BGH,
Beschl. v. 4.10.2000 - 2 StR 352/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 352/00
vom
4. Oktober 2000
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. Oktober
2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Köln vom 28. März 2000 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit die Sicherungsverwahrung des
Angeklagten angeordnet worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei
Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit schwerer
räuberischer Erpressung, und wegen sexueller Nötigung
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs
Monaten verurteilt und seine Sicherungsverwahrung angeordnet.
Außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen, sein
Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von fünf
Jahren verhängt. Ferner erfolgte eine Verurteilung im
Adhäsionsverfahren. Gegen das Urteil hat der Angeklagte
Revision eingelegt und diese mit der Verletzung förmlichen und
sachlichen Rechts begründet. Auf die Sachrüge ist die
Anordnung der Sicherungsverwahrung aufzuheben. Im übrigen sind
die Sachrüge und die Verfahrensrügen
unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Der Tatrichter hat gegen das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1
BZRG verstoßen, indem er die Anordnung der
Sicherungsverwahrung auf sexuell auffällige
Verhaltensverweisen des Angeklagten in seiner Jugendzeit
gestützt hat, deretwegen er Jugendstrafe
verbüßen mußte. Dieses Verwertungsverbot
gilt auch bei der Anordnung von Maßregeln der Besserung und
Sicherung (vgl. BGHSt 25, 100 ff.).
Die verbüßte Jugendstrafe wurde verhängt im
Urteil des Landgerichts Bonn vom 27. Juni 1974, in welches das Urteil
des Jugendschöffengerichts Siegburg vom 24. Mai 1972
einbezogen war. Die Mindeststrafe wurde auf zwei Jahre und sechs Monate
festgesetzt. Nach dem Bundeszentralregistergesetz in der Fassung vom
18. März 1971 betrug die Tilgungsfrist
gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 e und Abs. 3 BZRG
im vorliegenden Fall sieben Jahre und sechs Monate. Die Frist begann
nach § 45 Abs. 1 i.V.m. § 34 Nr. 1 BZRG in der
zitierten Fassung mit dem Tag des einbezogenen ersten Urteils am 24.
Mai 1972. Tilgungsreife trat somit am 24. November 1979 für
beide Urteile ein. Die indizielle Verwertung der sexuell
auffälligen Verhaltensweisen, deretwegen der Angeklagte
Jugendstrafe verbüßen mußte, bei der
Beurteilung des Hanges im Rahmen von § 66 StGB ist
rechtsfehlerhaft, weil weder die Taten aus der Jugendzeit noch die
Verurteilung dem Angeklagten im Rechtsverkehr vorgehalten und zu seinem
Nachteil verwertet werden dürfen, § 51 Abs. 1 BZRG.
Dem tatrichterlichen Urteil ist nicht zu entnehmen, daß der
Angeklagte sich zur Beurteilung der Voraussetzungen des § 66
StGB auf die tilgungsreife Verurteilung zu Jugendstrafe und die
zugrundeliegenden Taten berufen hat. Selbst wenn er dem
Sachverständigen und der Kammer davon berichtete, so ist eine
Verwertung jedoch nur soweit möglich, wie sich der Angeklagte
zu seiner Entlastung darauf beruft (vgl. BGHSt 27, 108 ff.). Die
indizielle Verwertung im Rahmen von § 66 StGB erfolgte zu
seinem Nachteil. Es kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden,
daß der Tatrichter ohne diese Verwertung zu einer anderen
Beurteilung der Voraussetzungen des § 66 StGB gelangt
wäre. Darüber wird nunmehr die neu mit der Sache
befaßte Strafkammer zu befinden haben.
Jähnke Otten Rothfuß
Fischer Elf |