BGH,
Beschl. v. 5.12.2000 - 1 StR 533/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 533/00
vom
5. Dezember 2000
in der Strafsache gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Dezember 2000
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München II vom 22. August 2000 im Strafausspruch mit den
Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Der Angeklagte wurde wegen gefährlicher
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und
sechs Monaten verurteilt.
Am 15. Dezember 1996 verletzte der angetrunkene Angeklagte den
ebenfalls angetrunkenen H. bei einer Rauferei auf der Straße
mit zwei Messerstichen. Der Angeklagte war H. gefolgt, nachdem dieser
den ihm bis dahin unbekannten Angeklagten in einer Gaststätte
grundlos durch "Pöbeleien" provoziert hatte und deshalb hinaus
gewiesen worden war.
Während die auf die Sachrüge gestützte
Revision des Angeklagten aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten
Gründen zum Schuldspruch erfolglos bleibt (§ 349 Abs.
2 StPO), kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben (§ 349
Abs. 4 StPO).
1. Die Strafkammer hat zu Gunsten des Angeklagten erwogen,
daß H. durch sein Verhalten im Lokal die Rauferei "ebenfalls
provoziert" hat, gleichzeitig aber zu Lasten des Angeklagten
berücksichtigt, daß die Tat auf eine "grundlose
Racheaktion" des Angeklagten zurückgehe. Diese
Erwägungen sind unvereinbar, da eine Rauferei nicht
gleichzeitig (auch) vom Opfer provoziert und vom Täter
grundlos herbeigeführt sein kann. Schon dies führt
zur Aufhebung des Strafausspruchs.
2. Der Senat weist auf folgendes hin:
a) Die Strafkammer hat strafmildernd berücksichtigt,
daß die Tat lange zurückliegt und der Angeklagte die
Dauer des Verfahrens nicht zu vertreten hat. Insoweit ergeben die
Urteilsgründe, daß der Angeklagte in dieser Sache
bereits am 9. Juli 1997 vom Schöffengericht Dachau verurteilt
worden war; nach beiderseitigen Berufungen verwies die
Berufungsstrafkammer die Sache durch Urteil vom 4. Dezember 1999 an die
Schwurgerichtskammer, vor der die Hauptverhandlung am 21. August 2000
begann. Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer insgesamt
eine von Justizorganen zu vertretende erhebliche, schwerwiegende
Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes feststellen, läge
neben den genannten Gesichtspunkten ein weiterer selbständiger
Strafmilderungsgrund vor. In diesem Fall wäre das
Maß der Kompensation durch Vergleich der an sich verwirkten
mit der tatsächlich verhängten Strafe
ausdrücklich und konkret zu bestimmen (st.Rspr., vgl.
zusammenfassend BGHR StGB § 46 Abs. 2
Verfahrensverzögerung 13 m.w.N.).
b) Schließlich wird auch zu beachten sein, daß
Strafzumessungserwägungen um so eingehender zu sein haben, je
knapper die verhängte Strafe eine an sich noch
bewährungsfähige Strafe übersteigt (BGH StV
1992, 462, 463; Beschluß vom 21. September 2000 - 1 StR
392/00; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. Rdn.
618a m.w.N.).
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