BGH,
Beschl. v. 5.4.2000 - 5 StR 226/99
5 StR 226/99
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 5. April 2000
in der Strafsache gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. April 2000
beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 22. Dezember 1998 nach § 349 Abs. 4 StPO
aufgehoben,
1. soweit der Angeklagte
a) wegen Hinterziehung von Körperschaftsteuer 1990 in zwei
Fällen (Fälle III.D.1 Nrn. 1 und 6 der
Urteilsgründe) sowie
b) wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer 1990 in zwei Fällen
(Fälle III.D.4 Nrn. 1 und 7 der Urteilsgründe)
verurteilt worden ist;
in den genannten Fällen wird das Verfahren eingestellt.
2. mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte
wegen unterlassenen Steuerabzugs von Vergütungen im Sinne des
§ 50a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in vier
Fällen (Fälle III.D.3 Nrn. 3, 14, 16 und 21 der
Urteilsgründe) verurteilt worden ist;
insoweit bleiben die Feststellungen zum objektiven und subjektiven
Tatbestand der Steuerhinterziehung aufrechterhalten;
3. im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
II. Soweit der Angeklagte wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in 19
Fällen (Fälle III.D.4 Nrn. 3 bis 6 und 8 bis 22 der
Urteilsgründe) verurteilt worden ist, wird das Verfahren
abgetrennt.
III. Die weitergehende Revision gegen das oben bezeichnete Urteil wird
nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
IV. Soweit das Verfahren eingestellt wird, fallen die Kosten des
Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse
zur Last.
V. Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren, soweit es nicht
eingestellt wird, zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 58
Fällen sowie wegen versuchter Steuerhinterziehung und wegen
Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und
acht Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen.
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts
gestützte Revision des Angeklagten hat mit der
Sachrüge teilweise Erfolg.
I.
Der Angeklagte betrieb seit 1971 ein Konzertbüro für
Popmusik- und später auch Klassikkonzerte. Anfang der
neunziger Jahre wurde er zu einem der bedeutendsten Konzertveranstalter
Deutschlands. Allein zwischen 1990 und 1994 veranstaltete der
Angeklagte ca. 500 Konzerte mit einem Gesamtumsatz von
ungefähr 200 Millionen DM. Seine
Geschäftstätigkeit erstreckte sich außer
auf die Veranstaltung von Konzerten auch auf den Vertrieb von
Eintrittskarten. Die Geschäfte wickelte der Angeklagte im
wesentlichen über folgende Firmen ab, deren alleiniger
Gesellschafter und Geschäftsführer er im Tatzeitraum
war:
- H GmbH (im folgenden: HoKo), gegründet am 21. Februar 1990,
- C GmbH (im folgenden: CCC), gegründet am 24. April 1990,
- R GmbH (im folgenden: RMV), gegründet am 22. Februar 1990,
- M GmbH (im folgenden: MCD), gegründet am 1. Februar 1991.
Für die Angestellten der Firmen war der Angeklagte jeweils
unmittelbarer Ansprechpartner und Weisungsgeber. In den Jahren 1992 bis
1997 trat der Angeklagte im wesentlichen als Veranstalter klassischer
Konzerte auf. Bei diesen wurden vor allem Lieder und Opernarien
dargeboten, bei denen jeweils der Einzelvortrag der auftretenden
Sänger im Vordergrund stand.
1. Nach den Urteilsfeststellungen beging der Angeklagte im Zusammenhang
mit seiner beruflichen Tätigkeit folgende Straftaten:
a) Zwischen 1990 und 1994 erfaßte der Angeklagte erhebliche
Betriebseinnahmen der von ihm geleiteten Firmen HoKo, CCC und RMV,
welche aus dem Verkauf von Eintrittskarten und Programmheften stammten,
in der Buchhaltung nicht und vereinnahmte sie privat, ohne die
Beträge der Körperschaftsteuer, Einkommensteuer oder
Umsatzsteuer zu unterwerfen. Hierbei nutzte er vor allem die
Gegebenheit aus, daß die Eintrittskarten überwiegend
bar und von einer Vielzahl von Vorverkaufsstellen verkauft wurden und
die Anzahl der bei den Konzerten jeweils anwesenden Zuschauer nur
schwer nachprüfbar war. Soweit der Angeklagte die Buchungen in
der Buchhaltung der Firmen nicht selbst vornahm, wies er seine
Mitarbeiter hierzu entsprechend an. Die Betriebsausgaben wurden
hingegen, auch soweit sie mit nicht verbuchten Einnahmen in
Zusammenhang standen, vollständig erfaßt. Der
Angeklagte hinterzog hierdurch zwischen 1990 und 1994 mehr als 3,5
Millionen DM an Körperschaftsteuer und mehr als 2 Millionen DM
an Einkommensteuer sowie Solidaritätszuschlag.
b) Im Jahr 1993 täuschte der Angeklagte das Land
Baden-Württemberg mit einer fingierten Abrechnung
über die Zahl der verkauften Eintrittskarten eines am 31. Juli
1993 im Schloßgarten von Schwetzingen durchgeführten
Konzerts. Hierdurch erreichte er, daß das vertraglich an die
Besucherzahl gekoppelte Entgelt für die Überlassung
der Parkanlage um 8.150 DM zu niedrig bemessen wurde.
c) Schließlich behielt der Angeklagte nach den Feststellungen
des Landgerichts in erheblichem Umfang für die in den Jahren
1993 bis 1997 an ausländische Künstler gezahlten
Gagen Einkommensteuern und Umsatzsteuern nicht ein, meldete diese -
neben Umsätzen aus Kartenverkäufen - bei den
Finanzbehörden nicht an und führte sie auch nicht ab.
Dem Angeklagten war hierbei bekannt, daß er als
Geschäftsführer der als Konzertveranstalter
auftretenden vier Unternehmen gemäß § 50 a
Abs. 4 EStG, § 73 EStDV und § 18 Abs. 8 Nr. 1 UStG,
§§ 51 ff. UStDV zum Abzug, zur Anmeldung und zur
Abführung anfallender Künstlereinkommen- und
Künstlerumsatzsteuern verpflichtet war. Zur Verdeckung der
Zahlung von Leistungsentgelten an die ausländischen
Künstler ergriff der Angeklagte umfangreiche
Maßnahmen:
aa) So wurden ab Beginn des Jahres 1993 im Ausland ansässige
Konzertveranstalter zum Schein in die Vertragsabwicklung eingeschaltet,
um die Verpflichtung zum Steuerabzug im Inland zu verschleiern. Zum
Teil wurden bereits vollzogene Verträge mit den
Künstlern nachträglich geändert. Der
Angeklagte nutzte hierbei eine vom Bundesamt für Finanzen bis
Ende 1995 angewendete und auf § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG
beruhende Freistellungspraxis hinsichtlich des Steuerabzugs auf
Zahlungen an ausländische Konzertveranstalter aus. Die
Voraussetzungen für die Freistellung vom Steuerabzug in Form
der Erbringung einer eigenen organisatorischen Leistung der
ausländischen Firmen und deren Beteiligung am wirtschaftlichen
Risiko der Veranstaltungen lagen jedoch tatsächlich nicht vor.
bb) In einigen Fällen teilte der Angeklagte die an
ausländische Künstler gezahlten Gagen in mehrere
Teile auf, um jeweils nur ein Drittel dem Steuerabzug zu unterwerfen.
Die restlichen Zahlungen wurden als Gegenleistung für die
Planung und die Vorbereitung der Auftritte, das Studium des Repertoires
oder Beratungsleistungen bezeichnet.
cc) Für die in den Jahren 1996 und 1997 vom Angeklagten
veranstaltete weltweite Konzerttournee der drei Tenöre Luciano
Pavarotti, Placido Domingo und José Carreras verwendete der
Angeklagte schließlich eine schwer zu durchschauende
Konstruktion von Verträgen und Geldflüssen zwischen
einer Mehrzahl von in- und ausländischen Firmen, um die wahren
Leistungsbeziehungen zwischen den von ihm geleiteten Firmen und den
drei Tenören zu verschleiern und um sich seinen steuerlichen
Verpflichtungen zu einem erheblichen Teil zu entziehen.
Von Beginn an war geplant, daß jeder der drei Tenöre
bei der Kon-zertreihe von insgesamt zwölf Konzerten pro
Auftritt eine Festgage von netto 1,5 Millionen US-Dollar erhalten
sollte. Dem Tenor Placido Domingo sollte darüber hinaus
jeweils noch eine Zusatzvergütung von 500.000 US-Dollar pro
Auftritt gezahlt werden. Von den zwölf Konzerten der drei
Tenöre fanden zwei in Deutschland statt, nämlich am
3. August 1996 in Düsseldorf und am 24. August 1996 in
München. Zur Verschleierung der Höhe dieser Gagen und
zur Vermeidung der "Künstlersteuer" gemäß
§ 50a EStG in Form eines Steuerabzugs von den Gagen
für inländische Konzerte wurden die Leistungsentgelte
zu einem erheblichen Teil als Lizenzzahlungen bezeichnet.
