BGH,
Beschl. v. 4.11.2008 - 4 StR 195/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 195/08
vom
4. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Parteiverrats u.a.
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. November
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Bochum vom 15. März 2007
a) im Schuldspruch hinsichtlich der Fälle C II. Taten 1 und 18
der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte
insoweit des schweren Parteiverrats in Tateinheit mit Beihilfe zum
Betrug schuldig ist,
b) im Schuldspruch im Übrigen - insoweit unter
Aufrechterhaltung der Feststellungen - sowie im gesamten Strafausspruch
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Parteiverrats, Beihilfe zum
Betrug in vier Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit
Parteiverrat, sowie wegen Beihilfe zum versuchten Betrug in 13
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren
verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausge-
1
- 3 -
setzt hat; ferner hat es gegen den Angeklagten zugleich
gemäß § 41 StGB auf eine Geldstrafe von 90
Tagessätzen zu je 40 Euro erkannt. Gegen dieses Urteil wendet
sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren
beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das
Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der
Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils bedarf hinsichtlich der
Fälle C II. Taten 1 und 18 der Urteilsgründe der
Änderung, weil das Landgericht insoweit rechtsfehlerhaft von
zwei tatmehrheitlichen Fällen des Parteiverrats ausgegangen
ist.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts zu diesen Taten hat der
Angeklagte den Parteiverrat dadurch begangen, dass er in Kollusion mit
dem gesondert abgeurteilten Volker H. gegen den Zeugen P. in der Weise
vorging, dass er als Anwalt ihn zunächst dahin beriet, gegen
die H. KG eine Musterklage zu erheben, sodann jedoch - ohne P. von dem
Parteiwechsel zu informieren - H. dabei unterstützte, P. beim
Amtsgericht Essen-Steele mit Erfolg zu verklagen, er dann zwar die
Einlegung der Berufung gegen das obsiegende Urteil veranlasste,
anschließend aber daran mitwirkte, dass H. - wiederum ohne
Rücksprache mit P. - die Berufung zurücknahm, obwohl
er, der Angeklagte, inzwischen erkannt hatte, dass das Urteil von H.
betrügerisch erstritten worden war. Bei dieser Sachlage liegt
entgegen der Auffassung des Landgerichts nur eine einheitliche Tat des
(schweren) Parteiverrats (§ 356 Abs. 1 und 2 StGB) in
Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug vor. Ausschlaggebend für
die Frage, ob ein Tätigwerden "dieselbe Rechtssache" im Sinne
des Parteiverratstatbestandes betrifft und es sich nur um eine Tat
handelt, ist der sachlichrechtliche Inhalt der durch das Mandat
anvertrauten Interessen (vgl.
3
- 4 -
Maurach/Schroeder/Maiwald Strafrecht Besonderer Teil Teilband II
§ 78 Rdn. 7). Den maßgeblichen
Anknüpfungspunkt hierfür bildet das dem
Täter anvertraute materielle Rechtsverhältnis in
seinem gesamten tatsächlichen und rechtlichen Gehalt. Dient
der Täter in derselben Sache mehrfach pflichtwidrig derselben
Partei, so liegt danach auch dann eine tatbestandliche Handlungseinheit
vor (Gillmeister in LK-StGB 11. Aufl. § 356 Rdn. 106; Kuhlen
in NK-StGB 2. Aufl. § 356 Rdn. 69; Rudolphi/Rogall in SK-StGB
7. Aufl. § 356 Rdn. 38), wenn der Täter in mehreren,
zeitlich gestreckten Akten handelt (Lackner/Kühl StGB 26.
Aufl. § 356 Rdn. 12). Dass der Angeklagte zum Nachteil des P.
an der Berufungsrücknahme mitwirkte, setzte demnach lediglich
den bereits zuvor verwirklichten Parteiverrat fort, bildete
demgegenüber aber keine neue Tat.
Der Senat ändert den Schuldspruch danach entsprechend. Dabei
muss die - vom Landgericht im Fall C II. Tat 18 zu Recht bejahte -
Qualifikation des § 356 Abs. 2 StGB
(„schwerer“ Parteiverrat) im Schuldspruch ihren
Ausdruck finden. § 265 StPO steht der
Schuldspruchänderung nicht entgegen.
4
2. Auch der Schuldspruch wegen Beihilfe zum vollendeten und zum
versuchten Betrug zum Nachteil der Anleger hält der
rechtlichen Prüfung nicht stand.
