somit auch für die Bewaffnung eines
Mittäters bei § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, da es sich um
ein tatbezogenes Unrechtsmerkmal handelt, das die
Gefährlichkeit der Tat näher umschreibt (BGHR BtMG
§ 30 a Abs. 2 Mitsichführen 6 = NStZ 2000, 431, 432;
Franke/Wienroeder, BtMG 2. Aufl. § 30 a Rdn. 21). Solche
Merkmale, für die § 28 Abs. 2 StGB nicht anwendbar
ist, können grundsätzlich arbeitsteilig mit der Folge
verwirklicht werden, daß sich jeder Mittäter die vom
gemeinsamen Tatplan umfaßten Tatbeiträge der anderen
als Teil seines eigenen Tuns zurechnen lassen muß (st. Rspr.,
vgl. BGHSt 39, 236, 238 m. w. N.).
2. Der Wortlaut des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG steht der
Anwendung des § 25 Abs. 2 StGB nicht entgegen.
Grundsätzlich orientiert sich die Formulierung von
Straftatbeständen an der Begehung durch einen
Einzeltäter. Es entspricht dem Wesen der
Mittäterschaft, daß nicht jeder Täter alle
Tatbestandsmerkmale in eigener Person verwirklicht. Vielmehr stellt
§ 25 Abs. 2 StGB klar, daß das Handeln eines
Mittäters den anderen zugerechnet werden kann. Diese
Zurechnung scheidet nur dann aus, wenn dem Wortlaut ausnahmsweise zu
entnehmen ist, daß ein bestimmtes Merkmal von jedem
Mittäter, auf den die Strafvorschrift angewandt werden soll,
persönlich erfüllt sein muß. Dies ist
jedoch bei der Formulierung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht
der Fall.
3. Die nach § 25 Abs. 2 StGB grundsätzlich gebotene
mittäterschaftliche Zurechnung entspricht auch dem vom
Gesetzgeber mit der Schaffung des Qualifikationstatbestandes des
§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verfolgten Ziel. Die Vorschrift ist
durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 18. Oktober 1994
(BGBl I 3186) eingeführt worden und soll der besonderen
Gefährlichkeit von Fällen des Rauschgifthandels mit
größeren Mengen gerecht werden, bei denen die
Täter Schußwaffen oder gefährliche
Gegenstände mit sich führen und deshalb die Gefahr
besteht, daß sie zur Durchsetzung ihrer Interessen davon
rücksichtslos Gebrauch machen (BTDrucks. 12/6853 S. 41).
Dieses Ziel würde nur sehr eingeschränkt erreicht
werden können, wenn lediglich die Waffenträger, nicht
aber die - in der Hierarchie des Betäubungsmittelhandels
häufig über diesen stehenden - Mittäter
erfaßt werden könnten, die an der Tat mitwirken,
obgleich die Bewaffnung der anderen Inhalt des gemeinsamen Tatplans
ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die
Hintermänner des Drogenhandels
erfahrungsgemäß bemüht sind, aus
Gründen der Vorsicht nicht selbst mit Gegenständen in
Berührung zu kommen, die sie bei einem überraschenden
polizeilichen Zugriff der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen (vgl.
Weber NStZ 2002, 601, 602).
4. Bei der Vorschrift des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG handelt es
sich nicht um ein eigenhändiges Delikt. Die Rechtsprechung
stellt bei der Annahme solcher Delikte darauf ab, ob das
maßgebliche Unrecht weniger in der Gefährdung des
Rechtsguts als in eigenem verwerflichen Tun liegt (BGHSt 6, 226, 227;
41, 242, 243). Weder die Fassung des Tatbestandes noch die genannte
Intention des Gesetzgebers, der von der besonderen
Gefährlichkeit der Tat ausgeht und insoweit von
"Tatmodalitäten" spricht (BTDrucks. 12/6853 S. 41), geben
dafür einen Anhalt. Zudem steht bei den Strafvorschriften des
Betäubungsmittelstrafrechts der Rechtsgüterschutz
derart im Vordergrund, daß der Unwert einer
eigenhändigen Verwirklichung des Delikts durch den
Täter völlig zurücktritt
(Weber NStZ 2002, 601, 602; vgl auch ders., BtMG vor § 29 Rdn.
91).
