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BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2001 - 4 StR 390/01


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 4.10.2001 - 4 StR 390/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 390/01
vom
4. Oktober 2001
in der Strafsache gegen
wegen Untreue
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. Oktober 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 6. April 2001 im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 235 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Strafausspruch kann insgesamt nicht bestehen bleiben.
Das Landgericht hat die Annahme eines besonders schweren Falles der Untreue in allen Fällen allein darauf gestützt, daß der Angeklagte bei Begehung der 235 Taten in der Zeit vom 14. September 1995 bis zum 26. April 2000 jeweils gewerbsmäßig handelte, und hat in allen Fällen jeweils eine Einzelstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe verhängt. Dabei hat es die Einzelstrafen hinsichtlich der Taten, deren Tatzeiten vor dem Inkrafttreten des durch das 6. Strafrechtsreformgesetz neugefaßten § 266 Abs. 2 StGB am 1. April 1998 liegen, rechtsfehlerhaft dem Strafrahmen des § 266 Abs. 2 StGB a.F. entnommen.
Die Anwendung des Strafrahmens des § 266 Abs. 2 StGB a.F. ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB schon deshalb ausgeschlossen, weil die Mindeststrafe für besonders schwere Fälle der Untreue durch das 6. Strafrechtsreformgesetz von einem Jahr auf sechs Monate Freiheitsstrafe herabgesetzt worden ist (§ 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 StGB n.F.) und mithin - bei Vorliegen eines besonders schweren Falles - die neue Gesetzesfassung milder ist als das Tatzeitrecht.
Auch die Annahme besonders schwerer Fälle im Sinne des § 266 Abs. 2 StGB a.F. hinsichtlich der vor dem 1. April 1998 beendeten Taten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach dem Grundsatz strikter Alternativität (vgl. BGHSt 37, 320, 322; BGH NStZ 2000, 136) ist in Fällen, in denen die Anwendung alten und neuen Rechts in Betracht kommt, ein Gesamtvergleich des früheren und des derzeit geltenden Rechts anzustellen und das Recht anzuwenden, das im konkreten Fall mit seinen Besonderheiten die mildeste Beurteilung zuläßt (vgl. BGHSt 20, 22, 25; BGH NStZ 2000, 136). Maßgebend ist danach, ob nach früherem Recht überhaupt - nicht benannte - besonders schwere Fälle im Sinne des § 266 Abs. 2 StGB a.F. vorliegen (vgl. BGH, Beschluß vom 19. Juli 2001 - 3 StR 203/01 m.w.N.), da anderenfalls § 266 Abs. 1 StGB a.F. als das mildeste Gesetz anzuwenden ist.
Das Landgericht hat zwar zutreffend in allen Fällen ein gewerbsmäßiges Handeln bejaht, das nach § 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB n.F. das Regelbeispiel eines besonders schweren Falles der Untreue bildet. Die Gewerbsmäßigkeit des Handelns allein reichte aber unter der Geltung des alten Rechts für die Annahme eines besonders schweren Falles nicht aus. In die gebotene Gesamtwürdigung aller für die Strafzumessung wesentlichen tat- und täterbezogenen Umstände (BGHR StGB § 266 Abs. 2 Gesamtwürdigung 1, 2; vgl. auch BGHR StGB § 263 Abs. 3 Gesamtwürdigung 2; BGH, Beschluß vom 19. Juli 2001 - 3 StR 203/01) hätte das Landgericht vielmehr die zahlreichen bei der Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe angeführten Milderungsgründe (UA 30/31) einbeziehen müssen, die gegen die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles sprechen. Dies gilt insbesondere für das Geständnis des Angeklagten, die Wiedergutmachung eines Teils des Schadens sowie das Fehlen betriebsinterner Kontrollen (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 2 Gesamtwürdigung 1).
Da nicht auszuschließen ist, daß sich die fehlerhafte Strafrahmenwahl hinsichtlich der vor dem 1. April 1998 beendeten Taten auf die Bemessung der in diesen Fällen verhängten, jeweils der Mindeststrafe des § 266 Abs. 2 StGB a.F. entsprechenden Freiheitsstrafen ausgewirkt hat und daß durch diesen Rechtsfehler auch die übrigen Einzelstrafen im Ergebnis beeinflußt sind, müssen alle Einzelstrafen erneut zugemessen werden. Auch die - allerdings im Hinblick auf den Gesamtschaden von 3.685.759,28 DM für sich genommen nicht zu beanstandende - Gesamtstrafe hat demgemäß keinen Bestand.
Die dem Strafausspruch zugrundeliegenden Feststellungen können jedoch, da sie durch die aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen werden, bestehen bleiben.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Ernemann



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