BGH,
Beschl. v. 5.8.2009 - 5 StR 248/09
5 StR 248/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 5. August 2009
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in einer
Apotheke u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. August 2009
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 22. Januar 2009 nach § 349 Abs. 4 StPO im
Maßregelausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Abgabe von
Betäubungsmitteln in einer Apotheke (in einem besonders
schweren Fall) und wegen unerlaubter Abgabe von
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in sechs Fällen, davon
in vier Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Abgabe von
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren
Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat es
gegen den Angeklagten ein Berufsverbot von drei Jahren
verhängt. Der Verteidiger ist nach Beratung des Senats
informiert worden, dass die Revision zum Schuld- und Strafausspruch
absehbar nur in verhältnismäßig geringem
Umfang, zudem voraussichtlich nur vorläufig Erfolg verspreche.
Daraufhin hat der Verteidiger das Rechtsmittel wirksam auf den
Maßregelausspruch beschränkt. Insoweit hat die
Revision des Angeklagten mit der Sachrüge Erfolg.
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1. Der Maßregelausspruch kann keinen Bestand haben.
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a) Das Landgericht führt im Rahmen der Entscheidung
über die Strafaussetzung zur Bewährung aus, der
Angeklagte sei in der Hauptverhandlung von dem Verfahren sichtlich so
beeindruckt gewesen, dass er sich nach Überzeugung der
Strafkammer schon die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zur Warnung
dienen lassen und zukünftig keine Straftaten mehr begehen
werde (UA S. 19). Damit in deutlichem Widerspruch steht die
Begründung der Gefahrprognose bei der Festsetzung des -
uneingeschränkt verhängten - Berufsverbots, wonach
die Strafkammer aufgrund „der Anzahl allein der noch
verfahrensgegenständlichen Taten und der sich stetig
steigernden Mengen illegal abgegebener Arzneimittel in den einzelnen
Taten“ davon ausgeht, dass „der Angeklagte auch
zukünftig gleiche oder ähnliche Taten
begehen“ werde (UA S. 19).
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Dies mag seine Erklärung darin finden, dass die Gefahr
weiterer Taten bei der Entscheidung nach § 56 Abs. 2 StGB
deshalb anders beurteilt wurde, weil sie aufgrund des
zusätzlich verhängten Berufsverbots nicht mehr
bestehe (vgl. auch BGH NStZ-RR 2004, 54, 55). Gleichwohl hätte
es auch bei der nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB gebotenen
Gesamtwürdigung eines Eingehens auf die bisherige
Straffreiheit des Angeklagten, sein Alter und den Umstand bedurft, dass
die Taten mittlerweile rund drei Jahre zurückliegen, ohne dass
der - nach wie vor seine Apotheke betreibende - Angeklagte erneut in
gleicher Weise straffällig geworden ist.
b) Nicht frei von Bedenken ist die weitere von der Strafkammer
angestellte Überlegung, der Angeklagte habe im fraglichen
Zeitraum mehr als jede dritte der in Berlin verkauften Packungen
Rohypnol ausgegeben, was die Gefahr erkennen lasse, dass er auch
zukünftig einen erheblichen Anteil seines Umsatzes durch die
gesetzeswidrige Abgabe von Medikamenten erzielen werde. Denn es ist
auch in Anbetracht der in diese Richtung bestehenden gravierenden
Verdachtsgründe nicht festgestellt, ob und gegebenenfalls in
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welchem Umfang diese - nicht verfahrensgegenständlichen -
Verkäufe ohne die notwendige Verschreibung erfolgt sind.
c) Die zum Maßregelausspruch getroffenen Feststellungen sind
rechtsfehlerfrei getroffen und können daher bestehen bleiben.
Das neu entscheidende Tatgericht ist nicht gehindert, weitere
Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisherigen nicht
widersprechen.
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2. Für die zutreffende Bewertung der die Verurteilung
tragenden Fälle im Rahmen der neu zu treffenden Entscheidung
über eine Maßregel nach § 70 StGB bemerkt
der Senat ergänzend:
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a) In den Fällen 2 bis 5 ist der Angeklagte wegen
Inverkehrbringens in der Form der Abgabe (§ 4 Abs. 17 AMG) von
Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport (§ 95 Abs. 1 Nr. 2a,
§ 6a Abs. 1 AMG) verurteilt. Von dem in § 6a Abs. 1
AMG verwendeten Merkmal „im Sport“ wird in
Übereinstimmung mit der Wertung des Landgerichts und
entsprechend dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 13/9996 S. 13)
auch „Bodybuilding“ erfasst, ohne dass es darauf
ankommt, ob die erstrebte Leistungssteigerung auf Aktivitäten
im Wettkampf, im Training oder in der Freizeit gerichtet ist.
