BGH,
Beschl. v. 5.7.2010 - 5 StR 84/10
5 StR 84/10
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 5. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Juli 2010
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Potsdam vom 8. Oktober 2009, soweit es ihn betrifft, nach §
349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über die Einzelstrafe wegen
versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit
versuchtem Computerbetrug (Fall 2 der Urteilsgründe) sowie
über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (gemeinschaftlich) versuchter
räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchtem
(gemeinschaftlichem) Computerbetrug, wegen erpresserischen
Menschenraubs und wegen Körperverletzung in Tateinheit mit
Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Seine Revision hat mit der Sachrüge in dem aus der
Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist
sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Der - auch mit einer Verfahrensrüge angegegriffene -
Schuldspruch hält aus den zutreffenden Erwägungen des
Generalbundesanwalts ebenso wie die Bemessung der Einzelstrafen
für die Fälle 1 und 3 der Urteilsgründe
rechtlicher Nachprüfung stand. Jedoch begegnet die im Fall 2
der Urteilsgründe gebildete Einzelstrafe und damit auch der
Ausspruch über die Gesamtstrafe durchgreifenden rechtlichen
Bedenken.
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1. Das Landgericht hat seiner Strafzumessung im Fall 2 der
Urteilsgründe den Regelstrafrahmen der räuberischen
Erpressung zugrunde gelegt (§§ 253, 255, 249 Abs. 1
StGB). Eine Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2 StGB
i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB hat es dem Angeklagten trotz
angenommener Versuchsstrafbarkeit versagt, weil er es „bei
dem misslungenen Versuch nicht beließ, sondern zum Tatopfer
zurückkehrte, um mit diesem erneut zum Geldautomaten zu
gehen“, und dadurch deutlich gezeigt habe, „dass er
zu diesem Zeitpunkt nicht bereit war, von seinem
ursprünglichen Tatplan Abstand zu nehmen“ (UA S. 31).
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Diese Begründung lässt besorgen, dass die Strafkammer
bei der Prüfung einer Strafrahmenmilderung wegen Vorliegens
eines vertypten Milderungsgrundes zum Nachteil des Angeklagten allein
sein Nachtatverhalten berücksichtigt hat. Das ist
rechtsfehlerhaft. Bei der Frage, ob eine Strafrahmenmilderung wegen
Versuchs vorzunehmen ist, ist im Wege der Gesamtschau aller
strafzumessungserheblichen Gesichtspunkte im weitesten Sinne und der
Persönlichkeit des Täters zu entscheiden (vgl. BGHSt
16, 351, 353; Fischer, StGB 57. Aufl. § 23 Rdn. 4). Besonderes
Gewicht kommt dabei den wesentlich versuchsbezogenen Umständen
zu, weil sie wichtige Kriterien für die Bewertung des
Handlungs- und Erfolgsunrechts des versuchten Delikts darstellen;
hierzu gehören namentlich die Nähe zur Tatvollendung,
die Gefährlichkeit des Versuchs und die aufgewandte kriminelle
Energie (vgl. BGHSt 35, 347, 355; 36, 1, 18; BGHR StGB § 23
Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 4 und 9). Demgegenüber hat die
Strafkammer hier die Milderung soweit erkennbar
ausschließlich wegen des deliktischen Nachtatverhaltens
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des Angeklagten versagt, der nach dem erkannten Fehlschlag der
versuchten räuberischen Erpressung andere Wege zur
Verwirklichung des erstrebten Vermögensvorteils - hier im Wege
des erpresserischen Menschenraubes - suchte. Die unerlässliche
Würdigung der bestimmenden versuchsbezogegenen
Strafmilderungsgründe unterbleibt vollständig, so
dass die verhängte Einzelfreiheitsstrafe schon deshalb keinen
Bestand haben kann. Überdies hat die Strafkammer nicht
erkennbar erwogen, dass auch bei dem sich anschließenden
erpresserischen Menschenraub ein Taterfolg mangels Kontodeckung
ausblieb.
2. Wegen der fehlerhaft bemessenen Einzelfreiheitsstrafe unterlag auch
der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe der Aufhebung.
Lediglich ergänzend bemerkt der Senat, dass die Höhe
der gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe den festgestellten besonders engen
zeitlichen und situativen Tatzusammenhang nicht widerspiegelt. Dass die
Strafkammer darüber hinaus den von ihr vorgenommenen
Härteausgleich wegen einer vollstreckten
gesamtstrafenfähigen Vorverurteilung unbeziffert gelassen hat,
ist hier mit Rücksicht auf die Höhe der
ursprünglich einbeziehungsfähigen Geldstrafe aus
Rechtsgründen für sich nicht zu beanstanden.
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3. Angesichts des bloßen Wertungsfehlers lässt der
Senat sämtliche Feststellungen bestehen; diese können
allenfalls durch neue Feststellungen ergänzt werden, die den
bisherigen nicht widersprechen.
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