Die vom Angeklagten gewählte rechtliche Konstruktion stellte
sich im einzelnen wie folgt dar:
(1) Zum einen sollte eine Verlagerung des Gewinns nach
Großbritannien erfolgen, um einer Ertragsbesteuerung im
Inland zu entgehen. Hierzu gründete der Angeklagte zum Schein
die Firma T (im folgenden: TCP), eine Personengesellschaft englischen
Rechts mit Sitz in London, die nach außen als
Konzertveranstalter der Tournee auftreten sollte. Tatsächlich
wurde die Tourneeorganisation aber vom Angeklagten von Mannheim aus
durchgeführt. Der zweite Gesellschafter der neu
gegründeten Partnership hatte faktisch nur die Stellung eines
Angestellten.
(2) Darüber hinaus wurden die Gagenzahlungen - teilweise unter
rückwirkender Abänderung bereits vollzogener
Verträge - zu einem erheblichen Teil als Lizenzzahlungen nach
Irland deklariert, da solche nach Art. VIII des deutsch-irischen
Doppelbesteuerungsabkommens vom Steuerabzug freigestellt werden
konnten. Hierzu gründete der Angeklagte die Firma I Ltd. (im
folgenden: IIPS) mit Sitz in Cork/Irland und setzte als Direktoren und
Gesellschafter zwei Mitglieder einer irischen Anwaltskanzlei ein. Diese
vom Angeklagten beherrschte Gesellschaft sollte den örtlichen
Konzertveranstaltern gegen Zahlung von Lizenzgebühren die
Möglichkeit der Verwendung des Logos "The-3-Tenors"
einräumen, eines graphisch aufbereiteten Schriftzuges. In
Wirklichkeit handelte es sich bei den Lizenzgebühren aber
weitgehend um verdeckte Gagenzahlungen. Um die Gewinne auch der
irischen Ertragsbesteuerung zu entziehen, gründete und leitete
der Angeklagte darüber hinaus die Firma Te (im folgenden: TTL)
mit Sitz auf der Kanalinsel Jersey, deren Inhaber die drei
Tenöre waren. Diese Firma erwarb die Handelsmarke der drei
Tenöre von der Firma W für 200.000 US-Dollar,
übertrug die Rechte an dem Logo aber für knapp 40
Millionen US-Dollar an die Firma IIPS weiter.
Es fand dann plangemäß folgender Geldfluß
statt: Pro Konzert zahlten die Konzertveranstalter 4,5 Millionen
US-Dollar als vorgebliche Lizenzgebühren an die Firma IIPS.
1,5 Millionen US-Dollar hiervon erhielt der Angeklagte für
"Beratungsleistungen". Die jeweils verbleibenden 3 Millionen US-Dollar
der angeblichen Lizenzzahlungen stellten verdeckte Gagenzahlungen
für die drei Tenöre dar, für jeden also 1
Million US-Dollar. In der Summe machten diese Beträge
ungefähr die Lizenzzahlungen aus, welche die Firma IIPS an die
für die drei Tenöre gegründete Firma TTL zu
zahlen hatte. Die entsprechend der ursprünglich getroffenen
Vereinbarungen noch auf 1,5 Millionen US-Dollar pro Auftritt und Tenor
fehlenden 500.000 US-Dollar Gage erhielten die drei Tenöre von
der Firma TCP in London, die nach außen als Veranstalter der
gesamten Konzerttournee auftrat. Tatsächlich wurden
sämtliche eingeschalteten Firmen nur zur Vermeidung des
Einkommensteuerabzugs auf die Künstlergagen vorgeschoben. In
Wirklichkeit veranstaltete der Angeklagte die Konzerttournee
über die bereits genannten und von ihm geleiteten, in
Deutschland ansässigen Firmen, an die auch die drei
Tenöre ihre Leistungen erbrachten. Nach den Feststellungen des
Landgerichts hinterzog der Angeklagte insgesamt mehr als 9,1 Millionen
DM an "Künstlereinkommensteuern" gemäß
§ 50a EStG und Solidaritätszuschlag sowie mehr als
2,7 Millionen DM an Umsatzsteuern auf Leistungsentgelte an die
Künstler und auf Kartenverkäufe.
2. Aufgrund anonymer Anzeigen und der Erkenntnisse aus einer
Betriebsprüfung bei einer anderen von dem Angeklagten in den
Jahren 1989 und 1990 geführten Gesellschaft hatten sich
bereits im Jahr 1994 erste Verdachtsmomente für ein strafbares
Verhalten des Angeklagten ergeben. Es wurde daher am 30. November 1994
von der Steuerfahndungsstelle des zuständigen Finanzamts gegen
den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der
Hinterziehung von Körperschaft-, Umsatz-, Gewerbe-,
Vermögen- und Kapitalertragsteuer in "noch nicht
rechtsverjährtem Zeitraum" eingeleitet, ohne daß ihm
die Verfahrenseinleitung mitgeteilt wurde. Nachdem die
Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren am 3. März 1997
von der Steuerfahndung übernommen hatte, beantragte sie
aufgrund der von der Steuerfahndung in einem Zwischenbericht vom 26.
Februar 1997 niedergelegten Ermittlungsergebnisse einen Haftbefehl und
mehrere Durchsuchungsbeschlüsse für die Wohn- und
Geschäftsräume des Angeklagten, die
Geschäftsräume der von ihm geleiteten Gesellschaften,
die Kanzlei seines Steuerberaters sowie für verschiedene
weitere Objekte. Die beantragten Beschlüsse wurden am 13.
März 1997, ein weiterer am 21. Mai 1997, erlassen. Der
Haftbefehl nannte als Tatvorwurf die Hinterziehung von
Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer in den Jahren 1991,
1993 und 1994 sowie von Einkommensteuer in den Jahren 1988 bis 1994.
Die Durchsuchungsanordnungen erstreckten sich, soweit sie
Durchsuchungen bei Kreditinstituten betrafen, auf dieselben Steuerarten
und -zeiträume, hinsichtlich der Einkommensteuerhinterziehung
allerdings nur auf die Jahre 1990 bis 1994. Die weiteren
Durchsuchungsanordnungen nannten als Tatvorwurf die Hinterziehung von
insgesamt 6,3 Millionen DM an Steuern, begangen durch die Abgabe von
inhaltlich falschen Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- und
Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1990 bis 1994.
Sie beruhten auf Durchsuchungsanträgen der Staatsanwaltschaft,
welche die betroffenen Steuerarten und Hinterziehungszeiträume
konkret bezeichneten, hierbei aber Umsatz- und
Körperschaftsteuer für die Jahre 1990 und 1992 nicht
nannten. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten der Angeklagte
und sein Steuerberater noch am 13. März 1997 aufgrund einer
Indiskretion Kenntnis von dem eingeleiteten Strafverfahren erlangt. Am
Tag danach richtete der Steuerberater ein Schreiben mit dem Zusatz
"Irgendwelche Versäumnisse sind uns nicht bekannt" an den
Angeklagten, in welchem zusammenfassend dargelegt wurde, welche
Pflichten den Angeklagten im Hinblick auf die
"Künstlereinkommensteuer" trafen und inwieweit diese nicht
erfüllt worden waren.
Die Auswertung der aufgrund der Durchsuchungsanordnungen am 17.
März 1997 beschlagnahmten Unterlagen, insbesondere von
Kreditakten, durch eine Ermittlungsgruppe der Steuerfahndungsstelle
führte am 25. März 1997 zu einer dem Angeklagten
zunächst nicht mitgeteilten Erweiterung des
Ermittlungsverfahrens auf den Verdacht der Hinterziehung von
Künstlereinkommensteuer gemäß §
50a EStG für den Zeitraum 1995 und 1996 und am 26.
März 1997 aufgrund weiterer Sichtung der sichergestellten
Beweismittel zu einer Erweiterung dieses Vorwurfs auf den Zeitraum 1990
bis 1994. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten die
Ermittlungsbehörden aufgrund der Auswertung der
sichergestellten Unterlagen spätestens am 25. März
1997 Kenntnis von den Vorgängen um die Tournee der "Drei
Tenöre" und spätestens am Tag darauf Kenntnis davon,
daß der Angeklagte auch im Zeitraum von 1990 bis 1994 durch
die Einschaltung ausländischer Gesellschaften
"Künstlersteuern" hinterzogen hatte. Zwischen 2. und 11. April
1997 gab der Angeklagte dann vier Steuererklärungen mit
berichtigenden Angaben über die abzuführende
Künstlereinkommensteuer für einzelne 1993 bis 1995
betreffende Besteuerungszeiträume ab. Die
Verfahrenserweiterungen wurden dem Angeklagten, nachdem allerdings
dessen Verteidiger bereits am 16. April 1997 Akteneinsicht erhalten
hatte, formell erst am 22. Juli 1997 bekanntgegeben.