5
a) Soweit es die Verurteilung wegen Beihilfe zum vollendeten Betrug zum
Nachteil der Anleger B. , R. und Sch. anlangt, kann dem Urteil - wie
die Revision zu Recht einwendet - nicht entnommen werden, dass der
Angeklagte in dem Zeitpunkt, als diese drei Geschädigten auf
das Aufforderungsschreiben des H. vom 5. Februar 2001 hin gezahlt
haben, den betrügerischen Plan des H. bereits durchschaut
hatte. Das Landgericht hat nämlich angenommen, dass der
Angeklagte erst ab Mitte Februar 2001 bösgläubig war
6
- 5 -
(UA 74 f., 95). Hätten die drei Anleger ihre Zahlungen bis
dahin aber bereits erbracht, wäre der Betrug des H. nicht nur
vollendet, sondern bereits beendet gewesen. Dies schlösse
schon deshalb insoweit eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe
aus (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 27 Rdn. 6 m.w.N.).
Da das Landgericht Feststellungen zum Zeitpunkt des Eingangs der
Zahlungen der drei Geschädigten nicht getroffen hat, bedarf
dies weiterer Aufklärung und ergänzender
Feststellungen durch den neuen Tatrichter.
7
b) Im Übrigen kann der Schuldspruch wegen Beihilfe zu den
Betrugstaten des H. auch deshalb nicht bestehen bleiben, weil die
Annahme von 16 tatmehrheitlich begangenen Beihilfehandlungen durch die
Feststellungen nicht belegt ist. Nach der rechtlichen
Würdigung im angefochtenen Urteil hat das Landgericht den
Schwerpunkt des Tatvorwurfs gegen den Angeklagten insoweit darin
gesehen, dass er H. "nach dem 15.02.2001 nicht von der weiteren
Geltendmachung seiner Ansprüche ab(hielt) oder
daraufhin(wirkte), dass H. von der Verfolgung der Ansprüche
Abstand nahm" (UA 98). Dabei hat das Landgericht aber bei der
Prüfung der Konkurrenz nicht erkennbar bedacht, dass die
Frage, ob Tatmehrheit oder Tateinheit vorliegt, für jeden
Täter und Teilnehmer voneinander unabhängig und
selbständig zu prüfen ist (vgl. BGHR StGB §
27 Abs. 1 Konkurrenzen 1). Danach ist der Gehilfe, der durch eine
Handlung (oder Unterlassung) mehrere rechtlich selbständige
Haupttaten fördert, nur einer Beihilfe im Rechtssinne schuldig
(Fischer aaO § 27 Rdn. 31 m.w.N.). Soweit das Landgericht in
diesem Zusammenhang dem Angeklagten auch angelastet hat, er habe von H.
verfasste Schriftstücke unterzeichnet, die auf das Bestehen
der Forderung gegenüber den Anlegern hinwiesen (UA 98), fehlt
es ebenfalls an näheren Feststellungen, welche
Schriftstücke damit gemeint sind und wann der Angeklagte
insoweit tätig geworden ist.
8
- 6 -
c) Die aufgezeigten Rechtsfehler lassen die bisher getroffenen
Feststellungen unberührt; sie können deshalb bestehen
bleiben. Dies hindert den neuen Tatrichter nicht, die notwendigen
ergänzenden Feststellungen zu treffen, die zu den bisher
getroffenen nicht in Widerspruch stehen.
9
3. Die Schuldspruchänderung hinsichtlich der Taten C II. 1 und
18 sowie die Aufhebung des Urteils im Übrigen zieht die
Aufhebung des gesamten Strafausspruchs nach sich.
10
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
11
Die strafschärfenden Erwägungen bei Bemessung der
wegen (schweren) Parteiverrats verhängten Einzelstrafen (UA
102) können unter dem Gesichtspunkt des Verbots der
Doppelverwertung (§ 46 Abs. 3 StGB) rechtlichen Bedenken
begegnen. Ebenfalls nicht frei von rechtlichen Bedenken ist die
Versagung der Versuchsmilderung in den angenommenen Fällen der
Beihilfe zum Betrugsversuch (UA 103); insoweit fehlt es an der
gebotenen umfassenden Würdigung insbesondere der
versuchsbezogenen Gesichtspunkte (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 72).
Schließlich könnte der Ausspruch über die
gemäß § 41 StGB verhängte
(Gesamt-)Geldstrafe nicht bestehen bleiben. Denn das Gesetz
lässt eine einheitliche Geldstrafe als zusätzliche
Sanktion für mehrere abgeurteilte Straftaten nicht zu.
Vielmehr ist, wenn neben der jeweiligen Einzelfreiheitsstrafe eine
Geldstrafe verhängt werden soll, dies für jede Tat
gesondert zu entscheiden; aus mehreren Einzelstrafen ist sodann eine
Gesamtgeldstrafe zu bilden (BGHR StGB § 41 Geldstrafe 2).
12
Tepperwien Maatz Kuckein
- 7 -
Solin-Stojanović Mutzbauer |