BGH,
Beschl. v. 4.9.2008 - 5 StR 315/08
5 StR 315/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
4.9.2008
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4.9.2008
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Bremen vom 21. Mai 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO im
Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Die Revision des
Angeklagten hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg,
zum Schuldspruch ist sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
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Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der Angeklagte
seinen Mitbewohner, den Vater seiner bisherigen
Lebensgefährtin, indem er ihm u. a. einen etwa sieben
Zentimeter tiefen Messerstich in die Brust versetzte. Dabei war der
Angeklagte aufgrund des Zusammenwirkens einer Alkoholintoxikation und
einer posttraumatischen Belastungsstörung in seiner
Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert.
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1. Der Schuldspruch hält revisionsrechtlicher
Überprüfung stand. Die teilweise
missverständlichen und sich nicht stets deckenden
Ausführungen zum psychischen Zustand des Angeklagten bei der
Tat und dessen rechtlicher Einordnung beschweren den Angeklagten nicht.
Jedenfalls der Ausschluss der Schuldunfähigkeit ist
tragfähig belegt.
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2. Der Strafausspruch kann jedoch nicht bestehen bleiben. Die
Strafzumessung des Landgerichts weist sowohl bei der
Strafrahmenbestimmung als auch bei der konkreten Strafzumessung Fehler
auf.
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a) Das Landgericht hat die Annahme eines minder schweren Falls im Sinne
des § 213 2. Alt. StGB abgelehnt. Dies hat es
maßgeblich mit dem fehlenden Anlass für die massive
Vorgehensweise, dem „gesamten verheerenden Tatbild“
und der Folgen für die Hinterbliebenen des Getöteten
begründet.
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Im Hinblick auf das Erfordernis einer umfassenden
Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten
sprechenden Umstände (BGHR StGB vor § 1/minder
schwerer Fall Gesamtwürdigung 8 und Prüfungspflicht
1) begegnet es schon Bedenken, dass das Landgericht bei der
Prüfung, ob die Tat als minder schwerer Fall zu bewerten ist,
nicht auch weitere bei der Strafzumessung im engeren Sinne
berücksichtigte zugunsten des Angeklagten sprechende
Umstände, wie z. B. die bedrängte
persönliche Lebenssituation, in seine Erwägungen
einbezogen hat. Zudem lassen die Urteilsgründe die Bewertung
der sich aus den Feststellungen zum unmittelbaren Nachtatgeschehen
ergebenden Reue und Betroffenheit über die Tat vermissen.
Jedenfalls aber kann die Strafrahmenwahl keinen Bestand haben, weil das
Landgericht bei der für die Ablehnung des milderen
Strafrahmens entscheidenden Bewertung der Handlungsintensität
unerörtert gelassen hat, ob und gegebenenfalls in welchem
Maße das brutale Vorgehen gerade durch die verminderte
Schuldfähigkeit beeinflusst war. Denn in dem Umfang, in
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dem das „verheerende Tatbild“ und die massive
Vorgehensweise auf die erheblich verminderte Schuldfähigkeit
zurückgehen, dürfen sie ihm nicht
uneingeschränkt zum Vorwurf gemacht und straferschwerend
angelastet werden (vgl. BGHR StGB § 21 Strafzumessung 1 bis
5). Eine Erörterung drängte sich auch deswegen auf,
weil der Angeklagte vor der Tat noch nicht wegen gewalttätigen
Verhaltens auffällig geworden war. Der Senat kann nicht
ausschließen, dass das Landgericht der Art der
Tatausführung ein zu großes Gewicht bei der
Strafrahmenwahl beigemessen hat.
b) Aber auch die Begründung der konkreten Strafzumessung weist
für sich genommen Rechtsfehler auf.
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Die strafschärfende Bewertung des Umstands, das Opfer habe den
Angeklagten nicht angegriffen, lässt besorgen, dass das
Landgericht das Fehlen eines möglichen Milderungs- oder gar
eines unrechtsausschließenden Rechtfertigungsgrundes dem
Angeklagten angelastet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2007
- 5 StR 305/07; BGH StV 1995, 584). Die strafschärfende
Gewichtung des Tatmotivs kann ebenfalls keinen Bestand haben, da dies
im Widerspruch zu den Feststellungen steht, wonach die
Beweggründe des Angeklagten nicht geklärt werden
konnten. Angesichts der nicht geringes Gewicht aufweisenden
Strafmilderungsgründe vermögen die
zusätzlich angeführten belastenden Umstände
jedenfalls nicht die Verhängung einer Strafe aus dem oberen
Bereich des nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten
Strafrahmens zu rechtfertigen.
3. Da der Strafausspruch aufgrund von Begründungs- und
Wertungsfehlern keinen Bestand hat, konnten die zugrunde liegenden
Feststellungen bestehen bleiben. Das neue Tatgericht ist nicht
gehindert, weitergehende Feststellungen zu treffen, sofern sie den
bisherigen nicht widersprechen.
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Wie vom Generalbundesanwalt ausgeführt, wird zu
berücksichtigen sein, dass das Verfahren nach
Urteilsverkündung bis zum Eingang der Akten
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beim Generalbundesanwalt aus im Verantwortungsbereich der Justiz
liegenden Gründen verzögert worden ist. Nach
Ermittlung von Art und Ausmaß dieser rechtsstaatswidrigen
Verzögerung wird der Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1
Satz 1 MRK dadurch zu kompensieren sein, dass ein Teil der
verhängten Freiheitsstrafe für vollstreckt zu gelten
hat (vgl. BGH NJW 2008, 860).
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