Am 17. Juli 1997 wurden vom Amtsgericht Mannheim weitere
Durchsuchungsbeschlüsse erlassen, welche als Tatvorwurf die
Abgabe von inhaltlich falschen Einkommen-, Körperschaft-,
Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen sowie die Nichtabgabe
und/oder verspätete Abgabe von Steueranmeldungen
gemäß § 50a EStG und eine zu Unrecht beim
Bundesamt für Finanzen beantragte Freistellung
gemäß § 50d EStG bezeichneten, wodurch
für die Jahre 1990 bis 1996 Steuern in einer
Größenordnung von 16 Millionen DM hinterzogen worden
seien. Diese Durchsuchungsbeschlüsse beruhten auf
Anträgen der Staatsanwaltschaft, welche zwar für die
Einkommensteuerhinterziehung einen Tatzeitraum von 1990 bis 1996,
für die Körper- bzw. Umsatzsteuerhinterziehung aber
jeweils nur Tatzeiträume von 1991 bis 1994 bzw. bis 1996
bezeichnet hatten. Im Rahmen einer am 22. Juli 1997
durchgeführten zweiten Durchsuchungsaktion, bei der aufgrund
dieser Durchsuchungsbeschlüsse erneut die Wohn- und
Geschäftsräume des Angeklagten durchsucht wurden,
erlangten die Ermittlungsbehörden Kenntnis von den
Vorgängen um ein Konzert des Placido Domingo vom 30. Januar
1997, die am 23. August 1997 zu einer Verfahrenserweiterung
hinsichtlich Umsatzsteuerhinterziehung auf das erste Quartal 1997
führte, welche dem Angeklagten sofort bekanntgegeben wurde. Am
30. August 1997 gab der Angeklagte für die Firma MCD eine
Steuererklärung mit berichtigenden Angaben über die
Künstlereinkommensteuer für das erste Quartal 1997 ab.
Schließlich erließ das Amtsgericht im Zeitraum vom
13. bis 28. August 1997 noch weitere Durchsuchungsbeschlüsse,
die ohne Schilderung eines Sachverhaltes und ohne Bezeichnung eines
Straftatbestandes oder einer Steuerart pauschal einen Tatzeitraum von
1990 bis 1996 nannten. Am 27. Juli 1998 wurde gegen den Angeklagten
Anklage erhoben.
II.
Soweit der Angeklagte wegen Hinterziehung von
Körperschaftsteuer 1990 in zwei Fällen
(Fälle III.D.1 Nrn. 1 und 6 der Urteilsgründe) sowie
wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer 1990 in zwei Fällen
(Fälle III.D.4 Nrn. 1 und 7 der Urteilsgründe)
verurteilt worden ist, ist das Urteil des Landgerichts aufzuheben; das
Verfahren ist insoweit einzustellen. Hinsichtlich dieser Taten wurden
keine Handlungen vorgenommen, welche den Lauf der
Verjährungsfrist wirksam unterbrochen haben. Dies gilt auch
für die erlassenen Gerichtsbeschlüsse, deren
verjährungsunterbrechende Wirkung diese Taten nicht
erfaßte.
Zwar erstreckt sich die Unterbrechungswirkung von
Untersuchungshandlungen grundsätzlich auf alle
verfahrensgegenständlichen Taten, wenn in einem Verfahren
wegen mehrerer Taten im prozessualen Sinn ermittelt wird. Dies gilt
jedoch dann nicht, wenn der Verfolgungswille des tätig
werdenden Strafverfolgungsorgans erkennbar auf eine oder mehrere Taten
beschränkt ist (BGHR StGB § 78c Abs. 1 - Handlung 4
und § 78c Abs. 1 Nr. 1 - Bekanntgabe 2; jeweils m.w.N.;
Jähnke in LK 11. Aufl. § 78c Rdn. 8; G.
Schäfer, Festschrift für Hanns Dünnebier,
1982, S. 541, 547). Der Verfolgungswille der
Strafverfolgungsbehörden ist danach das entscheidende
Kriterium für die sachliche Reichweite der
Unterbrechungswirkung (vgl. BGH wistra 2000, 17 m.w.N.). Für
die Bestimmung des Verfolgungswillens der Strafverfolgungsorgane ist
maßgeblich, was mit der jeweiligen richterlichen Handlung
bezweckt wird. Dabei sind neben dem Wortlaut der Verfügung
auch der Sach- und Verfahrenszusammenhang entscheidend. Sofern sich die
Reichweite nicht aus der Handlung selbst ergibt, ist der sonstige
Akteninhalt zur Auslegung heranzuziehen (vgl. BGHSt 16, 164). Bleiben
dann immer noch Zweifel, ist davon auszugehen, daß die
betreffende richterliche Handlung die Verjährung nicht
unterbrochen hat (BGHSt 18, 274). Für die genannten Taten
fehlte es bei Erlaß der Gerichtsbeschlüsse - soweit
diese überhaupt hinreichend konkret gefaßt waren -
an einem entsprechenden Verfolgungswillen der
Strafverfolgungsbehörden.
1. Für die zugunsten der HoKo und der CCC begangenen Taten der
Umsatzsteuerhinterziehung für 1990 (Fälle III.D.4
Nrn. 1 und 7 der Urteilsgründe) ist mangels rechtzeitiger
Unterbrechungshandlungen mit Ablauf des 29. April bzw. des 28. Juni
1997 (vgl. Jähnke aaO § 78 Rdn. 7)
Verfolgungsverjährung eingetreten.
Die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung
beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 2 Nr. 4 StGB,
§ 370 AO). Sie beginnt gemäß § 78a
StGB, sobald die jeweilige Tat beendet ist, d.h. bei Steuerstraftaten
mit Eintritt des tatbestandlichen Erfolges (vgl. Kohlmann,
Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 376 Rdn. 26).
Die Tatbeendigung tritt bei Fälligkeitssteuern - wie hier bei
der Umsatzsteuer - bei Erstattungsanmeldungen mit der Zustimmung der
Finanzbehörden zur geltend gemachten Steuererstattung ein
(vgl. Kohlmann aaO § 376 AO Rdn. 38, Franzen/Gast/Joecks,
Steuerstrafrecht 4. Aufl. § 376 Rdn. 22, 25). Zwar ist die Tat
grundsätzlich bereits mit Eingang der unrichtigen
Steuererklärung beendet, da diese als Steueranmeldung der
Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
gleichsteht (§ 168 Satz 1 AO). Wenn allerdings - wie hier -
Steuererstattungen geltend gemacht werden, gilt diese Gleichstellung
erst ab Zustimmung der Finanzbehörden (§ 168 Satz 2
AO), so daß die Beendigung der Tat erst zu diesem Zeitpunkt
vorliegen kann.
Die Umsatzsteuerjahreserklärungen für das Jahr 1990
für die Firmen HoKo und CCC wurden bereits am 8. April bzw. am
9. Juni 1992 beim zuständigen Finanzamt eingereicht. Dennoch
verlagerte sich der jeweilige Verjährungsbeginn auf den 30.
April bzw. den 29. Juni 1992, da die Finanzbehörden den
geltend gemachten Umsatzsteuererstattungen erst mit zu diesen
Zeitpunkten erlassenen Umsatzsteuerbescheiden zustimmten.
a) Bis zur Übernahme des Ermittlungsverfahrens durch die
Staatsanwaltschaft am 3. März 1997 wurden keine
verjährungsunterbrechenden Maßnahmen vorgenommen.
Zwar erstreckte sich die Verfahrenseinleitung der Steuerfahndungsstelle
des Finanzamtes Mannheim vom 30. November 1994 auch auf die
Umsatzsteuerhinterziehung "in noch nicht rechtsverjährtem
Zeitraum" und damit auf das Jahr 1990. Diese Verfahrenseinleitung wurde
dem Angeklagten aber nicht bekannt gegeben.
b) Auch hinsichtlich des am 13. März 1997 gegen den
Angeklagten erlassenen Haftbefehls, der gemäß
§ 78c Abs. 1 Nr. 5 StGB grundsätzlich eine
Verjährungsunterbrechung bewirkt, erstreckte sich hier dessen
sachliche Reichweite nicht auf die Umsatzsteuerhinterziehung
für das Jahr 1990. Der Haftbefehl war auf einzelne, nach
Steuerart und Besteuerungszeitraum konkretisierte Taten
beschränkt, nannte die Umsatzsteuerhinterziehung 1990 aber
nicht. Die Einkommen- und die Umsatzsteuerhinterziehung 1990 stellen
auch keine einheitliche Tat dar, was zu einer Erstreckung der
Unterbrechungswirkung auf die Umsatzsteuerhinterziehung hätte
führen können. Tateinheit mit der im Haftbefehl
aufgeführten Einkommensteuerhinterziehung 1990 liegt hier
schon deshalb nicht vor, weil die Steuererklärungen nicht
gleichzeitig und in den wesentlichen Punkten inhaltsgleich eingereicht
wurden (vgl. hierzu BGHSt 33, 163; BGHR AO § 370 Abs. 1 -
Konkurrenzen 11). Ebensowenig stellt die Abgabe verschiedener
Steuererklärungen eine Tat im prozessualen Sinn dar.
c) Auch die ebenfalls am 13. März 1997 vom Amtsgericht
Mannheim erlassenen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen haben
die Verfolgungsverjährung im Hinblick auf die
Umsatzsteuerhinterziehung 1990 nicht gemäß
§ 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB unterbrochen.
