BGH,
Beschl. v. 5.4.2000 - 3 StR 58/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 58/00
vom
5. April 2000
in der Strafsache gegen
wegen Anstiftung zur schweren Brandstiftung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. April
2000 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Osnabrück vom 11. Oktober 1999 mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur schweren
Brandstiftung und damit tateinheitlich begangenen Versicherungsbetrugs
zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des
Angeklagten führt schon deshalb zur Aufhebung des Urteils,
weil das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung
unzulässig auf den Inhalt einer protokollierten Zeugenaussage
Bezug genommen hat.
Das Landgericht hat dem Schuldspruch die Überzeugung zugrunde
gelegt, daß es der Angeklagte war, der den bereits
rechtskräftig wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit
Versicherungsbetrug verurteilten Zeugen J. angestiftet hat, in der
Nacht vom 2. auf den 3. Februar 1998 den Mitte 1997 auf dem
Hausgrundstück D. Straße in N. neu errichteten
Gastronomiebetrieb in Brand zu setzen, weil er Versicherungsleistungen
aus dem Brandschaden geltend machen und erlangen wollte. Der Angeklagte
hat bestritten, mit der Brandlegung etwas zu tun zu haben. Der Zeuge J.
hat ebenfalls bestritten, vom Angeklagten angestiftet worden zu sein
und angegeben, den Brand aus Wut bzw. Rache gelegt zu haben. Seine
Überzeugung von der Tatbeteiligung des Angeklagten hat das
Landgericht aus dem Umstand abgeleitet, daß der Angeklagte
Nutznießer der Inventarversicherung in Höhe von
300.000 DM war, und weil der Sohn des Angeklagten, der Zeuge Matthias
Je. , der im Grundbuch eingetragene Eigentümer des
Hausgrundstücks war und eine Gebäudeversicherung in
Höhe von 1,5 Millionen DM abgeschlossen hatte, im
Ermittlungsverfahren den Angeklagten als den Initiator der Tat
bezeichnet hat und weil auch drei weitere Zeugen bekundet haben, der
Angeklagte habe sie im Vorfeld des Brandgeschehens gefragt, ob sie
gegen eine Belohnung bereit seien, die Gaststätte
anzuzünden.
Der Angeklagte hat zu seiner Entlastung behauptet, sein Sohn habe ihn
durch falsche Angaben und Anwerbung falsch aussagender Zeugen
bewußt in den Verdacht der Anstiftung zur Brandstiftung
gebracht. Zum Beweise des von ihm behaupteten Aussagekomplotts gegen
ihn hat der Angeklagte den Zeugen G. benannt. Die Strafkammer ist der
Auffassung, daß der hierzu in der Hauptverhandlung vernommene
Zeuge auf Veranlassung des Angeklagten vorsätzlich falsch
ausgesagt hat und hat - statt den Inhalt der Aussage wenigstens in
groben Zügen wiederzugeben - "auf den Teil der Aussage, den
das Gericht wegen des Verdachts der Falschaussage wörtlich
protokollierte, Bezug genommen" (UA S. 11).
Die Revision macht mit ihren sachlichrechtlichen Beanstandungen - die
im übrigen auch den förmlichen Anforderungen einer
entsprechenden Verfahrensrüge genügen - zu Recht
einen Verstoß gegen §§ 261, 267 Abs. 1 StPO
geltend, weil eine unzulässige Bezugnahme durch den Tatrichter
auf Schriftstücke bzw. Erkenntnisquellen außerhalb
der eigenen Urteilsgründe vorliegt. Nach § 267 Abs. 1
Satz 1 StPO muß jedes Strafurteil aus sich heraus
verständlich sein (st. Rspr., vgl. BGHSt 30, 225, 226; 33, 59,
60; BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Bezugnahme 1). Soweit
gebotene eigene Urteilsfeststellungen oder Würdigungen durch
Bezugnahmen ersetzt werden, fehlt es verfahrensrechtlich an einer
Urteilsbegründung und sachlichrechtlich an der
Möglichkeit der Nachprüfung durch das
Revisionsgericht (vgl. Engelhardt in KK 4. Aufl. StPO § 267
Rdn. 3 m.w.Nachw.). So liegt es hier.
