BGH,
Beschl. v. 5.3.2008 - 2 StR 50/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 50/08
vom
5.3.2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 5.3.2008 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera
vom 11. September 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter
gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die
Revision des Angeklagten, die mit der Sachrüge in vollem
Umfang Erfolg hat (§ 349 Abs. 4 StPO).
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1. Nach den Feststellungen gab der Angeklagte aus dem
geöffneten Wohnzimmerfenster in Richtung der vor dem Haus
verlaufenden Straße mehrere Schüsse aus einem mit so
genannter "Diabolo-Munition" geladenen Luftgewehr ab. Er wollte den
Kaugummiautomaten treffen, der auf dem den Hof begrenzenden
Holzlattenzaun angebracht war. Tatsächliche Anhaltspunkte
dafür, dass ihm dies zuverlässig gelingen und die
Schüsse nicht auch den dahinter liegenden
Straßenraum erreichen würden, hatte der Angeklagte
nicht. Während der Schussabgabe - es war bereits
dämmrig - näherte sich aus Blickrichtung
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des Angeklagten von rechts kommend der Zeuge G. , der auf dem Gehweg
sein Fahrrad schob. Als der Zeuge sich etwa 1-2 Meter von dem
Kaugummiautomaten entfernt befand, fiel ein Schuss, der das Fahrrad des
Zeugen streifte, ohne es erkennbar zu beschädigen.
Das Landgericht bewertet das Verhalten des Angeklagten als versuchte
gefährliche Körperverletzung. Die Handlung des
Angeklagten habe die "Eignung zur Verletzung unbeteiligter Dritter im
Straßenraum" besessen. Er habe angesichts der gesamten
Umstände damit rechnen müssen, dass jederzeit ein
Passant aus dem spät einsehbaren Straßenraum den
Bereich vor der Hofeinfriedung betreten oder befahren würde.
Ebenso habe er angesichts der erschwerten Erkennbarkeit bei schon
einsetzender Dämmerung davon ausgehen müssen, dass
eine so in den Gefahrenbereich gelangte Person getroffen
würde. Die gleichwohl vorgenommene Tatausführung
belege, dass der Angeklagte die nahe liegende Möglichkeit
einer Körperverletzung Dritter billigend in Kauf genommen habe.
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2. Diese Ausführungen des Landgerichts genügen bei
dem hier gegebenen Sachverhalt nicht den Anforderungen, die an die
Darlegung und Begründung des Tatvorsatzes zu stellen sind. Die
Merkmale der inneren Tatseite ergaben sich bei der vorliegend gebotenen
- vom Landgericht nicht vorgenommenen - Abgrenzung zwischen bedingtem
Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit nicht von selbst aus der
Schilderung des äußeren Sachverhalts. Beide
Schuldformen unterscheiden sich lediglich darin, dass der bewusst
fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten
Folge nicht einverstanden ist und deshalb auf ihren Nichteintritt
vertraut, während der bedingt vorsätzlich Handelnde
mit dem Eintreten des schädlichen Erfolgs in der Weise
einverstanden ist, dass er ihn billigend in Kauf nimmt oder dass er
sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGHSt 37,
1, 10). Da die Grenzen dieser beiden
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Schuldformen eng beieinander liegen, müssen die Merkmale der
inneren Tatseite außerdem durch ausreichende
tatsächliche Feststellungen belegt und dabei insbesondere die
Rechtsbegriffe Vorsatz und Fahrlässigkeit in ihre
tatsächlichen Bestandteile aufgelöst werden (BGHR
StGB § 15 Vorsatz, bedingter 2).
Dem genügt die formelhafte These in den
Urteilsgründen, der Angeklagte habe "billigend in Kauf"
genommen, "dass die abgefeuerte Munition das von ihm anvisierte Ziel
verfehlen und im öffentlichen Straßenraum etwa
auftauchende Personen verletzen würde", nicht. Denn sie ist
nicht hinreichend mit Tatsachen belegt. Es fehlt etwa an konkreten
Feststellungen dazu, wie belebt der vom Angeklagten
überblickte Straßenraum zum Zeitpunkt der
Tathandlung tatsächlich war oder ob der Angeklagte den Zeugen
G. überhaupt wahrgenommen hat. Soweit die Strafkammer
bedingten Vorsatz des Angeklagten mit der allgemeinen
Gefährlichkeit seines Handelns begründet, ist zu
besorgen, dass sie rechtsfehlerhaft alleine aus seiner
Erkenntnisfähigkeit oder seiner vorhandenen Kenntnis auf das
voluntative Element des Vorsatzes, die billigende Inkaufnahme des
Erfolges geschlossen hat. Mit dem Wissen oder "Wissenmüssen"
von der generellen Gefährlichkeit seines Verhaltens ist jedoch
noch nicht gesagt, dass der Täter den konkreten
Erfolgseintritt auch akzeptiert, dass er sich innerlich mit ihm
abgefunden hat (vgl. BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 2, 4).
Hatte der Angeklagte, dessen Primärziel es war, den
Kaugummiautomaten zu treffen, dagegen begründeten Anlass,
darauf zu vertrauen und vertraute er darauf, es werde nichts geschehen,
kann bedingter Vorsatz nicht angenommen werden.
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3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes
hin: Sollte der Tatrichter zum Ergebnis gelangen, dass der Angeklagte
hinsichtlich einer Körperverletzung des Zeugen G. bedingt
vorsätzlich gehandelt hat, wird er zu prüfen haben,
ob der Angeklagte vom Versuch der gefährlichen Kör-
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perverletzung mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten ist.
Hierzu besteht nach den Ausführungen im landgerichtlichen
Urteil Anlass, da nach Aussage des Zeugen L. der Angeklagte, dem man
"nichts befehlen" könne, nur mühsam zu bewegen
gewesen sei, die Tathandlung zu beenden. Dies kann darauf hindeuten,
dass der Angeklagte das Schießen vor einer möglichen
Vollendung der gefährlichen Körperverletzung zum
Nachteil des Zeugen G. freiwillig aufgegeben hat. Die freiwillige
Aufgabe der weiteren Tatausführung wäre hier
ausreichend, da nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts ein
unbeendeter Versuch vorliegt. Die Urteilsgründe enthalten
keine Hinweise darauf, der Angeklagte könne nach der letzten
Ausführungshandlung, das heißt der Abgabe des
letzten Schusses, davon ausgegangen sein oder es für
möglich gehalten haben, dass er den Zeugen G. angeschossen und
verletzt hat.
Rissing-van Saan Rothfuß Fischer
Roggenbuck Schmitt |