Soweit sie sich auf die Wohn- und Geschäftsräume des
Angeklagten und der von ihm geleiteten Gesellschaften beziehen,
erfaßten sie die Taten der Umsatzsteuerhinterziehung
für das Jahr 1990 nicht.
Zwar deckte der pauschal gehaltene Wortlaut der
Durchsuchungsbeschlüsse ("Abgabe von inhaltlich falschen ESt-,
USt-, GewSt- und USt-Erklärungen 1990 - 1994") an sich auch
die Umsatzsteuerhinterziehungen für das Jahr 1990 ab. Es
fehlte indessen insoweit am Verfolgungswillen der
Strafverfolgungsbehörden bei Erlaß der Anordnungen,
obgleich - wie sich bereits aus dem Einleitungsvermerk der
Steuerfahndungsstelle ergibt - auch die Taten der
Umsatzsteuerhinterziehung für das Jahr 1990 Gegenstand des
Ermittlungsverfahrens waren.
Zur Auslegung des Verfolgungswillens und damit der sachlichen
Reichweite der Verjährungsunterbrechung ist mangels anderer
Anknüpfungspunkte auf die den gerichtlichen Anordnungen
zugrunde liegenden Durchsuchungsanträge der Staatsanwaltschaft
zurückzugreifen (vgl. G. Schäfer aaO S. 549). Ein
Rückgriff auf diese Anträge zeigt, daß dort
- im Gegensatz zu den Durchsuchungsanordnungen - die jeweiligen
Hinterziehungszeiträume für die einzelnen Steuerarten
konkret bezeichnet waren. Anders als bezüglich der
Einkommensteuerhinterziehung war das Jahr 1990 nicht erfaßt.
Nach der insoweit eindeutigen Bezeichnung der Taten sind die
Umsatzsteuerhinterziehungen für das Jahr 1990 vom den
Durchsuchungsanordnungen zugrunde liegenden Verfolgungswillen mithin
nicht umfaßt. Die Beschränkung des
Verfolgungswillens der Staatsanwaltschaft ergibt sich auch aus der
Bezugnahme des Durchsuchungsantrags auf den Zwischenbericht der
Steuerfahndungsstelle vom 27. Februar 1997. Dort wurde der bestehende
Tatverdacht hinsichtlich der einzelnen Steuerarten,
Hinterziehungszeiträume und Hinterziehungsbeträge
genau konkretisiert, wobei für das Jahr 1990
ausschließlich die Einkommensteuer aufgeführt wurde.
Die anders formulierten, aber gleichfalls am 13. März 1997
bezüglich mehrerer Kreditinstitute nach § 103 StPO
erlassenen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen
erfaßten die Umsatzsteuerhinterziehungen für das
Jahr 1990 ebenfalls nicht. Die Beschränkung des
Verfolgungswillens manifestiert sich hier in der genauen Bezeichnung
von Steuerarten und Hinterziehungszeiträumen, auf die sich die
Untersuchungshandlungen erstrecken sollten. Der am 21. Mai 1997
erlassene Durchsuchungsbeschluß hatte keine weitergehende
verjährungsunterbrechende Wirkung.
d) Auch sonst wurden vor Ablauf der Verfolgungsverjährung
für diese Taten keine hinreichenden Unterbrechungshandlungen
vorgenommen.
Die am 17. März 1997 durchgeführte
Beschuldigtenvernehmung des Angeklagten erstreckte sich lediglich auf
die im Haftbefehl enthaltenen Tatvorwürfe. Sie unterbricht
daher die Verfolgungsverjährung hinsichtlich der
Umsatzsteuerhinterziehungen für das Jahr 1990 nicht
gemäß § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB.
Auch in der Akteneinsichtsgewährung an den Verteidiger des
Angeklagten liegt keine wirksame Verjährungsunterbrechung
bezüglich der Umsatzsteuerhinterziehung für das Jahr
1990. Zwar kann in der Gewährung erster Akteneinsicht zugleich
die Bekanntgabe einer Verfahrenseinleitung im Sinne von § 78c
Abs. 1 Nr. 1 StGB liegen, soweit sie dem Angeklagten vorher noch nicht
auf andere Weise bekannt gemacht wurde. Diese Bekanntgabe kann sogar
über einen für den Beschuldigten tätigen
Rechtsanwalt erfolgen, wenn - wie hier - aus den Umständen
klar ersichtlich wird, daß die diesem gewährte
Akteneinsicht zur Information des Beschuldigten über Existenz,
Inhalt und Umfang des Ermittlungsverfahrens dienen soll und auch
tatsächlich gedient hat (BGHR § 78c Abs. 1 Nr. 1 -
Bekanntgabe 2).
Die Reichweite einer derartigen Bekanntgabe erfaßt dabei
grundsätzlich den gesamten Verfahrensgegenstand, hier also den
der Verfahrenseinleitung vom 30. November 1994. Sie ging jedoch nicht
weiter als der zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Verfolgungswille,
der in den Durchsuchungsanträgen zum Ausdruck kommt. Die
Verjährung wurde daher nicht darüber hinausgehend
unterbrochen. Die Staatsanwaltschaft hätte
ausdrücklich darauf hinweisen müssen, wenn sie
angesichts der sehr pauschalen Verfahrenseinleitung und der
später im Vermerk der Steuerfahndung vom 26. Februar 1997
erfolgten Konkretisierung der Tatvorwürfe sowie der auf diese
beschränkten Durchsuchungsbeschlüsse nun einen weiter
gehenden Verfolgungswillen gehabt hätte.
2. Soweit dem Angeklagten Körperschaftsteuerhinterziehungen
für 1990 zugunsten der HoKo und der CCC zur Last gelegt werden
(Fälle III.D.1 Nrn. 1 und 6 der Urteilsgründe), ist
die Verfolgungsverjährung am 30. August bzw. 8. November 1997
eingetreten.
a) Die für den Verjährungsbeginn
maßgebliche Tatbeendigung tritt bei der
Körperschaftsteuer als Veranlagungssteuer bei
Steuernachzahlungen dann ein, wenn der unrichtige Steuerbescheid
bekannt gemacht wird (vgl. Franzen/Gast/Joecks, aaO § 376 Rdn.
17, 18). Dies war hinsichtlich der
Körperschaftsteuererklärungen 1990 für die
CCC am 31. August 1992 und für die HoKo am 9. November 1992
der Fall. Soweit das Urteil für die CCC als
Erlaßzeitpunkt des Körperschaftsteuerbescheides 1990
den 15. Oktober 1993 angibt, handelt es sich - wie die Revision
zutreffend feststellt - um ein offensichtliches Schreibversehen. Die
Tabelle im Urteil auf Seite 73 enthält zu Unrecht
untereinander zweimal dasselbe Datum.
b) Da die Körperschaftsteuerhinterziehungen für 1990
in den oben genannten Handlungen der Strafverfolgungsorgane in
derselben Weise behandelt wurden wie die Umsatzsteuerhinterziehungen
für 1990, konnten die dort erwähnten Handlungen auch
hier die Verfolgungsverjährung nicht unterbrechen.
c) Der Lauf der Verjährungsfrist wurde auch nicht durch die am
17. Juli 1997 erlassenen Durchsuchungsanordnungen
gemäß § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB unterbrochen.
Zwar deckte der mehrere Steuerarten umfassende Wortlaut der
Durchsuchungsanordnungen - wie bei den
Durchsuchungsbeschlüssen vom 13. März 1997 - auch die
Körperschaftsteuerhinterziehungen für 1990 ab. Ein
Rückgriff auf die Durchsuchungsanträge der
Staatsanwaltschaft zeigt aber auch hier, daß das Jahr 1990
hinsichtlich der Körperschaftsteuer vom Verfolgungswillen
ausgenommen war.
d) Schließlich konnten auch die am 13., 20. und 28. August
1997 vom Amtsgericht Mannheim erlassenen Durchsuchungs- und
Beschlagnahmeanordnungen die Verfolgungsverjährung nicht
unterbrechen. Diese Anordnungen nennen weder die dem Beschuldigten zur
Last liegenden Taten, noch bezeichnen sie die beweiserheblichen
Unterlagen hinreichend konkret, sondern sprechen nur von den
Unterlagen, die zur Aufklärung des - nicht näher
bezeichneten - Sachverhalts dienlich sind. Die Anordnungen sind
inhaltlich zu unbestimmt und konnten daher die
Verfolgungsverjährung nicht wirksam unterbrechen.