Die Bezugnahme betrifft den Inhalt einer den Angeklagten entlastenden
Zeugenaussage, die die Strafkammer für falsch hält.
Der Senat kann nicht überprüfen, ob die
Beweiswürdigung der Strafkammer zu diesem Punkt anerkannten
rechtlichen Grundsätzen entspricht und die
Überzeugung, der Zeuge habe in Absprache mit dem Angeklagten
bewußt falsch ausgesagt, rechtsfehlerfrei gewonnen wurde,
ohne den Inhalt der Zeugenaussage zu kennen. Schon die Behauptung der
Strafkammer, der Inhalt der Aussage des Zeugen G. stehe "bereits im
Gegensatz zu den Gesetzen der Logik" (UA S. 11), ist deshalb ohne
Kenntnis des Aussageinhalts nicht nachvollziehbar.
Hinzu kommt, daß die Beweiswürdigung auch im
übrigen Bedenken begegnet, soweit - wie mehrfach geschehen -
eigene Überzeugungen von bestimmten
Geschehensabläufen als "einzig logischer Schluß" und
Bekundungen von Zeugen als "unlogisch" bezeichnet werden. Dies
läßt besorgen, das Landgericht habe seine
Überzeugung als Ergebnis zwingender
Schlußfolgerungen angesehen ohne zu berücksichtigen,
daß auch andere Erwägungen denkgesetzlich oder nach
der Lebenserfahrung möglich sind und ohne diese in seine
Würdigung einzubeziehen. Dies gilt insbesondere im
Zusammenhang mit den Erwägungen des Landgerichts zu
möglichen Motiven des Zeugen Matthias Je. , aus denen heraus
er den Angeklagten bewußt falsch in Tatverdacht gebracht
haben soll. Zwar hat das Landgericht gesehen, daß dieser
Zeuge, ebenso wie der Angeklagte, ein eigenes wirtschaftliches
Interesse an der Brandlegung hat. Nicht erkennbar bedacht hat es aber,
daß Matthias Je. als eingetragener
Grundstückseigentümer und Anspruchsberechtigter aus
der Gebäudeversicherung in Höhe von 1,5 Millionen DM
ein Interesse daran haben kann, eine denkbare eigene Tatbeteiligung
durch wahrheitswidrige (alleinige) Belastung einer anderen Person zu
verschleiern. Auch das auf der Hand liegende mögliche Motiv
dieses Zeugen, eine eigene Beteiligung zu verdecken, um sich selbst der
Strafverfolgung zu entziehen, findet in den Urteilsgründen
keine Erwähnung.
Nach alledem teilt der Senat nicht die Auffassung des
Generalbundesanwalts, das Urteil beruhe nicht auf der
unzulässigen Bezugnahme und stütze sich auf eine
tragfähige Beweiswürdigung. Das Urteil war daher
insgesamt aufzuheben.
Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, daß die Tat zwar
vor Inkrafttreten des 6. StrRG begangen wurde; bei der
gemäß § 2 Abs. 3 StGB - vom Landgericht
bisher unterlassenen - Prüfung, ob das neue Recht nach
Inkrafttreten des 6. StrRG am 1. April 1998 milder ist, fällt
ins Gewicht, daß § 306 a StGB n.F. - anders als
§ 306 StGB a.F. - in Absatz 3 einen minder schweren Fall
vorsieht und daß § 265 StGB n.F. von einem
Verbrechenstatbestand in einen Vergehenstatbestand umgewandelt worden
ist, der gegenüber einem später begangenen Betrug
formell subsidiär ist. Diese Umgestaltung des
Straftatbestandes des § 265 StGB ist hier von Bedeutung, da
keine Verurteilung wegen Betruges gemäß §
263 StGB erfolgt ist, der durch das Regelbeispiel in § 263
Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 StGB das mindere Gewicht des § 265 StGB
n.F. auffängt (st. Rspr., vgl. BGH NStZ-RR 1998, 235; NStZ
1999, 32, 33; 243, 244; BGH, Urt. vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98
- zum Abdruck in BGHSt 45, 211 bestimmt).
Kutzer Rissing-van Saan Miebach
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