5. Die Systematik des Gesetzes, insbesondere der Vergleich mit anderen
Strafvorschriften, bei denen die Bewaffnung eines Beteiligten zur
Annahme eines Qualifikationstatbestandes führt, gebietet den
Ausschluß mittäterschaftlicher Zurechnung nicht.
a) Zwar wird in einigen Vorschriften wie § 113 Abs. 2 Satz 2
Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
StGB das Qualifikationsmerkmal dahin formuliert, daß der
"Täter oder ein Beteiligter" die Waffe bei sich
führen müsse, während § 30 a Abs. 2
Nr. 2 BtMG nur vom "Täter" spricht. Doch gibt dieser
unterschiedliche Wortlaut keine Veranlassung, bei § 30 a Abs.
2 Nr. 2 BtMG die Zurechnung der Bewaffnung über die
allgemeinen Regeln der Mittäterschaft
auszuschließen. Denn die Fassung der erstgenannten
Tatbestände findet ihren Sinn darin, daß die
Qualifikation bereits bei der Bewaffnung eines Teilnehmers, also eines
Gehilfen oder Anstifters, gegeben ist. Dabei müssen die
Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 StGB gerade nicht gegeben
sein, es genügt, daß die Bewaffnung des Teilnehmers
vom Vorsatz umfaßt ist. Demgegenüber bewirkt die bei
§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gewählte
einschränkende Formulierung ("der Täter"),
daß in einem Fall, in dem ein Rauschgifthändler von
einem bewaffneten Gehilfen begleitet wird, die Bewaffnung des
Teilnehmers grundsätzlich weder bei diesem noch beim
Haupttäter zur Anwendung des Qualifikationstatbestandes des
§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG führt (BGH NStZ 2000, 431
f.). Anderes kann gelten, sofern der Haupttäter in der Lage
ist, auf die Waffe jederzeit auch selbst zuzugreifen oder über
ihren Einsatz im Wege eines Befehls zu verfügen. In diesen
Fällen ist die Annahme der Qualifikation über
mittelbare Täterschaft gerechtfertigt (BGHSt 43, 8, 14 -
"Leibwächterfall").
b) Allerdings hat die Rechtsprechung beim bewaffneten Landfriedensbruch
nach § 125 a Satz 2 Nr. 2 StGB das eigenhändige
Führen der Waffe für erforderlich gehalten und dies
mit dem Wortlaut der Vorschrift ("wenn der Täter"), dem
Vergleich mit der Formulierung "oder ein anderer Beteiligter" in
anderen Vorschriften, der Entstehungsgeschichte und dem Charakter der
Norm als Massendelikt begründet (BGHSt 27, 56; so auch
Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 125 a Rdn. 3; v.
Bubnoff in LK 11. Aufl. § 125 a Rdn. 11 f.; aA Lenckner in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 125 a
Rdn. 6; Rudolphi in SK-StGB § 125 a Rdn. 5). Es kann
dahinstehen, ob dieser Auffassung uneingeschränkt
beizupflichten ist. Auch bei gleichem Wortlaut kann derselbe Begriff in
verschiedenen Tatbeständen nach deren Zweck unterschiedlich
ausgelegt werden (BGHSt 44, 62, 66). Mit Blick auf die Besonderheit des
Landfriedensbruchs als "Massendelikt" kommt dort dem Erfordernis
eigenhändiger Begehung im Interesse einer praktikablen
Abgrenzung des Täterkreises erhebliches Gewicht zu. Dieser
Gesichtspunkt ist für § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ohne
Belang.
c) Ein Vergleich mit der Neufassung des § 177 StGB
bestätigt dieses Ergebnis. Dort hat der Gesetzgeber mit dem 6.
StrRG vom 26. Januar 1998 (BGBl I 164) in Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 4 Nr. 1
neue Qualifikationstatbestände geschaffen, in denen er auf die
Bewaffnung des "Täters" abstellt. Daß er hierbei die
Zurechnung der Bewaffnung auf Mittäter ausschließen
wollte, ist den Materialien nicht zu entnehmen. Dementsprechend wird in
den bislang veröffentlichten Stellungnahmen zu dieser Frage
eine eigenhändige Bewaffnung nicht für erforderlich
gehalten (Tröndle/Fischer aaO § 177 Rdn. 42;
Lenckner/ Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl.
§ 177 Rdn. 26; Renzikowski NStZ 1999, 377, 382 f.).