Jedoch beschränkt § 6a Abs. 2 AMG in der zur Tatzeit
geltenden Fassung (entspricht § 6a Abs. 2 Satz 1 AMG heutiger
Fassung) den Anwendungsbereich des in § 6a Abs. 1 AMG
enthaltenen Verbots, soweit hier relevant, auf Arzneimittel, die Stoffe
der im Anhang des Europäischen Übereinkommens gegen
Doping (Gesetz vom 2. März 1994 zu dem Übereinkommen
vom 16. November 1989 gegen Doping, BGBl 1994 II S. 334)
aufgeführten Gruppen von verbotenen Wirkstoffen enthalten.
Für den Tatzeitraum galt die gemäß Art. 11
Abs. 1 lit. b des Übereinkommens von der Beobachtenden
Begleitgruppe beschlossene und in BGBl 2006 II S. 421
veröffentlichte Verbotsliste 2006 der
Welt-Anti-Doping-Agentur. Der Großteil der durch den
Angeklagten abgegebenen Arzneimittel enthält Wirkstoffe, die
in der Verbotslis-
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te aufgeführt sind. Dies gilt indessen nicht für die
Arzneimittel mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Benzodiazepine (Fall 3:
Diazepam; Fall 5: Tetrazepam, Oxazepam, Diazepam) sowie mit den
Wirkstoffen Tadalafil und Sildenafil Citrat (Fall 5: Arzneimittel
Cialis bzw. Viagra). Hinsichtlich der letztgenannten beiden
Arzneimittel (-wirkstoffe) fehlt es auch am notwendigen Zusammenhang
mit Dopingzwecken gerade im Sport. Dies lässt
unberührt, dass - entsprechend dem vom Landgericht getroffenen
Schuldspruch - eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 2a,
§ 6a Abs. 1 AMG sowie nach § 96 Nr. 13, § 48
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, 2 AMG in Verbindung mit § 1 AMVV
in allen vier Fällen gegeben ist.
b) Im Fall 7 der Urteilsgründe hat der Angeklagte 21 Packungen
Rohypnol (Wirkstoffgehalt 420 mg Flunitrazepam) an einen erkennbar
Drogensüchtigen abgegeben. Es handelt sich um eine gewichtige
Tat, die ungeachtet des vom Landgericht angenommenen besonders schweren
Falls nach § 29 Abs. 3 BtMG die verhängte
Einzelfreiheitsstrafe ohne Weiteres rechtfertigt. Zu § 29 Abs.
3 BtMG gilt indes Folgendes:
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aa) § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BtMG erfordert die
Gesundheitsgefährdung mehrerer Personen. Allein die
Möglichkeit einer durch die Aufnahme des Rauschmittels
verursachten Intoxikationspsychose und die Befürchtung eines
durch den Konsum mitbedingten Verharrens in der Sucht bei einem bereits
schwer von Heroin und Benzodiazepinen Abhängigen reichen
für die Anwendung des Regelbeispiels nicht aus. Erforderlich
sind Gefährdungen, die über die mit der
Rauschmitteleinnahme typischerweise verbundenen hinausreichen (siehe
etwa die Beispiele bei Körner, BtMG 6. Aufl. § 29
Rdn. 2015), andernfalls jede oder nahezu jede Abgabe von
Betäubungsmitteln an mindestens zwei Personen zur Anwendung
des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BtMG führen
müsste. Die konkrete Gefahr, über die genannten
Folgen hinaus geschädigt zu werden, bedarf tatgerichtlicher
Feststellung.
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bb) Die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls erfordert
eine umfassende Gesamtwürdigung (BGHSt 2, 181, 182; 28, 318,
319; 29, 319, 322; BGH NJW 1990, 1489). Das alleinige - im
Übrigen nicht näher begründete (vgl. etwa
den Vorschlag von Körner aaO AMG Anhang D I Rdn. 46: nicht
geringe Menge ab 1,2 g Flunitrazepam) - Abstellen auf das
Überschreiten einer im Rahmen des § 29 Abs. 1 Satz 1
Nr. 7 BtMG „erwartbaren“ Menge Rohypnol wird den
Erfordernissen schon deswegen nicht gerecht.
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