BGH,
Beschl. v. 5.7.2000 - 2 StR 87/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 87/00
vom
5. Juli 2000
in der Strafsache gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. Juli 2000
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Aachen vom 13. September 1999 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Frage der
Unterbringung des Angeklagten A. in einer Entziehungsanstalt
unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in zwei
Fällen und wegen Raubes in zwei Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der die
Verletzung formellen und materiellen Rechtes gerügt wird. Die
Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und damit
unzulässig (§ 344 Abs. 2 StPO). Die Sachrüge
hat Erfolg, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB)
unterblieben ist. Im übrigen ist die Revision
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat unter anderem folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte kam im Alter von 14 Jahren in der Schule in Kontakt mit
Haschisch und Alkohol. Seit dem 16. Lebensjahr konsumierte er
Amphetamine und gelegentlich Kokain, bevor er etwa seit dem 18./19.
Lebensjahr Heroin nahm, das er zunächst rauchte, dann aber
nach kurzer Zeit bereits injizierte. Begleitend konsumierte er
gelegentlich Amphetamin, Kokain und Ecstasy. Seit Anfang 1996 bis zu
seiner Festnahme in vorliegender Sache nahm er am Methadon-Programm
teil. Die Einnahme des Ersatzstoffs führte zu einer
vollständigen Aufhebung des Suchtgefühls. Nachdem er
aber nach etwa sechs bis sieben Monaten erneut in die "Szene" geriet,
erfolgte ein Beikonsum von etwa 1/2 g Heroin täglich und -
gelegentlich - Kokain sowie Haschisch. Die vier
Raubüberfälle beging der Angeklagte, um sich Geld
für den Drogenerwerb zu verschaffen. Jeweils vor den Taten
hatte der Angeklagte seine ärztlich verordnete Ration Methadon
erhalten und zusätzlich etwas Heroin oder Kokain oder
Haschisch zu sich genommen.
2. Nach diesen Urteilsfeststellungen drängte sich für
den Tatrichter eine Prüfung der Voraussetzungen für
eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB
auf. Dem steht nicht entgegen, daß beim Angeklagten die
Voraussetzungen des § 21 StGB zur Zeit der Taten
rechtsfehlerfrei verneint wurden (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1
Rausch 1).
Ein Hang des Angeklagten, berauschende Mittel im
Übermaß zu sich zu nehmen, liegt hier nahe. Es kann
dahinstehen, ob der Konsum an Heroin, Kokain und Haschisch allein
ausreichen würde, das Übermaß bejahen zu
können. Diese Betäubungsmittel waren nur der
Beikonsum zu Methadon, welches seinerseits ein berauschendes Mittel im
Sinne des § 64 StGB darstellt (vgl. Körner, BtMG 4.
Aufl. Anh. C 1 Teil 15). Da eine Suchtmittelabhängigkeit zur
Aufnahme in das Methadonprogramm nicht ausreicht, sondern
hierfür eine Opiatabhängigkeit erforderlich ist (vgl.
BGH NStZ 98, 414), spricht insoweit bereits viel für einen
Hang des Angeklagten, berauschende Mittel im Übermaß
zu sich zu nehmen. Jedenfalls der vom Angeklagten für
unerläßlich gehaltene erhebliche Beikonsum belegt
einen entsprechenden Hang.
Die Taten gehen auf diesen Hang zurück, da sie in der Absicht
der Erlangung weiterer Drogen begangen wurden.
Das Landgericht hätte daher darlegen müssen, warum es
gleichwohl von der Unterbringungsanordnung abgesehen hat. Daß
bei dem Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht eines
Behandlungserfolges nicht besteht (vgl. BVerfGE 91, 1 ff), kann den
Urteilsgründen nicht entnommen werden. Die Teilnahme an einer
- wenn auch mehrjährigen - Substitutionsbehandlung belegt
nicht, daß Drogenfreiheit nicht zu erreichen ist (vgl. BGH,
Beschl. v. 12. August 1999 - 3 StR 303/99).
Die Sache bedarf danach insoweit neuerlicher tatrichterlicher
Prüfung. Daß nur der Angeklagte Revision eingelegt
hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht
(§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5). Der
Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB
durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen
(vgl. BGHSt 38, 362).
Der Strafausspruch wird von der Teilaufhebung nicht berührt.
Der Senat schließt aus, daß der Tatrichter bei
Anordnung der Unterbringung geringere Strafen verhängt
hätte.
Eine Erstreckung der erforderlichen teilweisen Aufhebung des Urteils
auf den Mitangeklagten M. , der keine Revision eingelegt hat, kommt
nicht in Betracht (vgl. BGHR StPO § 357 Erstreckung 4).
Jähnke Niemöller Detter Bode Rothfuß |