BGH,
Beschl. v. 5.2.2003 - 2 StR 1/03
2 StR 1/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 5. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen schwerer Brandstiftung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5.
Februar 2003 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Gießen vom 15. Oktober 2002 im Maßregelausspruch
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung zu
einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und seine Unterbringung
in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Seine hiergegen gerichtete, auf Verfahrensrügen und die
Sachrüge gestützte Revision hat nur in dem aus dem
Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Die Verfahrensrügen sind, soweit sie zulässig
erhoben sind, aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten
Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs.
2 StPO. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils
aufgrund der Sachrüge ergibt zum Schuldspruch und zum
Strafausspruch keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten. Dagegen
hält der Maßregelausspruch der rechtlichen
Prüfung nicht stand.
2. Nach den Feststellungen des Landgerichts legte der Angeklagte, der
sich im Zustand mit Sicherheit erheblicher Einschränkung
seiner Steuerungsfähigkeit befand, mit Hilfe von
Brandbeschleuniger auf dem Dachboden des Hauses, in welchem die
betreute Außenwohngruppe untergebracht war, welcher der
Angeklagte angehörte, einen Brand, der alsbald von ihm selbst
sowie von der durch ihn herbeigerufenen Feuerwehr gelöscht
wurde; der Gesamtschaden betrug 5.000 DM. Zu dem die
Maßregelanordnung rechtfertigenden Zustand des Angeklagten
hat das Landgericht im Anschluß an das Gutachten des
Sachverständigen festgestellt, es liege beim Angeklagten, der
einen Gesamtintelligenzquotienten von 56 aufweist, "entweder
Schwachsinn oder eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne
einer Pseudodebilität auf dem Hintergrund seiner extrem
schlechten Sozialisationsbedingungen" vor (UA S. 9); dies
bedürfe keiner näheren Aufklärung, da es
für die rechtliche Bewertung hierauf nicht ankomme (UA S. 10).
a) Die Unterbringungsanordnung hat das Landgericht darauf
gestützt, es sei nach Einschätzung des
Sachverständigen in der forensischen Praxis "gar nicht
selten", daß ein Zusammenhang zwischen sexueller Devianz und
Brandstiftungshandlungen bestehe. Der Angeklagte weise eine
"krankheitswertige Störung im Sinne einer Pädophilie"
auf, die in den Jahren 1981 und 1995 zu Verurteilungen geführt
habe. Die im letztgenannten Urteil zur Bewährung ausgesetzte
Strafe sowie die gleichfalls zur Bewährung ausgesetzte
Unterbringung gemäß § 63 StGB seien zwar
mit Wirkung vom 27. Juni 2000 erlassen worden bzw. erledigt gewesen.
Der Angeklagte sei jedoch in letzter Zeit bestrebt, die Medikation mit
Androcur zu reduzieren; er habe entgegen einem Verbot der Heimleitung
wiederholt Kontakt zu Kindern gesucht. Nach Einschätzung des
Sachverständigen, der sich das Landgericht angeschlossen hat,
können sich, da beim Angeklagten Einsicht in die Problematik
jedenfalls aktuell nicht vorhanden sei, "entsprechende
Vorfälle jederzeit wiederholen" (UA S. 13).
b) Damit sind die Voraussetzungen einer Unterbringung
gemäß § 63 StGB nicht hinreichend
dargelegt. Diese setzt nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes einen länger dauernden Zustand der
Beeinträchtigung der geistigen oder seelischen Gesundheit
voraus, dessen Ursache - schon im Hinblick auf die Feststellung des
Symptomcharakters der Anlaßtat und die erforderliche
Gefährlichkeitsprognose - nur ausnahmsweise offen bleiben kann
(BGHSt 42, 385, 388; BGH NJW 1998, 2986, 2987; vgl.
Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 63 Rdn. 11 f.
m.w.N.). Wenn hier aufgrund der die Schuldfähigkeit
gleichermaßen beeinträchtigenden Auswirkungen der
beiden möglichen Störungen auf eine zweifelsfreie
Aufklärung verzichtet werden konnte, so war die symptomatische
Bedeutung der Anlaßtat für die von § 63
StGB vorausgesetzte Gefährlichkeit aus dem Blickwinkel jeder
der möglichen Störungsursachen gesondert zu
untersuchen. Hieran fehlt es im angefochtenen Urteil.
Nicht hinreichend dargelegt ist in diesem Zusammenhang namentlich der
Zusammenhang zwischen der beim Angeklagten vorliegenden psychischen
Störung, der abgeurteilten Tat und der vom Landgericht
festgestellten Gefahr erheblicher rechtswidriger Taten in der Zukunft.
Zur Tatmotivation hat das Landgericht festgestellt, der Angeklagte sei
beunruhigt über den am nächsten Tag bevorstehenden
Umzug der Wohngruppe sowie über einen "Herrenbesuch" bei
seiner ebenfalls zur Wohngruppe gehörenden
Lebensgefährtin gewesen; möglicherweise habe er auch
als angeblicher Entdecker und Löscher des Brandes
Aufmerksamkeit gewinnen wollen (UA S. 9). Ein Bezug dieser für
möglich gehaltenen Tatmotive zu der festgestellten sexuellen
Devianz des Angeklagten ist nicht erörtert und auch nicht ohne
weiteres ersichtlich. Auf diese
Persönlichkeitsstörung ist auch die Feststellung
erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit im Kern nicht
gestützt; die Urteilsgründe führen insoweit
nur aus, sie "komme hinzu" (UA S. 10). Die Erörterung der vom
Angeklagten ausgehenden Gefahr beschränkt sich dem
gegenüber allein auf die vom Sachverständigen
dargelegte Wahrscheinlichkeit zukünftiger Sexualstraftaten mit
pädophiler Motivation. Daß ein Zusammenhang zwischen
Brandstiftung und gestörter Sexualität "gar nicht
selten" oder "häufig zu beobachten" sei, belegt nicht das
Vorliegen eines solchen Zusammenhangs gerade bei dem Angeklagten.
Dieser ist in der Vergangenheit weder durch Brandstiftungs- noch durch
andere Gewalthandlungen auffällig geworden; die
Erwägungen des Landgerichts zur möglichen
Tatmotivation legen einen Zusammenhang der genannten Art nicht nahe.
Die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts stützt
sich daher im Ergebnis auf eine Kette von - eher therapeutisch
begründeten - Vermutungen, welche die Anordnung einer
Unterbringung gemäß § 63 StGB nicht
trägt.
3. Sollte der neue Tatrichter auf der Grundlage von Feststellungen zum
konkreten Zusammenhang zwischen psychischer Störung,
abgeurteilter Tat und der Gefahr zukünftiger Straftaten
wiederum zur Maßregelanordnung gelangen, so wird er
Gelegenheit haben, sich genauer mit der Möglichkeit einer
Aussetzung gemäß § 67 b Abs. 1 StGB
auseinander zu setzen.
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