Zwar sind insoweit die Anforderungen an die Bestimmtheit der Tat nicht
hoch, da ihre Einzelheiten durch die Untersuchung erst ermittelt werden
sollen. Ein Anfangsverdacht genügt (vgl. Jähnke aaO
§ 78c Rdn. 5); die Taten brauchen in ihren Einzelheiten nicht
festzustehen (BGH wistra 1991, 272, 273). Sie müssen lediglich
so individualisiert sein, daß sie von denkbaren
ähnlichen oder gleichartigen Vorkommnissen zu unterscheiden
sind (vgl. BGHSt 22, 375, 385; Jähnke aaO). Auch diesen
Anforderungen wird die Anordnung aber nicht gerecht.
Da die Durchsuchungsanordnungen weder Straftatbestände noch
Tatvorwürfe enthalten, vermag auch ein Rückgriff auf
die Durchsuchungsanträge der Staatsanwaltschaft den Mangel
nicht zu heilen. Zwar erwähnen diese
Durchsuchungsanträge im Gegensatz zu den bisher beantragten
und erlassenen Durchsuchungsanordnungen nun ausdrücklich die
Körperschaftsteuerhinterziehung für 1990, nehmen auf
Aktenvermerke der Steuerfahndungsstelle Bezug und bringen hierdurch den
Verfolgungswillen für die
Körperschaftsteuerhinterziehung für 1990 zum
Ausdruck. Die zum Zwecke der Auslegung der sachlichen Reichweite der
Verjährungsunterbrechung grundsätzlich
mögliche Heranziehung des Inhaltes der Ermittlungsakten und
des Durchsuchungsantrages (vgl. o. II. vor 1. und II.1.c) kann jedoch
dann keine Verjährungsunterbrechung mehr bewirken, wenn die
jeweilige Durchsuchungsanordnung selbst den verfassungsrechtlichen
Mindestvoraussetzungen nicht standhält. Danach müssen
derartige schwerwiegende Eingriffe in die Lebenssphäre der
Betroffenen meßbar und kontrollierbar sein. Diesen
Anforderungen wird aber nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts ein Durchsuchungsbefehl, der keinerlei
tatsächliche Anhaltspunkte über den Inhalt des
Tatvorwurfs enthält, jedenfalls dann nicht gerecht, wenn
solche Angaben nach dem Ergebnis der Ermittlungen ohne weiteres
möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht
abträglich sind (BVerfGE 42, 212, 219 f.; 96, 44, 51 f.;
BVerfG wistra 1999, 257; vgl. auch Kleinknecht/ Meyer-Goßner,
StPO 44. Aufl. § 105 Rdn. 5 m.w.N.). Die Durchsuchungs- und
Beschlagnahmeanordnungen des Amtsgerichts Mannheim vom 13., 20. und 28.
August 1997 nennen lediglich die Durchsuchungsorte sowie zum Teil die
Namen der Firmen, deren "Schriftstücke und sonstige
Gegenstände, die als Beweismittel von Bedeutung sein
können" für den Zeitraum 1990 bis 1996 im Rahmen der
Durchsuchungen aufgefunden werden sollten. Eine Schilderung der
Tatvorwürfe enthalten die Anordnungen ebensowenig wie die
Angabe von Strafvorschriften. Zumindest die Bezeichnung des
Straftatbestandes und der Steuerarten wäre aber im
vorliegenden Fall neben der Nennung des Hinterziehungszeitraumes
geboten gewesen. Dieser Mangel ist so schwerwiegend, daß die
Durchsuchungsanordnungen keine verjährungsunterbrechende
Wirkung entfalten konnten.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die verfassungsrechtlichen
Anforderungen für eine Durchsuchungsanordnung dann als gewahrt
angesehen werden können, wenn diese lediglich frühere
ergänzt, die ihrerseits hinreichend bestimmt waren und sich
auf denselben Tatvorwurf bezogen haben. Dies war hier jedenfalls nicht
gegeben, da sich die Durchsuchungsanordnungen vom August 1997 erstmals
auf die Körperschaftsteuerhinterziehung für das Jahr
1990 erstrecken sollten.
III.
Die auf die Verletzung formellen Rechts gestützte Revision des
Angeklagten hat keinen Erfolg. Der Erörterung bedarf lediglich
folgendes:
Die Revision rügt, daß das Gericht die Verurteilung
des Angeklagten wegen Nichtanmeldung der
"Künstlereinkommensteuer" nach § 50a EStG auf
längere und komplizierte fremdsprachige Urkunden
gestützt hat, ohne diese nach Übersetzung im Wege der
Verlesung oder im Selbstleseverfahren nach § 249 StPO in die
Hauptverhandlung eingeführt zu haben. Die Verwertung der
Urkunden widerspreche daher § 261 StPO. Diese Rüge
greift im Ergebnis nicht durch.
1. Soweit die Nichtverlesung der Vermerke von Rechtsanwalt W vom 19.
Oktober 1995 und 24. Mai 1996 gerügt wurde, ist die
Rüge bereits unzulässig. Sie entspricht nicht den
Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
2. Im übrigen ist die Rüge unbegründet.
a) Auch wenn die Strafprozeßordnung zur Beweiserhebung
über den Inhalt von Urkunden und anderen als Beweismittel
dienenden Schriftstücken grundsätzlich die Verlesung
gemäß § 249 Abs. 1 StPO vorsieht, ist es
nicht ausgeschlossen, Urkunden im Wege des Vorhalts in die
Hauptverhandlung einzuführen (vgl. BGH, Urt. vom 7. November
1991 - 4 StR 252/91 -, insoweit in BGHSt 38, 111 nicht abgedruckt).
Zurecht weist allerdings die Revision darauf hin, daß es sich
bei einem Vorhalt nicht um einen Urkundenbeweis, sondern lediglich um
einen Vernehmungsbehelf handelt. Ein Vorhalt kann nach feststehender
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht Grundlage einer
Verurteilung sein. Beweisgrundlage ist nicht der Vorhalt, sondern die
bestätigende Erklärung desjenigen, dem der Vorhalt
gemacht wird (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 11, 159, 160 und 11, 338,
340/341). Der Inhalt einer Urkunde kann somit durch ihre
Erörterung Gegenstand der Hauptverhandlung werden (vgl. BGHSt
11, 159, 160; BGH NJW 1992, 3247, 2348). In einem solchen Fall bedarf
es keiner Verlesung der Urkunde. Der Tatrichter kann vielmehr die vom
Angeklagten auf die - nicht nach § 273 StPO
protokollierungspflichtigen (vgl. BGHSt 11, 159, 161; BGH bei Kusch
NStZ 1995, 220) - Vorhalte über den Inhalt der
Schriftstücke abgegebenen Erklärungen seiner
Überzeugungsbildung zugrunde legen (vgl. BGH, Urt. vom 15.
März 1978 - 2 StR 666/77 -).
Der Einführung des Inhalts eines Schriftstücks in die
Hauptverhandlung im Wege des Vorhalts sind jedoch, insbesondere wenn
das Urteil auf den Wortlaut des Schriftstücks
gestützt werden soll (vgl. hierzu BGHSt 5, 278; BGH, Urt. vom
6. Juni 1957 - 4 StR 165/57 -), dann Grenzen gesetzt, wenn es sich bei
dem vorgehaltenen Schriftstück um ein längeres oder
ein solches handelt, das sprachlich oder inhaltlich schwer zu verstehen
ist. Es bestünde dann nicht die Gewähr
dafür, daß die Auskunftsperson den Sinn der
schriftlichen Erklärung auf den bloßen inhaltlichen
Vorhalt hin richtig erfaßt hat (BGHSt 11, 159, 160 f., vgl.
auch BGH StV 1999, 359). Dies könnte die Wahrheitsfindung
gefährden und das rechtliche Gehör und damit die
Verteidigung des Angeklagten beeinträchtigen (BGHSt 5, 278,
279).
Andererseits kommt auch in diesem Fall ein Verstoß gegen die
§§ 249, 261 StPO nur dann in Betracht, wenn aus dem
Schriftstück Tatsachen entnommen worden sind, die
überhaupt eines Beweises bedurften. Dies ist z. B. dann nicht
der Fall, wenn Schriftstücke in den Urteilsgründen
nicht zum Zwecke des Beweises, sondern nur zur Schilderung eines nicht
bestrittenen und unzweifelhaften Sachverhalts wörtlich
wiedergegeben werden (BGHSt 11, 159, 162).
