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BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2000 - 1 StR 521/00


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 5.12.2000 - 1 StR 521/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 521/00
vom
5. Dezember 2000
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Dezember 2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 4. August 2000 im Ausspruch über die Maßregel insoweit aufgehoben, als der Vollzug von drei Jahren und zwei Monaten Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und nach § 67 Abs. 2 StPO ausgesprochen, von der Freiheitsstrafe seien drei Jahre und zwei Monate vor der Maßregel zu vollstrecken. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit es um den Vorwegvollzug der Strafe vor der Maßregel geht; im übrigen ist es unbegründet.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat weder im Schuldspruch noch im Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 Abs. 1 StGB) ist nicht zu beanstanden. Dagegen kann die Entscheidung über den Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe vor der Maßregel keinen Bestand haben.
a) Nach der in § 67 Abs. 1 StGB zum Ausdruck kommenden Grundentscheidung des Gesetzgebers ist in der Regel die Maßregel nach § 64 StGB vor der Strafe zu vollziehen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, den Täter schon frühzeitig von seinem Hang zu befreien, damit er in der Strafanstalt an der Verwirklichung des Vollzugsziels mitarbeiten kann (BGHSt 37, 160, 162). Nur wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter zu erreichen ist, kann ausnahmsweise nach § 67 Abs. 2 StGB der Vorwegvollzug eines Teils der Strafe oder, wenn erforderlich, der gesamten Strafe gerechtfertigt sein (Tröndle/ Fischer, StGB 49. Aufl. § 67 Rdn. 4 m.w.Nachw.). Richtschnur für die Anordnung des Vorwegvollzugs der Strafe und für die Entscheidung der Frage, wie lange dieser Vorwegvollzug zu bemessen ist, ist das Rehabilitationsinteresse des Verurteilten (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 11). Ein Abweichen von der Vollzugsreihenfolge kann zwar grundsätzlich damit gerechtfertigt werden, daß die Behandlung nach § 64 StGB der Entlassung in die Freiheit unmittelbar vorausgehen sollte, weil ein sich anschließender Strafvollzug die positiven Auswirkungen des Maßregelvollzugs wieder gefährden würde. Dann aber muß der Tatrichter konkrete Anhaltspunkte darlegen, die erkennen lassen, worin die Gefährdung des Maßregelerfolgs durch den anschließenden Strafvollzug besteht und wie sich dies bei dem Verurteilten auswirken könnte (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug 8 m.w.Nachw.).
b) Solche den Angeklagten betreffenden Darlegungen sind dem landgerichtlichen Urteil nicht zu entnehmen. Den allgemein gehaltenen Erwägungen des Sachverständigen, Sinn und Zweck der Maßregel könnten nur dann erreicht werden, wenn aus dem Maßregelvollzug eine Entlassung in die Freiheit erfolgen könne, hat sich die Kammer ohne konkreten Bezug auf den zu entscheidenden Einzelfall und die individuellen Anforderungen an einen für den Angeklagten erfolgversprechenden Therapieverlauf angeschlossen. In dieser Allgemeinheit genügen diese Ausführungen für die Abweichung von der gesetzlichen Regel des § 67 Abs. 1 StGB nicht. Sie werden dem Rehabilitationsinteresse des Angeklagten, der sich "derzeit" zur Aufnahme einer stationären Therapie motiviert gezeigt hat, nicht gerecht. Die Urteilsgründe lassen vielmehr besorgen, die Strafkammer habe sich bei der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs davon leiten lassen, die drei Jahre und zwei Monate Freiheitsstrafe seien deshalb vorweg zu vollstrecken, weil die Entwöhnungsbehandlung in der Regel achtzehn Monate betrage und deshalb bei erfolgreicher Therapie des Angeklagten das letzte Drittel der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Dabei hat das Landgericht außer Acht gelassen, daß die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB auch über zwei Jahre hinaus vollzogen werden kann. Es hat auch nicht bedacht, daß bei Beibehaltung der gesetzlichen Reihenfolge des Vollzugs der Maßregel vor der Strafe nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB eine Aussetzung des Strafrestes schon nach Erledigung der Hälfte der Strafe möglich ist.
2. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird die Therapiechancen des Angeklagten in einer auf ihn bezogenen Gesamtwürdigung neu zu beurteilen haben.
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