BGH,
Beschl. v. 4.2.2009 - 2 StR 586/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 586/08
vom
4. Februar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 4. Februar 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier
vom 15. September 2008 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit eine
Entscheidung über die Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei
Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier
Jahren und sechs Monaten verurteilt und ein Mobiltelefon der Marke
Nokia eingezogen. Seine auf die Sachrüge gestützte
Revision hat nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang
Erfolg.
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1. Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Urteils weisen keinen
durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insoweit
ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs.
2 StPO.
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2. Das Urteil kann jedoch nicht bestehen bleiben, soweit eine
Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist. Das
Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte seit vielen Jahren
zwar nicht körperlich, aber psychisch von
Betäubungsmitteln abhängig sei. Die Taten habe er
aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit
begangen. Er benötige in jedem Fall eine stationäre
Drogenentwöhnungstherapie. Die Kammer hat deshalb bereits in
den Urteilsgründen der Zurückstellung der
Vollstreckung des Strafrestes zur Durchführung einer solchen
Therapie zugestimmt.
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Auf der Grundlage dieser Feststellungen hätte sich der
Tatrichter mit der Anordnung einer Maßregel
gemäß § 64 StGB auseinandersetzen
müssen. Die unterlassene Prüfung erweist sich auch
nicht deshalb als entbehrlich, weil nach § 64 StGB in der
Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.
Juli 2007 (BGBl. I S. 1327) die Maßregel nicht mehr zwingend
anzuordnen ist. Denn das Gericht muss das ihm nunmehr
eingeräumte Ermessen auch tatsächlich
ausüben und dies in den Urteilsgründen kenntlich
machen (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 73 f.; Beschl. vom 9. September 2008 - 3
StR 337/08).
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Dass vollstreckungsrechtlich die Möglichkeit eines Vorgehens
nach § 35 BtMG in Betracht kommt - und hier vom Landgericht
befürwortet wird - rechtfertigt für sich allein das
Absehen von der Prüfung und gegebenenfalls der Anordnung der
Maßregel nach § 64 StGB nicht (BGH StV 2008, 405;
Beschl. vom 27. Juni 2008 - 3 StR 212/08).
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Im Übrigen sind nach den Feststellungen keine Anhaltspunkte
dafür erkennbar, dass der Angeklagte nicht gefährlich
im Sinne dieser Vorschrift ist oder keine hinreichend konkrete Aussicht
besteht, ihn durch die Behandlung in
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einer Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen oder über
eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren
(§ 64 Satz 2 StGB). Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt
hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht
(§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5; BGH NStZ-RR 2008,
107). Über die Maßregelanordnung ist daher unter
Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a Satz 2
StPO) neu zu entscheiden.
Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei
Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt
hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
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3. Ergänzend bemerkt der Senat: Die vom Tatrichter unter
Berufung auf BGHSt 47, 369 (= NJW 2002, 3339) vertretene Auffassung,
dass der Wertersatzverfall immer zwingend in Höhe des gesamten
brutto eingenommenen Geldbetrages zu erfolgen habe und bei Vorliegen
einer unbilligen Härte nach § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB
von seiner Anordnung zwingend ganz abzusehen sei, trifft so nicht zu.
Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach der
Verfall nicht angeordnet wird, soweit er für den Betroffenen
eine unbillige Härte wäre. Von einer
Verfallsanordnung ist deshalb nur dann gemäß
§ 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB vollständig abzusehen, wenn
auch die Anordnung
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hinsichtlich eines Teilbetrags den Angeklagten unbillig hart
träfe. Zum Begriff der „unbilligen
Härte“, insbesondere zur Berücksichtigung
von Unterhaltsverpflichtungen, verweist der Senat auf BGH wistra 2009,
23 f..
Rissing-van Saan Fischer Roggenbuck
Cierniak Schmitt |