Auch im Falle eines (Teil-)Geständnisses, in dem der
Angeklagte den äußeren Geschehensablauf im
wesentlichen eingeräumt hat, ist eine im Urteil vorgenommene
Verwertung des Inhalts in der Hauptverhandlung nicht verlesener
Schriftstücke, die dem Angeklagten vorgehalten wurden und zu
denen er sich geäußert hat, nicht von vornherein
ausgeschlossen. Sie verstößt jedenfalls dann nicht
gegen §§ 261, 249 StPO, wenn es für das
Urteil nicht auf den genauen Wortlaut der Urkunden ankommt und der
Angeklagte, dem die zugrunde liegenden Umstände bekannt waren,
aufgrund des Vorhalts den Inhalt der Schriftstücke in groben
Zügen erfassen konnte und auch tatsächlich
erfaßt hat, sofern sich die Verwertung im Urteil auf diese
groben Züge beschränkt.
So verhält es sich hier. Der Angeklagte räumte nach
den Urteilsfeststellungen den äußeren
Geschehensablauf hinsichtlich der Gagenzahlungen an die drei
Tenöre im Wege vorgeblicher Lizenzzahlungen über die
dazwischen geschalteten ausländischen Firmen
vollständig ein (UA S. 104, 130). Insbesondere
bestätigte er die gesamte festgestellte steuerliche Konzeption
(UA S. 126) sowie den festgestellten Zahlungsfluß, wie er
sich auch aus den ihm vorgehaltenen Zahlungsaufstellungen ergibt. Der
Angeklagte behauptete lediglich einschränkend, daß
es sich bei der festgestellten vertraglichen Konstruktion um eine von
den Tenören an ihn herangetragene Möglichkeit der
"Steueroptimierung" gehandelt habe, wobei den Gagen
Bruttovereinbarungen zugrunde gelegen hätten (UA S. 117).
Außerdem habe er sich mit der Firma TCP ein dauerhaftes
Standbein seiner geschäftlichen Aktivitäten im
Ausland schaffen wollen (UA S. 122).
Das Landgericht hat dem Angeklagten lediglich solche
Schriftstücke vorgehalten und sie mit ihm erörtert,
die von ihm stammten, an ihn gerichtet waren oder ihm sonst bekannt
waren, weil sie zentrale Punkte seiner
Geschäftstätigkeit im Rahmen der Organisation der
Konzerttournee der drei Tenöre betrafen. Da die
Schriftstücke den Sachverhaltskomplex betrafen, dessen
äußeren Geschehensablauf der Angeklagte im
wesentlichen eingeräumt hatte, konnte er sich zu ihnen - auch
soweit es sich um längere oder für
Außenstehende kompliziert erscheinende Schriftstücke
handelte - ohne weiteres äußern. Der Angeklagte
wurde bei den Vorhalten insbesondere nicht mit ihm unbekannten oder
für ihn schwer verständlichen Sachverhalten
konfrontiert, was Bedenken an der Zulässigkeit der Vorhalte
rechtfertigen hätte können. Der genaue Wortlaut der
Urkunden spielte für die Beweiswürdigung keine Rolle
und ist im Urteil nicht wiedergegeben. Es ist daher
auszuschließen, daß das Gericht die
Schriftstücke als vermeintlich verlesene Urkunden verwertet
hat (vgl. hierzu BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985, 495). Wenn das
Gericht aus dem vom Angeklagten bestätigten Inhalt der
Schriftstücke dann andere Schlüsse zieht als der
Angeklagte oder die Verteidigung, ist dies rechtlich nicht zu
beanstanden.
b) Soweit die Revision rügt, daß dem Angeklagten
einzelne Schriftstücke nicht einmal vorgehalten wurden,
widerspricht dies den Feststellungen im Urteil, nach denen der
Angeklagte den Inhalt dieser mit ihm erörterten
Schriftstücke bestätigt hat (UA S. 130). Die
Rüge, ein derartiger Vorhalt sei nicht vorgenommen worden,
muß aber bereits deshalb erfolglos bleiben, weil kein Beweis
für die Richtigkeit der Behauptung erbracht werden kann. Es
widerspräche der Ordnung des Revisionsverfahrens,
über Vorgänge in der Hauptverhandlung, die keine
wesentlichen Förmlichkeiten darstellen und deshalb in die
Sitzungsniederschrift nicht aufzunehmen sind, Beweis zu erheben (BGHSt
17, 351, 352 f.; 31, 139, 140). Dies käme einer Wiederholung
eines Teils der tatrichterlichen Verhandlung gleich.
c) Eine Übersetzung der fremdsprachigen Urkunden ins Deutsche
war nicht erforderlich, da Beweisgrundlage nicht die Urkunden selbst,
sondern die Äußerungen des Angeklagten waren.
Für einen Vorhalt ist die Übersetzung
fremdsprachlicher Urkunden nicht erforderlich, wenn deren Inhalt den
Prozeßbeteiligten in zutreffender Weise zur Kenntnis gebracht
wird (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1975, 369).
IV.
Die Sachrüge des Angeklagten hat teilweise Erfolg.
1. Soweit der Angeklagte wegen unterlassenen Steuerabzugs von
Vergütungen im Sinne des § 50a Abs. 4 des
Einkommensteuergesetzes in vier Fällen (Fälle III.D.3
Nrn. 3, 14, 16 und 21 der Urteilsgründe) wegen
Steuerhinterziehung verurteilt wurde, ist die Verurteilung aufzuheben;
der Schuldspruch bedarf erneuter tatrichterlicher Prüfung.
Rechtsfehlerfrei geht das Landgericht davon aus, daß der
Tatbestand erfüllt ist; die Feststellungen, mit denen das
Landgericht eine strafbefreiende Wirkung von Selbstanzeigen
ausgeschlossen hat, sind jedoch lückenhaft und tragen die
Verneinung der Wirksamkeit der Selbstanzeigen nicht.
Der Angeklagte war gemäß § 50a Abs. 4 EStG
i.V.m. §§ 73 ff. EStDV verpflichtet, von den an nicht
in Deutschland ansässige Künstler gezahlten Gagen im
Wege des Steuerabzugs die anfallende Einkommensteuer (sog.
Künstlereinkommensteuer) einzubehalten, anzumelden und an das
Finanzamt abzuführen. Dieser Verpflichtung ist der Angeklagte
in den oben genannten Fällen nicht nachgekommen und wurde
deshalb vom Landgericht rechtsfehlerfrei jeweils der
Steuerhinterziehung für schuldig befunden.
Nach den Urteilsfeststellungen reichte der Angeklagte zwischen dem 4.
und 11. April sowie am 30. Juli 1997 beim zuständigen
Finanzamt Steueranmeldungen mit berichtigten Angaben ein, die das
Landgericht rechtsfehlerfrei als Selbstanzeigen angesehen hat. In der
Hauptverhandlung gab der Angeklagte an, daß es sich hierbei
um "freiwillige Selbstanzeigen" gehandelt habe, die er aufgrund einer
inneren Abkehr von den Taten vorgenommen habe, ohne mit der
Tatentdeckung gerechnet zu haben. Das Landgericht erachtet diese
Einlassung jedoch für widerlegt; es verneint
gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO die
strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeigen, da die Taten, auf die sich
die Anmeldungen bezogen hätten, zum Zeitpunkt der Berichtigung
bereits entdeckt gewesen seien und der Angeklagte bei
verständiger Würdigung der Sachlage damit habe
rechnen müssen. Am 17. März 1997 habe wegen anderer
Steuerstraftaten des Angeklagten eine Durchsuchungsaktion
stattgefunden. Da ihm Umfang und Inhalt der sichergestellten
Beweismittel bekannt gewesen seien, sei ihm auch wegen der konkreten
Fassung der Durchsuchungsbeschlüsse und des Haftbefehls klar
gewesen, daß die eingearbeiteten Ermittlungskräfte
innerhalb weniger Tage auch die Taten der Hinterziehung der
Künstlereinkommensteuer entdecken würden. Hinzu
komme, daß der Angeklagte auch aufgrund eines Schreibens
seines Steuerberaters vom 14. März 1997 erkannt habe,
daß dieser mit einer unmittelbar bevorstehenden Entdeckung
der Taten gerechnet habe. Tatsächlich führten die
Auswertungen der sichergestellten Beweismittel bereits am 25. und 26.
März 1997 zu Verfahrenserweiterungen auf die Hinterziehung von
"Künstlereinkommensteuer" in den Jahren 1995 und 1996
beziehungsweise 1990 bis 1994.
