BGH,
Beschl. v. 5.4.2001 - 4 StR 106/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 106/01
vom
5. April 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts auf Antrag des Beschwerdeführers am 5.
April 2001
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Rostock vom 22. September 2000, soweit es
ihn betrifft, im Ausspruch über die besondere
Schuldschwere mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger
Freiheitsstrafe verurteilt und festgestellt, daß die Schuld
besonders schwer
wiege (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Hiergegen wendet sich
der
Angeklagte mit seiner wirksam auf den Ausspruch über die
besondere
Schuldschwere beschränkten Revision (zur Zulässigkeit
der Beschränkung
BGHSt 39, 208; 41, 57), mit der er die Verletzung formellen und
materiellen
Rechts rügt.
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
Die Begründung, mit der das Landgericht die besondere
Schuldschwere
im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB bejaht hat,
hält rechtlicher
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Nachprüfung nicht stand. Zwar obliegt es dem Tatrichter, unter
Würdigung aller
hierfür erheblichen Umstände die Schuld des
Angeklagten im Sinne des § 57 a
StGB zu gewichten; das Revisionsgericht darf seine Wertung nicht an die
Stelle derjenigen des Tatrichters setzen (st. Rspr.; BGHSt 40, 360,
370; 42,
226, 227; BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 11, 18 jew.
m.w.N.). Doch
auch nach diesem eingeschränkten
Prüfungsmaßstab erweist sich die
tatrichterliche Entscheidung als rechtsfehlerhaft.
Das Landgericht hat dem Angeklagten zwar zu Recht angelastet,
daß er
zwei - hier voneinander unabhängige - Mordmerkmale,
nämlich Heimtücke
und Habgier, erfüllt hat. Ob dies im konkreten Fall
für sich die Bejahung der
besonderen Schuldschwere hätte tragen können (vgl.
dazu Senatsurteil BGHR
StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 10, insoweit in BGHSt 39, 208
nicht mit
abgedruckt), steht dahin; denn das Landgericht hat hierauf nicht
entscheidend
abgestellt, sondern diesen Umstand, wie sich aus der einleitenden
Wendung:
“Hinzu kommt ...” (UA 38) ergibt, nur
ergänzend herangezogen. Die somit für
die Entscheidung tragenden Erwägungen, mit denen das
Landgericht die
besondere Schuldschwere begründet, weisen aber zwei
durchgreifende
Rechtsfehler auf:
Das Landgericht hält dem Angeklagten zugute,
“daß er geständig war
und Aufklärungshilfe geleistet hat”. Das Gewicht der
“Reue, die er verbalisiert
hat,” schränkt es jedoch mit der Erwägung
ein, sie sei “erheblich emotionslos:
<Der Angeklagte> vermittelte den Eindruck, als betrachte
er das Geschehene
als irgendein geschichtliches Ereignis, angesichts dessen ohnehin nichts
anderes übrigbleibe, als zur Tagesordnung
überzugehen” (UA 37). Damit hat
das Landgericht letztlich eine Vermutung
(“Eindruck”) zu Lasten des
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Angeklagten gewertet und dabei verkannt, daß auch
für die Gewichtung der
Strafzumessungsschuld, die Grundlage auch der Schuldschwerebeurteilung
nach § 57 a StGB ist (BGHSt 42, 226, 228 f.), der
Zweifelsgrundsatz
uneingeschränkt gilt (vgl. Lackner/Kühl StGB 23.
Aufl. § 46 Rdn. 32 m.w.N.). Im
übigen erscheint es fraglich, ob es überhaupt
möglich ist, aus dem Verhalten
eines Angeklagten im Verfahren für ihn nachteilige sichere
Schlüsse auf seine
Einstellung zur Tat ziehen zu können (vgl.
Senatsbeschlüsse vom 7. Dezember
1995 - 4 StR 688/95 - und vom 7. Januar 1997 - 4 StR 601/96).
Dafür daß der
Angeklagte aufgrund seiner Persönlichkeit
möglicherweise nur nicht in der
Lage ist, eine emotionale Beteiligung nach außen zu
vermitteln, könnte hier
sprechen, daß er trotz der “gefühllose(n)
Art”, mit der er seinem Schwager
wenige Tage nach dem Mord von der Tat berichtete, den Eindruck machte,
er
habe sich “alles von der Seele reden” wollen (UA
19).
Darüber hinaus lastet das Landgericht dem Angeklagten ebenso
wie
dem Mitangeklagten an, sie hätten “lange Zeit
Gelegenheit (gehabt), sich mit
der Bedeutung ihrer Tat vertraut zu machen; Bedenken sind ihnen offenbar
nicht gekommen. (...) Selbst die lange Fahrt zum Sterbeort ihres Opfers
vermochte die äußerst kaltblütig agierenden
Angeklagten nicht aus der Ruhe
zu bringen” (UA 38). Damit wertet es zu Lasten des
Angeklagten, daß er die
Tat überhaupt begangen hat, anstatt von deren Begehung Abstand
zu nehmen.
Dies verstößt gegen das - auch im Rahmen der
Schuldschwerebeurteilung
nach § 57 a StGB zu beachtende (BGHSt 42, 226) -
Doppelverwertungsverbot
des § 46 Abs. 3 StGB (BGH NStZ 1983, 364; StV 1997, 129;
Senatsbeschluß
vom 1. März 2001 - 4 StR 36/01).
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Auf diesen aufgezeigten Rechtsfehlern beruht der den
Beschwerdeführer betreffende Ausspruch über die
besondere Schuldschwere,
weshalb über diesen Teil des Rechtsfolgenausspruchs neu zu
entscheiden ist.
Meyer-Goßner Maatz Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |