BGH,
Beschl. v. 5.3.2002 - 3 StR 514/01
VereinsG § 20 Abs. 1 Nr. 4
Zur Frage des tatbestandsmäßigen Zuwiderhandelns
gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot für
eine Vereinigung (hier: PKK) im Inland, wenn Spenden für einen
ihr nahestehenden, aber von der Verbotsverfügung nicht
erfaßten eingetragenen Verein (hier: Kurdischer Roter
Halbmond) gesammelt werden, dessen im ausländischen
Kampfgebiet geleistete humanitäre Hilfe für die von
dem Betätigungsverbot betroffene Vereinigung mittelbar
vorteilhaft ist.
BGH, Beschluß vom 5. März 2002 - - Landgericht
Dortmund
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
5. März 2002
in der Strafsache gegen
wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches
Betätigungsverbot
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 5.
März 2002 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Dortmund vom 30. August 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Zuwiderhandelns gegen ein
vereinsrechtliches Betätigungsverbot gemäß
§ 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG zu einer Geldstrafe von 70
Tagessätzen zu je 18 DM verurteilt. Die Revision des
Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die
Zulässigkeit der erhobenen Aufklärungsrüge
kommt es somit nicht an.
Nach den Feststellungen wurden bei einer Durchsuchung der Wohnung des
Angeklagten am 17. Januar 2000 handschriftliche Listen mit
Datumsangaben und Geldbeträgen gefunden. Bei seiner
polizeilichen Vernehmung hat der Angeklagte hierzu erklärt, es
handele sich um Aufstellungen von Geldern, die an die HSK (Heyva Sor A
Kurdistan = Kurdischer roter Halbmond) geflossen seien; in der
Hauptverhandlung hat er von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Die
Strafkammer ist zur Überzeugung gelangt, der Angeklagte sei
"Kader" der PKK gewesen und habe Spenden selbst gesammelt oder von
anderen gesammelte Spenden teils unmittelbar, teils über die
HSK an die PKK geleitet, die eine Unterorganisation der PKK gewesen
sei. Soweit im übrigen die HSK mit den Spendengeldern
verletzte kurdische Kämpfer und deren Angehörige
unterstützt habe, sei auch hierdurch die PKK
gefördert worden, da diese Hilfe es ihr erleichtert habe, neue
"Kader" zu rekrutieren, den Zusammenhalt innerhalb der Organisation zu
festigen und eigene finanzielle Aufwendungen zu ersparen.
Das Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand,
weil eine Spendensammeltätigkeit für die HSK selbst
keine Zuwiderhandlung gegen ein vereinsrechtliches
Betätigungsverbot nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m.
§ 18 Satz 2 VereinsG darstellt und die Feststellung einer
Spendensammeltätigkeit für die PKK einer
tragfähigen Tatsachengrundlage in den Urteilsgründen
entbehrt.
1. Aktivitäten des Angeklagten für die HSK als solche
stellen keine Zuwiderhandlung gegen ein vereinsrechtliches
Betätigungsverbot nach § 18 Satz 2, § 20
Abs. 1 Nr. 4 VereinsG dar.
a) Es handelt sich bei dieser Organisation um einen eingetragenen
Verein mit eigener Rechtspersönlichkeit, der in der
Verbotsverfügung des Bundesministers des Inneren vom 22.
November 1993 (Bundesanzeiger 1993, S. 10313) im Gegensatz zu
zahlreichen anderen der PKK nahe stehenden Vereinigungen nicht genannt
ist. Es kann offen bleiben, ob die Strafkammer die HSK mit einer
ausreichend tragfähigen Begründung als
Teilorganisation der PKK eingestuft hat, da sie auch als solche von der
Verbotsverfügung nicht erfaßt werden würde.
Weiter braucht nicht entschieden zu werden, ob auch im Wirkungsbereich
des Betätigungsverbots nach § 18 Satz 2 VereinsG der
Gedanke des § 3 Abs. 3 VereinsG über die Geltung von
Vereinsverboten für Teilorganisationen heranzuziehen ist,
obgleich § 18 Satz 2 VereinsG nach seinem Wortlaut an sich nur
auf Ausländervereine ohne Teilorganisationen im Inland
anwendbar ist und nur auf § 3 Abs. 1 VereinsG Bezug nimmt.
Würde man § 3 Abs. 3 VereinsG entsprechend anwenden,
wäre die HSK gleichwohl nicht als eine vom
Betätigungsverbot erfaßte Teilorganisation
anzusehen, weil es sich dann bei ihr um eine nicht gebietliche, im
gesamten Bundesgebiet vertretene Teilorganisation mit eigener
Rechtspersönlichkeit handelte, die in der
Verbotsverfügung nicht genannt ist (§ 3 Abs. 3 Satz 2
VereinsG). Lehnt man eine derartige analoge Anwendung des § 3
Abs. 3 VereinsG ab, legt jedenfalls die Formulierung der
Verbotsverfügung vom 23. November 1993, in der sowohl bei dem
Betätigungsverbot gegen die PKK als auch bei den
ausgesprochenen Organisationsverboten die jeweils erfaßten
Teilorganisationen ausdrücklich genannt sind, den
Schluß nahe, daß eine Beschränkung im
Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG zum Ausdruck gebracht
wurde und andere, nicht genannte Teilorganisationen wie hier die HSK
vom Betätigungsverbot nicht erfaßt werden sollten
(vgl. zur ARGK [Volksbefreiungsarmee Kurdistan] BGHSt 43, 47 f.).
Tätigkeiten für die HSK sind damit solange nicht
verboten, als das Betätigungsverbot für die PKK nicht
ausdrücklich auch auf diese erstreckt wird.
b) In der Spendensammeltätigkeit für die HSK liegt
auch nicht deswegen eine Tätigkeit für die PKK im
Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG, weil sich die
humanitäre Tätigkeit der HSK für die PKK
auswirkt. Allerdings mögen sich als Folge der
Unterstützung von verletzten Kämpfern und ihren
Angehörigen durch die HSK in der kurdischen Heimat neue
Kämpfer leichter rekrutieren lassen, der Zusammenhalt der
Organisation gestärkt werden und eigene
Unterstützungsaufwendungen erspart werden können.
Nicht jegliches Handeln eines Dritten, das sich in irgendeiner
allgemeinen Form als vorteilhaft für einen im Inland mit einem
Betätigungsverbot belegten Verein auswirkt, kann aber als
strafbare Zuwiderhandlung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4
VereinsG angesehen werden. Eine Art. 103 Abs. 2 GG
berücksichtigende Auslegung des Straftatbestandes des
§ 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG erfordert eine
Beschränkung auf ein unter dem Gesichtspunkt der
Verbotsgründe potentiell erhebliches Verhalten, das auf die
verbotene inländische Tätigkeit des betroffenen
Vereins bezogen und konkret geeignet ist, eine für den die
verbotene Vereinstätigkeit (im Inland!) vorteilhafte Wirkung
zu erzielen (BVerfG NStZ 2000, 540; BGHSt 42, 30, 36). Bei der
begrenzten und nur sehr mittelbaren Auswirkung der vorwiegend in der
Heimat der Kurden geleisteten humanitären Hilfe auf die
verbotene Vereinstätigkeit der PKK in Deutschland, auf die es
allein ankommt, ist ein solcher Bezug nicht ausreichend erkennbar.
2. Eine Spendensammeltätigkeit des Angeklagten für
die PKK ist nicht ausreichend belegt.
a) Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen,
daß die Beweiswürdigung auf einer
tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren
Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene
Schlußfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als
bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen
Verdacht zu begründen vermag (st. Rspr., vgl. BGHR StPO
§ 261 Vermutung 11 m. w. N.). Es genügt nicht,
lediglich das Ergebnis der Schlußfolgerungen, nicht aber die
Tatsachen, die einen solchen Schluß zulassen können,
in den Urteilsgründen mitzuteilen, da andernfalls eine
revisionsrechtliche Nachprüfung der tatrichterlichen
Überzeugungsbildung nicht möglich ist.
b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es
ist bereits nicht nachvollziehbar, woraus die Strafkammer gefolgert
hat, daß der Angeklagte ein "Kader" der PKK, also ein
Funktionär in herausgehobener Position gewesen ist.
Dafür genügt nicht der Umstand, daß bei ihm
zahlreiche politische Zeitschriften, Poster u. ä. mit Bezug
zur PKK und deren Führer Öcalan gefunden worden sind.
Nicht ausreichend ist auch die Feststellung, daß er einen
Informationsstand für die HSK bei den Behörden
angemeldet und Verbindungen zu einem verletzten PKK-Kämpfer
unterhalten hatte, der in Kiel ärztlich behandelt worden war.
Damit wird weder eine Mitgliedschaft noch eine
Funktionärstätigkeit für die PKK belegt.
c) Der Angeklagte hatte sich bei seiner polizeilichen Vernehmung dahin
eingelassen, daß die bei ihm gefundenen Listen Aufstellungen
von Zahlungen von Geldern, die an die HSK geflossen sind, darstellen.
Soweit die Strafkammer demgegenüber festgestellt hat,
daß der Angeklagte einen Teil der Spenden selbst sammelte und
diese sowie die von anderen gesammelten Gelder nicht nur an die HSK,
sondern zum Teil auch an die PKK weiterleitete, fehlt es an der
Darlegung der Beweisgrundlage. Sie hat weder eine tatsächliche
Spendensammeltätigkeit noch konkrete Geldtransferhandlungen
des Angeklagten noch Anhaltspunkte dafür festgestellt,
daß Gelder entgegen der Darstellung des Angeklagten nicht nur
an die HSK, sondern unmittelbar an die PKK geleitet worden sind. Da
nicht einmal festgestellt worden ist, daß die
handschriftlichen Listen vom Angeklagten erstellt wurden, belegt der
Fund dieser Listen in seiner Wohnung auch im Zusammenhang mit seiner
Einlassung zunächst nur, daß er solche Listen
über Spendenzahlungen an die HSK in Besitz hatte. Daraus mag
tatrichterlich gefolgert werden, daß er auf irgendeine Weise
in die Spendensammeltätigkeit zu Gunsten der HSK eingebunden
war, weiterreichende Feststellungen bedurften aber einer
darüber hinausgehenden Tatsachengrundlage, die dem Urteil
nicht zu entnehmen ist.
3. Für die neue Hauptverhandlung gibt der Senat folgenden
Hinweis:
a) Zur näheren Klärung der Verbindungen zwischen der
HSK und der PKK und zur Frage etwaiger Geldflüsse zwischen
diesen Organisationen wird sich die von der Revision vermißte
Beiziehung der Akten des gegen Vorstandsmitglieder der HSK
geführten Ermittlungsverfahrens (2101 Js 47792/97 StA Koblenz)
empfehlen.
b) Der neue Tatrichter wird nach einer näheren Konkretisierung
der dem Angeklagten zur Last gelegten Handlungen zu prüfen
haben, ob der Teil seiner Tätigkeit, der vor dem 6. September
1997 liegt, verjährt ist. Die im angefochtenen Urteil
ersichtlich nach dem Zweifelssatz vorgenommene Zusammenfassung zu einer
Tat kann sich insoweit zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben
(vgl. zur konkurrenzrechtlichen Beurteilung BGHSt 43, 312; 46, 6; BGHR
VereinsG § 20 Abs. 1 Nr. 4 Tatmehrheit 2, 3). Der Eintritt von
Strafverfolgungsverjährung kommt hier für die Zeit
vor dem 6. September 1997 in Betracht. Die Verjährungsfrist
für Vergehen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG
beträgt nach § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB drei Jahre.
Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kam der Durchsuchung
am 17. Januar 2000 insoweit keine verjährungsunterbrechende
Wirkung zu, da sie nicht wegen dieser Taten, sondern wegen des
Verdachts der Beteiligung an einer Besetzungsaktion der PKK erfolgte,
so daß erst durch die erste verantwortliche Vernehmung des
Angeklagten am 6. September 2000 eine Unterbrechung der
Verjährung bewirkt worden ist.
Frau RiBGH Dr. Rissing-van Saan ist infolge Urlaubsabwesenheit an der
Unterschriftsleistung gehindert.
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