6. Zu einer einschränkenden Auslegung des Tatbestandes des
bewaffneten Handeltreibens (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) dahin,
daß eine mittäterschaftliche Zurechnung nach
§ 25 Abs. 2 StGB verneint wird, zwingt auch nicht die Weite
des Merkmals des Handeltreibens im Zusammenhang mit der hohen
Mindeststrafandrohung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG von
fünf Jahren Freiheitsstrafe.
Richtig ist allerdings, daß infolge der weiten Auslegung des
Begriffs des Handeltreibens auch Tätigkeiten erfaßt
werden, die weit im Vorfeld eines Drogenumsatzes liegen oder bei denen
es letztlich nicht dazu kommt, daß Rauschmittel in den
Verkehr gelangen (vgl. Weber, BtMG § 29 Rdn. 84 ff. m. w. N.).
Da es für den Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens nach
§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG bereits ausreicht, daß die
Merkmale einerseits des Handeltreibens in nicht geringer Menge und
andererseits der Bewaffnung erfüllt sind, unterliegen damit
der hohen Mindeststrafdrohung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG
auch Verhaltensweisen, bei denen die Waffe weder beim Umgang mit den
Drogen oder dem Kaufgeld noch beim Kontakt mit den
Geschäftspartnern geführt wird und bei denen es nach
Lage der Dinge ausgeschlossen erscheint, daß der
Täter in eine Situation kommen wird, die für ihn
Anlaß zum Schußwaffengebrauch sein könnte.
In solchen Fällen mag es je nach Sachlage an der vom
Gesetzgeber als Motiv für die Schaffung dieses Tatbestandes
herangezogenen besonderen Gefährlichkeit (BTDrucks. 12/6853 S.
41) fehlen.
Dem kann jedoch nicht durch den Ausschluß
mittäterschaftlicher Zurechnung nach § 25 Abs. 2 StGB
sachgerecht entgegengewirkt werden. Denn es wäre systemwidrig,
der sich aus der Weite des Begriffs des Handeltreibens ergebenden
Gefahr einer übermäßigen Ausdehnung des
Anwendungsbereichs des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG durch den
Ausschluß der mittäterschaftlichen Zurechnung des
Mitsichführens einer Schußwaffe oder eines sonstigen
Gegenstandes im Sinne dieser Vorschrift zu begegnen. Die weite
Auslegung des Begriffs des Handeltreibens gilt nämlich ebenso
für Einzeltäter; auch bei deren Umgang mit
Betäubungsmitteln kann es an der tatbestandsspezifischen
Gefährlichkeit fehlen. Zum anderen würde sich diese
mit Blick auf Anwendungsprobleme bei einer einzelnen Begehungsform des
§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG (Handeltreiben) vorgenommene
Einschränkung ohne sachliche Rechtfertigung auch auf alle
anderen Tatbestandsvarianten, nämlich Einfuhr, Ausfuhr oder
Sichverschaffen, auswirken (vgl. Weber NStZ 2002, 601, 602).
Ob eine einschränkende Auslegung in Fällen geboten
sein mag, in denen die den Qualifikationstatbestand des § 30 a
Abs. 2 Nr. 2 BtMG begründende besondere
Gefährlichkeit des - allein- oder mittäterschaftlich
begangenen - Handeltreibens mit nicht geringen Mengen nicht gegeben ist
(vgl. dazu Lenckner NStZ 1998, 257, 258; Paul NStZ 1998, 222; Zaczyk JR
1998, 256; Paeffgen in FS 50 Jahre BGH, Festgabe der Wissenschaft, Bd.
IV S. 725;
Hecker NStZ 2000, 208 f.; Nestler StV 2002, 504 f.;
Endriß/Malek, Betäubungsmittelstrafrecht 2. Aufl.
Rdn. 501), braucht der Große Senat im Rahmen der ihm
gestellten Frage nicht zu beantworten.
Im übrigen bietet § 30 a Abs. 3 BtMG die
Möglichkeit, ohne tatbestandliche Einschränkung in
extrem untypisch gelagerten Fällen, die nicht aus anderen
Gründen (z. B. Qualität und Menge des betroffenen
Rauschgiftes) die Anwendung des Normalstrafrahmens nach § 30 a
Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfordern, die Verhängung der hohen
Mindeststrafe von fünf Jahren zu vermeiden.
Hirsch Tepperwien Tolksdorf Rissing-van Saan Nack Detter Häger
Maatz Basdorf Winkler Wahl |