Die Erwägungen des Landgerichts halten rechtlicher
Nachprüfung nicht stand. Zwar ist die strafbefreiende Wirkung
der Selbstanzeigen trotz der bei dem Angeklagten am 17. März
1997 von der Steuerfahndung durchgeführten Durchsuchung nicht
bereits gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a
oder b AO ausgeschlossen. Die Urteilsfeststellungen zur Tatentdeckung
im Sinne von § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO sind jedoch
lückenhaft. Sie lassen besorgen, daß das Landgericht
den für eine Tatentdeckung maßgeblichen Tatbegriff
verkannt hat und deshalb zu Unrecht weitgehend einen Anfangsverdacht
hat ausreichen lassen.
Im einzelnen gilt folgendes:
a) Zurecht ist das Landgericht allerdings nicht bereits vom
Ausschluß der Straffreiheit für die Selbstanzeigen
allein aufgrund der am 17. März 1997 durchgeführten
Durchsuchung ausgegangen.
aa) Zwar sind die Beamten der Steuerfahndung im Rahmen der Durchsuchung
der Wohn- und Geschäftsräume des Angeklagten "zur
Ermittlung einer Steuerstraftat" im Sinne von § 371 Abs. 2 Nr.
1 lit. a AO erschienen. Das gegen den Angeklagten eingeleitete
Ermittlungsverfahren betraf jedoch andere Taten als diejenigen, die
Gegenstand seiner späteren Selbstanzeigen waren. Das
Ermittlungsverfahren erstreckte sich zum Zeitpunkt der Durchsuchung
lediglich auf den Verdacht der Hinterziehung persönlicher
Steuern des Angeklagten und betrieblicher Steuern der von ihm
geleiteten Gesellschaften, nicht aber auf die Hinterziehung von
Künstlereinkommensteuern, hinsichtlich derer der Angeklagte
später berichtigte Steuererklärungen abgab. Auf
diesen Tatvorwurf wurde das Ermittlungsverfahren erst durch die
Verfahrenserweiterungen vom 25. und 26. März 1997 ausgedehnt.
Obwohl der Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO, der
lediglich von der Ermittlung "einer Steuerstraftat" spricht, weder eine
zeitliche noch eine sachliche Begrenzung der Sperrwirkung vorsieht, ist
diese Norm einschränkend auszulegen und die von ihr ausgehende
Sperrwirkung formal zu begrenzen (h. M.; vgl. die Nachweise bei
Kohlmann aaO § 371 Rdn. 150). Eine Sperrwirkung nach
§ 371 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AO besteht für die von
späteren Selbstanzeigen erfaßten Sachverhalte
jedenfalls dann nicht, wenn sie zum Zeitpunkt, in dem ein
Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat erschienen ist,
weder vom Ermittlungswillen des Amtsträgers erfaßt
waren noch mit dem bisherigen Ermittlungsgegenstand in engem sachlichen
Zusammenhang standen.
So lag der Sachverhalt hier. Das Ermittlungsverfahren erstreckte sich
zum Zeitpunkt der Durchsuchung ausschließlich auf den
Verdacht der Hinterziehung von Steuerarten, die mit der Einkommensteuer
der Künstler, für die der Angeklagte lediglich
gemäß § 50a EStG im Steuerabzugsverfahren
die Anmeldungs- und Abführungspflicht hatte, nicht eng
verknüpft waren.
Es bedarf hier daher keiner Entscheidung, ob bzw. unter welchen
Voraussetzungen auch Sachverhalte von der Sperrwirkung des §
371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO erfaßt werden, die zwar nicht von
der Ermittlungsabsicht der Amtsträger umfaßt sind,
aber in einem engen sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang mit dem
Verfahrensgegenstand des Ermittlungsverfahrens stehen (vgl. zur
sachlichen und zeitlichen Reichweite der Sperrwirkung des §
371 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AO bereits BGH wistra 1983, 146 und die
Nachweise zum Meinungsstand bei Kohlmann aaO Rdn. 158 ff. und
Franzen/Gast/Joecks aaO § 371 Rdn. 149 ff.).
bb) Da das Ermittlungsverfahren erst am 25. bzw. 26. März 1997
auf den Verdacht der Hinterziehung von Künstlereinkommensteuer
erweitert wurde, konnte hier - ungeachtet der grundsätzlichen
Möglichkeit, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch
die Übergabe einer Durchsuchungsanordnung nach § 102
StPO bekanntzugeben (vgl. Kohlmann aaO Rdn. 174; Franzen/Gast/Joecks
aaO Rdn. 168) - im Rahmen der Durchsuchung vom 17. März 1997
auch keine sich auf diesen Tatvorwurf erstreckende Bekanntgabe der
Einleitung eines Ermittlungsverfahrens im Sinne von § 371 Abs.
2 Nr. 1 lit. b AO an den Angeklagten erfolgt sein. Wegen des jedenfalls
fehlenden engen Zusammenhangs zum bisherigen Verfahrensgegenstand
konnte - unabhängig vom insoweit zugrunde zu legenden
Tatbegriff (vgl. hierzu die Nachweise bei Kohlmann aaO Rdn. 191 ff.) -
die Bekanntgabe der Tatvorwürfe, auf die sich die
Durchsuchungsanordnungen erstreckten, die Hinterziehung der
Künstlereinkommensteuern nicht erfassen.
b) Die Urteilsfeststellungen lassen jedoch nicht erkennen, ob das
Landgericht die sachliche Reichweite des Begriffs der Tatentdeckung im
Sinne von § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO zutreffend bestimmt hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht für die
Annahme einer Tatentdeckung ein bloßer Anfangsverdacht nicht
aus. Das Merkmal der Tatentdeckung erfordert mehr als die Kenntnis von
Anhaltspunkten, auch wenn die Wahrscheinlichkeit späterer
Aufklärung gegeben ist (BGH wistra 1983, 197). Der Tatverdacht
muß sich soweit konkretisiert haben, daß bei
vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines
verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist (vgl. BGHR AO § 371 -
Selbstanzeige 5; BGH wistra 1983, 197; 1985, 74, 75; 1988, 308; 1993,
227; Kohlmann aaO Rdn. 203 m.w.N.; Franzen/Gast/Joecks aaO Rdn. 186).
Die Feststellungen des Landgerichts ermöglichen keine
revisionsgerichtliche Überprüfung der Subsumtion
unter den Rechtsbegriff der Tatentdeckung, da sie konkrete Angaben zur
Kenntnis der Finanzbehörden von den einzelnen Taten vermissen
lassen. Der Umfang der hierfür erforderlichen Feststellungen
richtet sich nach dem Begriff der Tat im Sinne des § 371 Abs.
2 Nr. 2 AO.
aa) Nach einer Ansicht ist der Begriff der Tat im materiell-rechtlichen
Sinn zu verstehen (vgl. Engelhardt in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO und FGO § 371 AO Rdn.
242, Kohlmann aaO Rdn. 241, 206, 191.2). Danach stellt die
Hinterziehung von Steuern für jede Steuerart und jeden
Besteuerungszeitraum eine selbständige Tat dar. Nach einer
anderen Ansicht ist unter "Tat" im Sinne des § 371 AO die Tat
im strafprozessualen Sinn des § 264 StPO und damit als
einheitliches historisches Geschehen zu verstehen (vgl. die Nachweise
bei Kohlmann aaO).
Der Bundesgerichtshof hat noch zur fortgesetzten Handlung
ausgesprochen, daß auch für einzelne Teile der Tat
eine Selbstanzeige möglich ist (BGHR AO § 371 Abs. 1
- Fortsetzungszusammenhang 1), wobei er allerdings
ausdrücklich offen gelassen hat, wie weit die
Ausschlußgründe des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO
in die Vergangenheit oder in die Zukunft wirken. Der Bundesgerichtshof
hat aber jedenfalls auf den Einzelakt (BGHR AO § 371 Abs. 2
Nr. 1 - Sperrwirkung 1; AO § 371 Abs. 2 Nr. 2 - Tatentdeckung
2; BGH wistra 1988, 308) oder auf die einzelne Handlung und die
Zuordnung zu den einzelnen Steuerabschnitten abgestellt (BGHSt 35, 36,
37).
Nach Aufgabe der Rechtsprechung zur fortgesetzten Handlung ist
- insbesondere unter Berücksichtigung der mit § 371
AO vom Gesetzgeber verfolgten Zielsetzungen (vgl. hierzu Kohlmann aaO
Rdn. 8 ff.) - ohnehin auf die einzelne Handlung, d. h. auf die
Nichtabgabe bzw. die Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung,
abzustellen. Die einzelne Tat im Sinne des § 371 Abs. 2 Nr. 2
AO bestimmt sich folglich nach Steuerart, Besteuerungszeitraum und
Steuerpflichtigem. Der Senat braucht hierbei im vorliegenden Fall nicht
zu entscheiden, ob dies auch für die Fälle der
Tateinheit bei gleichzeitiger Abgabe von in wesentlichen Punkten
inhaltsgleichen Steuererklärungen gilt (zur Tateinheit vgl.
BGHSt 33, 163; BGHR § 370 AO - Konkurrenzen 11).
bb) Die Urteilsfeststellungen müssen daher so konkret gehalten
sein, daß erkennbar wird, daß für jede
einzelne Steuererklärung bei vorläufiger Tatbewertung
die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist.
Dabei bedarf es indes entgegen der Ansicht der Revision nicht bereits
der Kenntnis der Finanzbehörden von den jeweiligen
Besteuerungsgrundlagen (so auch Koch/Scholz, AO § 371 5. Aufl.
Rdn. 33); auch ist eine detaillierte Schilderung der entdeckten
Tatumstände im Urteil nicht erforderlich.
Die Urteilsfeststellungen des Landgerichts werden diesen Anforderungen
für eine revisionsgerichtliche
Überprüfbarkeit der Subsumtion nicht gerecht. Das
Urteil schildert hinsichtlich der Tatentdeckung längere
Zeiträume (1995 bis 1996, 1990 bis 1994: UA S. 13). Es ist
daher zu besorgen, das Landgericht habe übersehen,
daß sich die Tatentdeckung auf die einzelnen unrichtigen oder
nicht abgegebenen Steuererklärungen erstrecken muß
und eine grobe Kenntnis des Gesamtgeschehens nicht ausreicht. Der Senat
kann nicht ausschließen, daß das Landgericht
angenommen hat, die Kenntnis der Unrichtigkeit einzelner
Steuererklärungen und der Begehungsmodalitäten stelle
die Tatentdeckung für den gesamten Tatkomplex in den
angegebenen Zeiträumen dar. Zur Klarstellung hätte
das Landgericht bei der gegebenen Sachlage zumindest darlegen
müssen, daß die konkreten Erkenntnisse, auf die sich
die Verurteilungserwartung stützt, gerade für
diejenigen Taten bereits vorgelegen haben, hinsichtlich derer
später Selbstanzeigen abgegeben wurden. Da somit nicht
auszuschließen ist, daß sich die vorhandenen
Erkenntnisse der Steuerfahndung bei Abgabe der Selbstanzeigen
ausschließlich auf andere Taten aus dem Tatzeitraum erstreckt
haben und im übrigen nur ein Anfangsverdacht bestanden hat,
beruht das Urteil auf diesem Fehler. Der Senat braucht nicht zu
entscheiden, ob die Angabe eines Tatzeitraumes dann ausreichen kann,
wenn die Kenntnis bestanden hat, daß sämtliche in
diesen Zeitraum fallenden Steuererklärungen unrichtig waren.
Dies war hier nicht der Fall.
2. Die Verneinung einer wirksamen Selbstanzeige im Fall III.D.3 Nr. 25
der Urteilsgründe begegnet allerdings keinen rechtlichen
Bedenken. Hinsichtlich dieser Tat ging die Selbstanzeige erst am 30.
Juni 1997 ein (UA S. 81), obwohl dem Angeklagten die
Verfahrenserweiterung insoweit bereits am 23. Juni 1997 mitgeteilt
worden war (UA S. 14). Dies steht gemäß §
371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO einer strafbefreienden Wirkung der
Selbstanzeige entgegen.
3. Danach bedarf es allein ergänzender Feststellungen zu den
objektiven und subjektiven Umständen der Selbstanzeigen. Der
Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafen zieht die
Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Der Senat schließt aus,
daß die Höhe der verbleibenden Einzelstrafen -
insbesondere die verhängte Einsatzstrafe von drei Jahren und
sechs Monaten Freiheitsstrafe - davon beeinflußt sein kann.
V.
Soweit der Angeklagte wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in 19
Fällen (Fälle III.D.4 Nrn. 3 bis 6 und 8 bis 22 der
Urteilsgründe) verurteilt worden ist, wird das Verfahren
abgetrennt, da insoweit vor einer Entscheidung des Senates ein
Vorabentscheidungsverfahren beim Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften (im folgenden: Gerichtshof) gemäß
Art. 234 Abs. 3 EG durchzuführen ist.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die drei
Tenöre im Rahmen der von dem Angeklagten organisierten
Konzerttournee als Solisten tätig. Für die
durchgeführten Veranstaltungen lagen jeweils Bescheinigungen
der zuständigen Kulturbehörden vor, nach welchen die
getätigten "Veranstaltungsumsätze" denen der in
§ 4 Nr. 20 lit. a Satz 1 UStG genannten Einrichtungen
gleichartig sind. Von den an die Tenöre für ihre
Gesangsdarbietungen ausgezahlten Gagen behielt der Angeklagte als
Geschäftsführer der als Konzertveranstalter
tätigen Firmen nicht nur keine Einkommensteuern, sondern auch
keine Umsatzsteuern im Wege des Steuerabzugs ein und führte
solche auch nicht an das Finanzamt ab. Das Landgericht hat deswegen den
Angeklagten in den genannten Fällen jeweils wegen
Umsatzsteuerhinterziehung verurteilt.
Zwar sind gemäß § 18 Abs. 8 Nr. 1 UStG
i.V.m. §§ 51 ff. UStDV Leistungsempfänger
nicht in Deutschland ansässiger Unternehmer verpflichtet, die
Umsatzsteuer auf die von diesen Unternehmern erbrachten Leistungen
einzubehalten, anzumelden und an das zuständige Finanzamt
abzuführen. Eine Umsatzsteuerpflicht besteht indes dann nicht,
wenn eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 UStG eingreift. Das
Landgericht hat die im vorliegenden Fall für die
Umsätze der Tenöre in Betracht kommende
Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 lit. a UStG mit der
Begründung verneint, daß diese Vorschrift auf
Solisten nicht anwendbar sei, da es sich bei diesen nicht um
"Einrichtungen" im Sinne von § 4 Nr. 20 lit. a UStG handele.
Die Frage, ob es sich bei Solisten um "Einrichtungen" im Sinne von
§ 4 Nr. 20 lit. a UStG handeln kann, ist für das
vorliegende Verfahren entscheidungserheblich, da die
Kulturbehörden für die betroffenen
Konzertveranstaltungen jeweils Bescheinigungen über die
"Gleichwertigkeit" der "Veranstaltungsumsätze" mit denen von
Einrichtungen im Sinne von § 4 Nr. 20 lit. a UStG erteilt
hatten. Diese Bescheinigungen über die Gleichartigkeit der
kulturellen Aufgaben besitzen auch für das Strafverfahren
materiell-rechtliche Bindungswirkung (vgl. hierzu Vogel/Schwarz, UStG
11. Aufl. § 4 Nr. 20 Rdn. 6b). Dementsprechend ist das
Landgericht davon ausgegangen, daß die Steuerbefreiungen auch
für die darbietenden Künstler galten, soweit sie
überhaupt nach § 4 Nr. 20 UStG
steuerbefreiungsfähig waren.
Zur Klärung dieser Frage ist nach Art. 234 Abs. 3 EG die
Vorabentscheidung des Gerichtshofs herbeizuführen, der
für die Auslegung von Art. 13 Teil A Absatz 1 lit. n der
Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur
Harmonisierung der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern -
Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige
Bemessungsgrundlage (ABl. EG 1977 Nr. L 145, 1)
ausschließlich zuständig ist, dessen nationale
Umsetzung § 4 Nr. 20 lit. a UStG darstellt.
2. Der Umstand, daß die vom Gerichtshof zu entscheidende
Rechtsfrage die Mehrzahl und das Schwergewicht der vom Landgericht
abgeurteilten Taten nicht betrifft, gebietet im vorliegenden Fall die
Abtrennung der von der Rechtsfrage betroffenen Verfahrensteile zur
Vorlage an den Gerichtshof.
Zwar kann die Aufspaltung des bisher einheitlichen Verfahrens -
insgesamt gesehen - zu einer erhöhten zeitlichen Beanspruchung
der Gerichte und der Beteiligten sowie zur Notwendigkeit einer
nachträglichen Gesamt-strafenbildung führen. Im
vorliegenden Fall können jedoch verfahrensökonomische
Gesichtspunkte eine erhebliche, unvorhersehbar lange
Verzögerung der übrigen Verfahrensteile nicht
rechtfertigen. Das Schwergewicht der Taten, wegen derer der Angeklagte
vom Landgericht verurteilt wurde, ist von der vom Gerichtshof zu
entscheidenden Rechtsfrage nicht betroffen. Die Einsatzstrafe von drei
Jahren und sechs Monaten kann aufgrund des vorliegenden Beschlusses in
Rechtskraft erwachsen. Insbesondere gebietet die sich aus Art. 6 Abs. 1
Satz 1 MRK ergebenden Pflicht zur Beschleunigung des Verfahrens, im
Hinblick auf die nicht von der Vorlagepflicht erfaßten
Verfahrensteile, eine Abtrennung des Verfahrens vorzunehmen.
Harms Häger Basdorf
Tepperwien Raum |